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Iris Spranger weist den Vorwurf des Koalitionsbruchs von sich.

© dpa/Fabian Sommer

„Wir schieben weiter nach Moldau ab“: Berlins Innensenatorin löst großen Streit in der Koalition aus

SPD-Innensenatorin Iris Spranger will Hunderte ausreisepflichtige Moldauer abschieben – damit Ukrainer versorgt werden können. Linke und Grüne sind empört.

Berlins Innensenatorin Iris Spranger (SPD) hat mit ihrem Plan, auch im Winter Flüchtlinge aus Moldau abzuschieben, einen schweren Krach im Regierungsbündnis ausgelöst. Linke und Grüne sprechen von einem Bruch des Koalitionsvertrags. Dabei sind Abschiebungen im Winter in Berlin durchaus üblich – zudem gibt es für Moldauer kaum Asylgründe.

„Wir schieben weiter nach Moldau ab“, sagte Spranger. Konkret soll das 600 Moldauer bis Ende März betreffen. „Damit werden dringend benötigte Plätze in den Unterbringungseinrichtungen frei“, erklärte die Senatorin. Der Senat erwartet laut Spranger im Winter 12.000 weitere Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine, der Bund insgesamt eine Million.

Unser humanitäres Anliegen sind die Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine und die müssen wir unterbringen.

Iris Spranger (SPD), Innensenatorin von Berlin.

Sozialsenatorin Katja Kipping (Linke) erwägt deshalb sogar den Aufbau von Zeltstädten, um Kriegsflüchtlinge unterbringen zu können. Berlin hat aktuell 29.000 Plätze für die Unterbringung von Flüchtlingen. „Unser humanitäres Anliegen sind die Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine und die müssen wir unterbringen“, sagte Spranger dem Tagesspiegel. „Berlin hat sich einer humanen Flüchtlingspolitik verpflichtet. Deshalb benötigt Berlin mehr Kapazitäten.“

Linke und Grüne sind empört. „Wir haben einen Koalitionsvertrag, wo wir einen Winter-Abschiebestopp vereinbart haben. Ich muss mich sehr wundern, dass offensichtlich die Innensenatorin den Koalitionsbruch verkündet“, sagte Linke-Landeschefin Schubert. Verschiedene Gruppen von Flüchtlingen gegeneinander auszuspielen sei „schlicht unzulässig“.

Wörtlich heißt es im Koalitionsvertrag: „Im Winter soll auf Abschiebungen verzichtet werden, wenn Witterungsverhältnisse dies humanitär gebieten.“ Ein Sprecher von Senatorin Kipping sagte: „Für die Sozialverwaltung ist der Koalitionsvertrag die Grundlage. Absprachen, davon abzuweichen, sind uns nicht bekannt“.

„Es reicht jetzt. Die Ankündigung von Frau Spranger bedeutet einen Bruch mit dem Koalitionsvertrag“, sagten die Grünen-Landeschefs Susanne Mertens und Philmon Ghirmai. Spranger wird sich nach Tagesspiegel-Informationen im Dezember zum Umgang mit Flüchtlingen aus Moldau auch vor dem Petitionsausschuss des Abgeordnetenhauses erklären müssen.

Erstanlaufstelle für Asylsuchende in Reinickendorf.

© IMAGO/F. Anthea Schaap

„Von einem Koalitionsbruch kann keine Rede sein“, sagte Spranger. Insgesamt seien 3200 Moldauer ausreisepflichtig. Unter den in Berlin registrierten ausreisepflichtigen Migranten seien die Moldauer die größte Gruppe. Ihnen wird nur selten Asylstatus gewährt, laut Bundesamt für Migration und Flüchtlinge waren es 2021 nur 0,08 Prozent.

Nach Einschätzung der Bundesregierung gebe es weder gezielte staatliche Repression, noch Repressionen von anderen Stellen wegen Religion, Nationalität, politischer Meinung oder Zugehörigkeit zu einer sozialen oder ethnischen Gruppe. Die Bundesregierung spricht aber auch von einer schwierigen wirtschaftlichen und sozialen Lage in Moldau, dem Armenhaus Europas im Süden der Ukraine – und das führe zu starkem Migrationsdruck.

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Abgeschoben wurde nach Moldau auch schon im Winter. Bis Ende Oktober waren es 227  Moldauer, davon 139 allein im Januar und Februar. Von insgesamt 570 Abschiebungen aus Berlin bis Ende August fielen 251 auf die ersten beiden Monate. Lediglich mit Beginn des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine wurden Moldauer zeitweise nicht abgeschoben.

„Nach dem Wegfall der Sperrung des moldauischen Luftraums liegen keine rechtlichen oder tatsächlichen Abschiebungshindernisse mehr vor“, sagte Spranger. Moldau sei bereit und in der Lage eigene Staatsangehörige aufzunehmen, die Bundesrepublik stelle zusätzliche Hilfen in Höhe von 32 Millionen Euro bereit. Es gebe aber einen Weihnachtsfrieden zwischen 17. Dezember und 1. Januar, dann seien Abschiebungen aus humanitären Gründen ausgeschlossen.

Aus Moldau kommen seit Jahren viele Flüchtlinge nach Berlin, 2021 stieg die Zahl rapide. Da Berlin bis 2017 allein für ihre Erstaufnahme zuständig war, ist hier die Zahl der Folgeanträge so groß. Es geht auch um eine Einnahmequelle: Ganze Familien stellen gezielt Folgeanträge, um zumindest das Taschengeld von fast 150 Euro pro Monat zu bekommen.

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