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Nina Langen (links) und Birgit Rumpold empfehlen Mehlwürmer als Tierfutter.

© Christian Kielmann

„Heute schon Insekten gesnackt?“: Wie andere Tiere für uns schmackhaft werden könnten

Nina Langen und Birgit Rumpold erforschen, wann und warum Menschen nachhaltige Produkte wie Insekten in ihren Speiseplan aufnehmen.

Von Barbara Halstenberg

Was macht Insekten für eine nachhaltige Ernährung so interessant?
Birgit Rumpold: Es gibt Millionen von Insektenarten und wissenschaftliche Aufzeichnungen über mehr als 2000 verzehrte Insektenarten weltweit. Diese Insekten unterscheiden sich in ihren Nährstoffzusammensetzungen, aber auch in ihren Lebensräumen sowie Futterbedarfen. Über die Insekten für die nachhaltige Ernährung können wir also nicht pauschal sprechen. Die nachhaltige Ernährung ist eine vielfältige Ernährung, die in den planetaren Grenzen für alle Menschen generationenübergreifend gesundheitsförderlich und verfügbar ist und fair erzeugt wird.

Insekten stellen eine hochwertige tierische Proteinquelle dar. Sie enthalten neben Vitamin B 12 weitere Vitamine sowie Mineralstoffe. Einige Insektenarten sind besonders proteinreich. Sie enthalten über 70 Prozent Proteine, auf die Trockenmasse bezogen. Interessant sind allesfressende Arten und solche, die auf organischen Reststoffen gezüchtet werden können, wie auf nicht verkauftem Obst und Gemüse, Catering- und Kantinenresten und Lebensmittelabfällen, die bisher auf dem Kompost, in der Biogasanlage oder im Restmüll landen. Mit der Zucht auf diesen Reststoffen werden Lebensmittelabfälle zwar nicht reduziert, aber zu hochwertigem Protein aufgewertet.

Wann werden Insekten und daraus gewonnene Produkte in Europa normal sein?
Nina Langen: Aus Insekten gewonnene Produkte gibt es in Europa schon lange. Zu nennen sind hier Honig von Bienen oder das Überzugsmittel Schelllack, das von einer Lausart gewonnen wird. Ob wir in Europa in naher Zukunft regelmäßig Insekten wie Heuschrecken, Grillen oder Mehlwürmer auf dem Speiseplan haben werden, hängt von vielen verschiedenen Faktoren ab. Wir erforschen daher in unseren Projekten, wie zum Beispiel im SUSINCHAIN-Projekt, welche Narrative Konsument:innen für den Verzehr von Insekten begeistern können.

Aus unserer Reallaborforschung wissen wir, dass der ultimative Schlüssel zur Akzeptanz von Insekten als Lebensmittel der Geschmack ist. Aber auch Aspekte der Ernährungsumgebungen, zum Beispiel andere Angebote, die Platzierung im Handel, die Art der Darbietung oder die Farbigkeit, bedingen die Entscheidungen für die Wahl eines Lebensmittels.

Was braucht es, damit Insekten öfter auf dem Teller landen?
Birgit Rumpold: Um eine echte nachhaltige Alternative zu sein, muss die Aufzucht von Insekten nachhaltig gestaltet werden. Insekten, die als Lebensmittel oder Futtermittel verwendet werden, gelten derzeit als Nutztiere und müssen mit zugelassenen Futtermitteln gezüchtet werden. Es gibt zwar einige industrielle Lebensmittel-Nebenströme, die bereits genutzt werden wie Weizenkleie, Biertreber oder Kartoffelschalen, aber viele Insekten in Europa werden mit Hühnerfutter gefüttert.

Die Insektenzucht ist derzeit auch noch mit vielen Handgriffen verbunden, der Personalbedarf ist hoch. Energie- und ressourceneffiziente Automatisierungssysteme könnten die Produktionskosten senken, damit Insekten auch preislich als Alternative zu Fleisch und anderen Proteinquellen angesehen werden. Aus unserer Forschung heraus sehen wir allerdings für Insekten ein größeres Potenzial im Futtermittelbereich, in der Aquakultur und Geflügelfütterung als hochwertige Alternative zu Soja und Fischmehl.

Welche nachhaltigen Lebensmittelprodukte werden uns in der Zukunft noch begegnen?
Nina Langen: Nachhaltige Lebensmittel sind solche, die nachhaltig erzeugt und dann auch aufgegessen werden. Die bekannten Attribute, die ein nachhaltiges Lebensmittel charakterisieren, sind: pflanzlich, gering verarbeitet, regional, saisonal, fair, tierwohlförderlich, verträglich, gesundheitsförderlich, abwechslungsreich, ökologisch erzeugt, biodiversitätsförderlich, verfügbar, sicher, bezahlbar. Esskulturen sind immer auch im Wandel begriffen. Nun fehlt mir gerade meine Glaskugel, aber ein Blick auf unsere und andere Forschung zeigt, dass wir noch viele spannende Diskussionen zu diesem Thema haben werden. Pilze, Mikroalgen, Wasserlinsen und andere Produkte werden sicher vermehrt in den Fokus geraten. 

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