zum Hauptinhalt
Israelfeindliche Demonstration in München.

© imago images/Leonhard Simon

Links, progressiv – und antisemitisch: Die heimliche Macht der Israel-Hasser

Sie sitzen in Parlamenten, schreiben in Redaktionen, treten im Fernsehen auf. Sonst eint die Koalition derer, die den jüdischen Staat ablehnen, wenig. Wie groß ist ihr Einfluss wirklich?

Manche bejubeln auf der Straße die Morde der Hamas, verherrlichen die Terroranschläge als „Freiheitskampf“. Andere drücken ihre Unterstützung subtiler aus – oder erklären wortreich, warum es falsch wäre, die israelischen Mordopfer zu betrauern. Und dann gibt es noch jene, die seit dem vergangenen Samstag konsequent schweigen.

Der Hass auf Israel und seine Bürger zeigt sich in diesen Tagen so vielseitig wie die Bandbreite derer, die in Deutschland von der Auslöschung des jüdischen Staates träumen. Und er beschränkt sich nicht auf die Ränder der Gesellschaft.

Besonders ins Auge fallen die Jubelbekundungen aus dem Spektrum der sogenannten „Anti-Imperialisten“. Das sind Linke, die den Staat Israel nicht als Schutzraum für Juden, sondern als Kolonialisierungsprojekt weißer Europäer begreifen. Dieser Logik folgend begrüßen sie die Mordattacken der Terroristen als Akt der „Dekolonialisierung“.

Zu diesem Spektrum zählen die Boykottkampagne BDS, die in Deutschland bis heute nicht verbotene Terrorgruppe PFLP sowie deren Tarnorganisation „Samidoun“. Letztere organisierte die antiisraelische Jubelfeier am Wochenende in Berlin-Neukölln. Zahlreiche Politiker fordern nun ihr Verbot.

Auch trotzkistische Gruppen wie das Netzwerk „Marx21“, einst unter dem Namen „Linksruck“ bekannt, zählen zu den „Anti-Imperialisten“. Nach der jüngsten Terrorwelle veröffentlichte Marx21 ein Statement, das die Morde der Hamas zum „Gegenschlag“ umdeutet – die Palästinenser hätten lediglich von ihrem „Recht auf Widerstand“ Gebrauch gemacht.

Linke Israel-Hasser im Bundestag

In den vergangenen Jahren schafften es mehrere Funktionäre von Marx21, auf dem Ticket der Partei „Die Linke“ in den Bundestag einzuziehen. Zum Beispiel Christine Buchholz, die die Terrorgruppen Hamas und Hisbollah zu „legitimen Organisationen“ erklärte und im Bundestag demonstrativ sitzen blieb, als Israels Staatspräsident Schimon Peres im Jahr 2010 seine Rede zum Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus beendete. Gemeinsam mit Sahra Wagenknecht.

Empfohlener redaktioneller Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen von unseren Redakteuren ausgewählten, externen Inhalt, der den Artikel für Sie mit zusätzlichen Informationen anreichert. Sie können sich hier den externen Inhalt mit einem Klick anzeigen lassen oder wieder ausblenden.

Ich bin damit einverstanden, dass mir der externe Inhalt angezeigt wird. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr Informationen dazu erhalten Sie in den Datenschutz-Einstellungen. Diese finden Sie ganz unten auf unserer Seite im Footer, sodass Sie Ihre Einstellungen jederzeit verwalten oder widerrufen können.

Mitglied bei Marx21 ist auch der Berliner Ramsis Kilani, der gleichzeitig als Sprecher der BDS-nahen Gruppe „Palästina Spricht“ fungiert. Seit Sonnabend hat Kilani eine ganze Reihe unerträglicher Tweets veröffentlicht: So stellt er etwa infrage, ob israelische Bürger tatsächlich als Zivilisten zu behandeln seien, schließlich habe jeder Israeli irgendwann in seinem Leben den Wehrdienst abgeleistet. Kilani schreibt: „Die Grenze zwischen kolonial Zivil & Militär ist uneindeutig.“ Seine Gruppe „Palästina Spricht“ verbreitet derweil die Botschaft, für jeden ermordeten Israeli sei einzig der „zionistische Siedlungskolonialismus“ verantwortlich. 

Als Sprachrohr der Anti-Imperialisten fungiert die Tageszeitung „Junge Welt“. Nach der jüngsten Terrorwelle veröffentlichte sie einen Artikel mit der Überschrift „Gaza schlägt zurück“, in dem Sympathiebekundungen für die Attacken ausufernd Raum bekamen. Der Artikel war kein Ausrutscher, kein versehentlich online gestellter Gastbeitrag. Er stammt vom stellvertretenden Chefredakteur.

