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China überholt Deutschland derzeit auf dem Automarkt.

© imago images/Xinhua/Xinhua via www.imago-images.de

Droht Deutschland ein China-Schock?: So behält Deutschland den Anschluss

Um den Schaden zu begrenzen, sollte sich Berlin an Pekings Industriepolitik und Washingtons Innovationspolitik orientieren, rät Dalia Marin.

Ein Gastbeitrag von Dalia Marin

Auf der Shanghai Motor Show wurden westliche Automanager unlängst mit einer harten Realität konfrontiert: Dutzende neuer Elektrofahrzeuge drohen ihnen entscheidende Marktanteile wegzunehmen.

Der Aufstieg der E-Mobiltät hat Chinas Autoindustrie in den vergangenen Jahren zu globaler Bedeutung verholfen: 2022 übertrafen ihre Exporte erstmals die deutschen Ausfuhren. In diesem Jahr schickt China sich an, auch Japan zu übertreffen und zum größten Autoexporteur der Welt aufzusteigen.

In Shanghai jedenfalls ignorierten chinesische Verbraucher geflissentlich die Angebote von BMW, Volkswagen und Mercedes – statt dessen bestaunten sie neuer Modelle von chinesischen Herstellern wie BYD und Nio. Im Vergleich zu deren Autos mit ihren hochmodernen Batterien und Sensoren wirkten die in Deutschland hergestellten Elektrofahrzeuge beinahe veraltet.

Deutschland wird von E-Fahrzeugrevolution bedroht

Jahrzehntelang haben deutsche Ingenieure den Verbrennungsmotor perfektioniert, doch nun bedroht die Elektrofahrzeug-Revolution ihr gesamtes technologisches Know-how.

In Shanghai ignorieren chinesische Verbraucher die Angebote von BMW, Volkswagen und Mercedes.

© AFP/HECTOR RETAMAL

Da der Automobilsektor in Deutschland ein wichtiger Beschäftigungsfaktor ist, droht dem Wirtschaftsstandort ein China-Schock, den die USA und andere Staaten schon einmal erlebt haben: Nach Chinas Eintritt in die Welthandelsorganisation 2001 sahen sich westliche Hersteller einer starken Konkurrenz chinesischer Unternehmen ausgesetzt, zunächst mit geringwertigen Produkten wie Textilien und Möbeln, dann aber auch mit anspruchsvolleren Angeboten aus der Computer- und Elektronikbranche.

Zwischen 2000 und 2010 stieg der Anteil von in China hergestellten Waren an den gesamten Importen der USA um 25 Prozentpunkte, was zur Deindustrialisierung des Rust Belt und zum Siegeszug von Donald Trump bei den Präsidentschaftswahlen 2016 beitrug.

Es gibt klare Anzeichen dafür, dass Deutschland nun seine eigene Version des China-Schocks erlebt: 2022 führte die Bundesrepublik erstmals mehr Autos aus China ein als es dorthin exportierte. Von Januar bis August 2022 importierte Deutschland 1,8 Millionen Autos aus der Volksrepublik, exportierte jedoch nur 1,7 Millionen. Ein vergleichbarer Trend zeigt sich im Maschinenbau.

China besitzt vor allem zwei Vorteile

Es ist eine Ironie der Geschichte, dass die rasche Industrialisierung Chinas erst durch massive Importe insbesondere von deutschen Autos und Werkzeugmaschinen möglich wurde.

In den vergangenen drei Jahrzehnten hat Deutschland eine ganze Generation chinesischer Arbeiter durch Joint Ventures mit dortigen Unternehmen ausgebildet. Die Volksrepublik machte diesen Technologietransfer zur Voraussetzung für den Zugang zu ihrem Markt.

China ist zum globalen Marktführer bei Lithium-Ionen-Batterien geworden.

© AFP/HECTOR RETAMAL

China, inzwischen zur industriellen Großmacht aufgestiegen, hat gegenüber Deutschland zwei entscheidende Vorteile: Erstens muss es im Zeitalter der E-Mobilität den Verbrennungsmotor nicht mehr beherrschen; und zweitens ermöglicht Chinas Größe eine Skalierung der Produktion, was die Kosten schnell verringert.

So ist die Volksrepublik schon zum globalen Marktführer bei Lithium-Ionen-Batterien geworden und steht kurz davor, natriumbetriebene Batterien zu entwickeln.

Deutschland kann den China Schock nicht länger vermeiden

Außerdem ermöglichte die Ausweitung der Produktionsnetzwerke in Europas früherem Ostblock deutschen Unternehmen, die Produktivität zu steigern und Kosten zu senken. Jahrelang profitierte Deutschland außerdem vom wirtschaftlichen Boom Chinas, da die dortige Nachfrage nach hochwertigen deutschen Autos und Maschinen stieg.

1,8
Millionen Autos importierte Deutschland von Januar bis August 2022.

Deutschland kann die negativen Auswirkungen, die andere Länder bereits erfahren haben, nicht länger vermeiden. Zwar dürfte der Wiederaufbau der Ukraine hiesigen Unternehmen einen ähnlichen Schub geben wie nach dem Fall des Eisernen Vorhangs 1989; der Krieg muss aber zuerst enden, was in naher Zukunft unwahrscheinlich ist.

Dennoch kann die deutsche Politik eine Deindustrialisierung wie in den USA vermeiden, wenn sie etwa ausländische Direktinvestitionen von chinesischen Batterieunternehmen, asiatischen Halbleiterherstellern und israelischen KI-Start-ups nach Deutschland lockt und dabei auf Joint Ventures setzt. So könnten deutsche Ingenieure rasch Wissenslücken schließen, was für den Wettbewerb um das Auto der Zukunft entscheidend sein dürfte.

Außerdem sollte Deutschland eine führende Rolle dabei spielen, eine europäische Version der US-amerikanischen Forschungsagentur der Verteidigung (DARPA) ins Leben zu rufen, auf die wesentliche Innovationen des Silicon Valley zurückzuführen sind. 

Wenn die Regierung sich an der chinesischen Industriepolitik und der amerikanische Innovationspolitik orientiert, wäre sie in der Lage, die wirtschaftliche Dynamik zu erhöhen, die negativen Folgen eines China-Schocks abzufedern und die Wirtschaft fit zu machen für die Herausforderungen des 21. Jahrhunderts.

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