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China will die Nummer 1 sein. Dazu gehört auch die Technologie für Hochgeschwindigkeitszüge.

© imago images/Imaginechina-Tuchon

Erst den Heimatmarkt erobern, dann die Welt: Wie Chinas Verkehrs- und Industriepolitik den Westen abhängt

Chinas neuer Fünfjahresplan soll Mobilität klimafreundlicher machen – und das Land technologisch eigenständig. Das könnte die Weltwirtschaft verändern.

Es ist ein Fingerzeig. Kurz vor der Verabschiedung des neuen Masterplans für die chinesische Wirtschaft am Freitag durch den Volkskongress verkündeten Staatsmedien einen wegweisenden Luftfahrt-Deal. Die Fluggesellschaft China Eastern Airlines kauft seine neuen Flugzeuge beim heimischen Hersteller Comac. Für Airbus ist das keine gute Nachricht, aber deutsche Zulieferer sind auch mit Comac gut im Geschäft.

Noch in diesem Jahr sollen die Maschinen des Typs C919, der mit den wichtigsten Modellen des bisherigen Duopols Airbus und Boeing für die Mittelstrecke konkurriert, im Linienverkehr abheben. Nach vielen Rückschlägen, Copycat-Vorwürfen und jahrelangen Verzögerungen kommt China damit dem Ziel näher, einen eigenen Flugzeugbauer aufzubauen. Bislang liegen mehr als 800 Bestellungen für das Flugzeug vor – überwiegend von Fluggesellschaften aus der Volksrepublik.

„Passagierflugzeuge zu bauen, ist der Traum chinesischer Generationen. Sie machen ihn nun wahr“, rief Staatschef Xi Jinping den Comac-Ingenieuren einst bei einem Fabrikbesuch in der Nähe von Schanghai zu. Bei einem Erfolg könnte China in der Luft wiederholen, was auf der Schiene der weltgrößte Zughersteller CRRC bereits geschafft hat – erst den Heimatmarkt zu erobern, dann die Welt.

Der Schwerpunkt des neuen Fünfjahresplans

Wie im Luftverkehr strebt die Regierung in Peking auch in anderen Wirtschaftssektoren an, technologisch unabhängig vom Westen zu werden. Das ist einer der Schwerpunkte des neuen Fünfjahresplans. Der gibt die grobe Richtung der Entwicklung vor, weil er den Rahmen der Politik beschreibt – ohne konkrete Produktionszahlen oder Ähnliches zu nennen.

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Luft- und Raumfahrt sowie der Schiffbau zählen zu jenen Schlüsseltechnologien, die die Volksrepublik künftig kontrollieren will, dazu kommt die etwa für das autonome Fahren wichtige künstliche Intelligenz. Dem Klimaschutz wird viel Raum eingeräumt. „China stellt Klimapläne vor, die das Schicksal des Planeten bestimmen“, titelte Bloomberg.

So sollen etwa nicht nur heimische Elektroautobauer gestärkt werden, sondern auch der neue Emissionshandel in den nächsten Jahren auch auf Land- und Luftverkehr ausgeweitet werden. Trotzdem müsse das Wachstum weitergehen – jährlich um fünf Prozent, auch um den Pro-Kopf-Wohlstand zu steigern. Das ist weniger als bislang, bei der bereits zweitgrößten Volkswirtschaft des Planeten aber trotzdem viel.

2060 keine Emissionen mehr geplant

„China geht gerade durch eine große Transformation. Das Model ‚hohes Wirtschaftswachstum um jeden Preis‘ wird nun zum ersten Mal nicht mehr im Fokus eines Fünfjahresplans stehen“, sagte Isabel Hilton, Gründerin der Plattform China Dialogue. China wette jetzt auf die Zukunft: Investitionen in erneuerbare Energien, Entwicklung von Batterien und Innovationen in der Industrie. Ab 2030 sollen die Emissionen sinken – bis 2060 auf null.

Im Verkehr könnten künftig kostspielige, weil parallel errichtete Infrastrukturen vermieden werden. In den letzten Jahren wurden oft Highspeed-Zugstrecken samt Bahnhöfen in neu aus dem Boden gestampften Satellitenstädten parallel zu neuen Flughäfen geplant. Schienen-, Straßen- und Luftverkehrsinfrastruktur sollen zwar massiv weiterwachsen, aber der Ausbau besser koordiniert werden. Bei neuen Airports und Hochgeschwindigkeitsstrecken wird die Volksrepublik wohl auch weiterhin Rekorde brechen.

China spielt bei E-Autos vorne mit

Bei den deutschen Autobauern dürften sich die China-Manager vor allem über diejenigen Kapitel des neuen Fünfjahresplans beugen, in denen es um die industrielle Unabhängigkeit der Volksrepublik geht. „Zusammengenommen bilden diese Punkte einen Plan für den Angriff Chinas auf die bislang für viele deutsche Unternehmen lukrative Arbeitsteilung in der Weltwirtschaft“, kommentiert das „Handelsblatt“. So will Peking vor allem den Wirtschaftskreislauf innerhalb des Heimatmarkts stärken, auch als Antwort auf die Handelsstreitigkeiten der vergangenen Jahre.

Am Freitag beschloss der Volkskongress in China den neuen Fünf-Jahres-Plan für China.

© imago images/Xinhua

Bei den mit viel Geld geförderten Elektroautos spielen chinesischen Konzerne schon länger vorne mit, so soll es auch beim autonomen Fahren werden. Das neue Flaggschiff des E-Autobauers Nio soll mit einer Batterieladung angeblich 1000 Kilometer weit fahren können. Gestern kündigte das Unternehmen zudem an, seine jährlichen Forschungsausgaben zu verdoppeln. Derweil wird der chinesische BMW-Partner Brilliance für umgerechnet sieben Milliarden Dollar vom Staatskonzern FAW geschluckt.

Um im Spiel zu bleiben und den Wunsch nach mehr Produktion im Land zu erfüllen, müsste die deutsche Industrie ihre Aktivität vor Ort wohl noch einmal verstärken, glaubt Ex-Siemens-Chef Joe Kaeser. „Es dürfte eine größere Lokalisierung der Produktion deutscher Firmen in China geben. Das ist für die großen europäischen Unternehmen kein Beinbruch, die bauen dann eben noch eine weitere Fabrik dort. Aber viele mittelständische Unternehmen wird dieser Trend zur Lokalisierung vermutlich hart treffen.“

Für den Flugzeugbauer Comac dürften mit dem neuen Fünfjahresplan lukrative Zeiten anbrechen. Bislang hält sich das Interesse internationaler Fluggesellschaften am C919 zwar in Grenzen. Doch das könnte sich schnell ändern, wenn Peking seinen Einfluss in asiatischen Nachbarländern nutzt, um den Absatz anzukurbeln. Airbus-Chef Guillaume Faury machte erst im Februar in einem Pressegespräch klar, dass er den neuen Rivalen genau beobachtet. Und mit Ryanair hat Europas größte Billigairline ihr Interesse an dem neuen Flugzeug schon vor Jahren schriftlich hinterlegt.

Felix Wadewitz

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