Kein Interesse, wenn es nicht gegen Israel geht

Was die meisten Anti-Imperialisten eint: Sie schweigen zum mörderischen Treiben tatsächlicher Imperialisten wie etwa Wladimir Putin, ignorieren Menschenrechtsverletzungen im Iran. Anti-Imperialisten schert es nicht, wie Palästinenser im Libanon oder in Syrien behandelt werden. Wenn es nicht gegen Israel geht, ist es nicht von Interesse.

Das zweite linke Spektrum, in dem Israel-Hasser ungestört agieren, ist noch deutlich einflussreicher und wirkt in die Mitte der Gesellschaft: das der „Anti-Kolonialisten“. Es wäre falsch, allen Vertretern pauschal Antisemitismus zu unterstellen. Doch es gibt sie, und sie erfahren kaum Widerspruch.

Indem sie sich auf Prinzipien der Postcolonial Studies, der Critical Whiteness und der Intersektionalität berufen, verleihen sie ihrer Ablehnung des Existenzrechts Israels einen akademischen Anstrich. Idol und Vordenkerin dieses Spektrums ist die Philosophin und BDS-Unterstützerin Judith Butler, die schon früh verkündete, wie „extrem wichtig“ es sei, die Terrorgruppen Hamas und Hisbollah als progressive „soziale Bewegungen“ und „Teil der globalen Linken“ anzuerkennen.

Der Israelhass, der von Anhängern des Anti-Kolonialismus gestreut wird, beeinflusst Diskurse an Hochschulen und in der Publizistik, in Netzdebatten und in der Kultur. Er führt dazu, dass documenta-Kuratoren ihre Sympathien für den Terror der Hamas bekunden. Er führt dazu, dass eine eigentlich reflektierte Künstlerin wie die Rapperin Nura auf die Gewaltorgie vom Wochenende mit einem pro-palästinensischen Post reagiert.

Auch diverse „Migrantifa“-Gruppen haben den Terror begrüßt, andere schweigen bislang. Ihre Braunschweiger Sektion verbreitet die Aufforderung, nicht die Hamas, sondern Israel zu verdammen. Die Sektion Rhein-Main ruft dazu auf, den „Widerstand“ gegen Israel zu unterstützen. Die Berliner Migrantifa ruft zur Pro-Palästina-Demo auf – kein Wort über die Opfer des Terrors, kein Wort gegen die Terroristen der Hamas.

Wie Malcolm Ohanwe den Bogen überspannte

Ein bekannter Vertreter dieses Spektrums ist der Fernsehjournalist Malcolm Ohanwe. Schon in der Vergangenheit hatte er den Terror der Hamas relativiert und zum Beispiel 2021 auf Twitter erklärt: „Wenn die Hamas ihre Raketen nicht geschossen hätte, wäre es bei schwachen unverbindlichen Pressemeldungen geblieben und sonst hätte niemand weiter über das ewig andauernde nie endende Leid der palästinensischen Menschen gesprochen.“ Konsequenzen gab es nie.

Voriges Wochenende überspannte er nun den Bogen, als er auf Twitter nach der jüngsten Terrorwelle um Verständnis warb: „Wenn die Zunge der Palästinenser systematisch abgeschnitten wird, wie sollen sie sich mit Worten wehren?“ Einer seiner Arbeitgeber, der Bayerische Rundfunk, distanzierte sich umgehend „in aller Schärfe von Malcolm Ohanwes menschenverachtenden Statements“ und will künftig nicht mehr mit ihm zusammen arbeiten.

Lässt sich von einem Netzwerk der Israelhasser in Deutschland sprechen? Einerseits gibt es viele direkte Verbindungen, auch personelle Überschneidungen, etwa zwischen der Terrorgruppe PLFP und der friedlich auftretenden BDS-Kampagne. Die Berliner Migrantifa hat wiederholt Samidoun unterstützt. Ramsis Kilani, der Marx21-Anhänger und Sprecher von „Palästina Spricht“, verbreitet Inhalte von Malcolm Ohanwe.

Andererseits finden durch den Israelhass Akteure zusammen, die sonst eigentlich verfeindet sind: Islamisten und säkulare Linke, faschistische Graue Wölfe und Dschihadisten, Trotzkisten und Stalinisten, Reformisten und Revolutionäre, die Stumpfen und die Reflektierten, Schwulenhasser und Gruppen wie „Queers For Palestine“. Am Ende eint sie allein der Wunsch, Israel möge von der Landkarte verschwinden.

Eine beliebte Strategie ist dabei, auf einige wenige jüdische Kronzeugen zurückzugreifen, die zwar innerhalb der jüdischen Community eine extreme Minderheitenmeinung vertreten, aber für die eigenen Zwecke als „repräsentative Stimme“ vorgeführt werden. Zum Beispiel die Kleinstgruppe namens „Jüdische Stimme für gerechten Frieden in Nahost“. Ein anderer war der Berliner Autor Fabian Wolff, bis sich herausstellte, dass Wolff gar nicht jüdisch, sondern bloß ein Hochstapler ist.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
false
showPaywallPiano:
false