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Auslöser der Proteste im Herbst 2022 war der Tod der iranischen Kurdin Jina Mahsa Amini im Herbst 2022 (Archivbild).

© AFP/OZAN KOSE

„Angst unter der Bevölkerung verbreiten“: Iranische Behörden intensivieren Vorgehen vor erstem Todestag von Mahsa Amini

Mahsa Aminis erster Todestag rückt näher und der Iran reagiert mit verstärkter Repression. Menschenrechtsorganisationen beklagen Festnahmen von Regierungskritikern.

Von Stuart Williams, AFP

Vor dem ersten Todestag der jungen Kurdin Mahsa Amini verschärfen die Behörden im Iran nochmals die Repression. Nach Angaben von Aktivisten haben die Festnahmen von Regierungskritikern zuletzt zugenommen.

Damit wolle die Regierung vor dem Jahrestag „Angst unter der Bevölkerung verbreiten“ und von neuen Protesten abschrecken, sagte der Chef des in New York ansässigen Center for Human Rights in Iran (CHRI), Hadi Ghaemi, der Nachrichtenagentur AFP.

Die 22-jährige Amini war nach der Festnahme durch die Sittenpolizei in Teheran am 16. September gestorben. Angeblich soll sie gegen die strikten Vorschriften zum Tragen des islamischen Kopftuchs verstoßen haben.

Die Grausamkeit der iranischen Behörden kennt keine Grenzen.

Diana Eltahawy, Amnesty-Vizeregionaldirektorin für den Nahen Osten

Als Ursache des Todes der jungen Frau nannten die Behörden lange zurückreichende Gesundheitsprobleme. Aus den Reihen der Opposition wurde hingegen der Vorwurf erhoben, Amini sei im Polizeigewahrsam geschlagen worden. Ihr Tod löste landesweite Proteste von beispiellosem Ausmaß gegen die Führung in Teheran aus. Die Behörden reagierten mit großer Härte.

Hunderte Menschen wurden im Zuge der Proteste getötet, darunter auch dutzende Mitglieder der Sicherheitskräfte. Tausende Menschen wurden im Zusammenhang mit den Protesten festgenommen.

Weniger Proteste im Iran

Die Demonstrationen brachen Tabus und rührten damit an die ideologischen Grundlagen der 1979 gegründeten Islamischen Republik: Während der Proteste wurden Slogans gegen das geistliche Oberhaupt Ayatollah Ali Chamenei skandiert, Frauen zogen offen ohne die vorgeschriebene Kopfbedeckung durch die Straßen.

Abgesehen von vereinzelten sporadischen Aktionen sind die Proteste inzwischen allerdings abgeklungen. Im Exil lebende Aktivisten sehen den Grund im drakonischen Vorgehen der Sicherheitskräfte und Behörden. Es werde versucht, die Menschen mittels der Festnahmen und auch Todesurteile einzuschüchtern.

So wurde zuletzt etwa der populäre Popmusiker Mehdi Yarrahi in Gewahrsam genommen. Der Sänger hatte kurz zuvor ein Lied mit einem dazugehörigen Video veröffentlicht, in dem er die Kopftuchpflicht infrage stellte.

Amnesty beklagt Repressionen

Laut einem Bericht der Organisation Human Rights Activists News Agency (HRANA) mit Sitz in den USA wurden im August zudem elf Frauenrechtsaktivistinnen in der nördlichen Provinz Gilan festgenommen, wo die Proteste im vergangenen Jahr besonders heftig verlaufen waren.

Eine unverschleierte Frau steht auf einem Fahrzeug, während sich Tausende auf den Weg zum Aichi-Friedhof in Saqez, der Heimatstadt von Mahsa Amini in der westiranischen Provinz Kurdistan, machen (Archivbild).
Eine unverschleierte Frau steht auf einem Fahrzeug, während sich Tausende auf den Weg zum Aichi-Friedhof in Saqez, der Heimatstadt von Mahsa Amini in der westiranischen Provinz Kurdistan, machen (Archivbild).

© AFP/-

Weitere Festnahmen wurden zuletzt auch aus der mehrheitlich von Kurden bewohnten Region im Westen des Iran gemeldet – der Heimat Aminis und Schauplatz der ersten Proteste vor einem Jahr. Nach Angaben der Organisation Hengaw wurde eines ihrer Mitglieder in Aminis Heimatstadt Sakes festgenommen und an einen unbekannten Ort gebracht.

Amnesty International teilte mit, dass Angehörige getöteter Protestteilnehmer Opfer von Behördenwillkür und Repressionen geworden seien. Einem Report der Menschenrechtsorganisation zufolge wurden etliche Familien von Getöteten in den vergangenen Monaten übergriffigen Verhören unterzogen, willkürlich festgenommen, strafrechtlich verfolgt und unter unfairen Bedingungen verurteilt.

„Die Grausamkeit der iranischen Behörden kennt keine Grenzen“, konstatierte die Amnesty-Vizeregionaldirektorin für den Nahen Osten, Diana Eltahawy. Den iranischen Behörden warf sie einen „finsteren Versuch“ vor, „ihre Verbrechen zu verschleiern“.

Eine Frau läuft in Teheran mit offenen Haaren am Abend eine Straße entlang, im Hintergrund laufen zwei Frauen mit Kopftuch (Symbolbild).
Eine Frau läuft in Teheran mit offenen Haaren am Abend eine Straße entlang, im Hintergrund laufen zwei Frauen mit Kopftuch (Symbolbild).

© dpa/Arne Immanuel Bänsch

In einem separaten Bericht prangerte Amnesty das verstärkte Vorgehen der Behörden mit Patrouillen und Kameras gegen unverschleierte Frauen an. In Onlinenetzwerken verbreitete Bilder zeugen jedoch vom ungebrochenen Mut vieler Frauen, die sich der Kopftuchvorschrift auch ein Jahr nach Aminis Tod widersetzen.

Die in Norwegen ansässige Organisation Iran Human Rights (IHR) erklärte, dass im Iran in diesem Jahr 486 Menschen hingerichtet worden seien, um „Angst in der Gesellschaft zu schüren und weitere Proteste zu verhindern“.

Während die Todesstrafe gegen sieben Männer in Verbindung mit den Protesten vollstreckt worden sei, seien die meisten der Gehängten offiziell wegen Drogenhandels und Mordes hingerichtet worden. Sie seien „billige Opfer der Tötungsmaschinerie der Islamischen Republik“, erklärte IHR.

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