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Zustände wie 2015 wollten Kipping und Giffey eigentlich verhindern. (Archivbild)

© Archivbild: Reuters/Hannibal Hanschke

Olympiapark, Messe, Tegel oder Tempelhof?: Berlin plant Zeltstadt für Flüchtlinge

Berlins Sozialsenatorin Kipping schlägt Alarm: Die Zahl der Geflüchteten steigt weiter stark, doch Berlin fehlen die Unterkünfte. Jetzt soll es Notlösungen geben.



Wegen der steigenden Zahl von Asylbewerbern und Kriegsflüchtlingen spitzt sich in Berlin die Lage dramatisch zu. Sozialsenatorin Katja Kipping (Linke) hat nun die zweite Stufe ihres Notfallplans ausgerufen, sie erwägt sogar den Aufbau einer Zeltstadt. In „sehr kurzer Zeit“ müsse „eine große Zahl“ von Notunterkünften „für bis zu 4000 Menschen“ her, um die Lage kurzzeitig etwas zu entschärfen und „die akute Obdachlosigkeit von Geflüchteten abzuwenden“.

So steht es in einem Papier Kippings „an den Senat zur aktuellen Situation des Zuzugs geflüchteter Menschen“. Konkret sieht die Sozialverwaltung demnach nun eine winterfeste Zeltstadt als Lösung vor, später Leichtbauhallen.

Als mögliche Standorte hat ein im Oktober eingerichtetes Projektteam mehrere landeseigene Flächen ausgemacht, „die sich für eine mögliche untermittelbare Umsetzung“ einer „großflächigen Unterkunft potenziell eignen“, wie es in dem Schreiben an den Senat heißt. Genannt werden:

  • das Tempelhofer Feld
  • der Olympiapark
  • das Messegelände
  • Freiflächen auf dem früheren Flughafen Tegel

Dort könnten jeweils mindestens 2000 Menschen in Zeltstädten untergebracht werden. Die dafür nötigen Großzelte sind bereits im Frühjahr für die Ukraine-Flüchtlinge angeschafft worden, werden derzeit aber nicht genutzt.

Mit ihrem Alarmpapier will Kipping vor der Senatssitzung am Dienstag den Druck auf die anderen Ressorts erhöhen, darunter auf die Bauverwaltung von Andreas Geisel (SPD) für schnelle Genehmigungen von der obersten Bauaufsicht, aber auch auf Wissenschaftssenatorin Ulrike Gothe (Grüne), um die Tegel-Terminals A und B über das Jahresende hinaus für Flüchtlinge nutzen zu können.

Tausende Unterkunftsplätze fehlen

Für die Zeltstadt wird auch Unterstützung von Umweltsenatorin Bettina Jarasch (Grüne), Wirtschaftssenator Stephan Schwarz, Innensenatorin Iris Spranger (SPD) und der Senatskanzlei angemahnt. Es seien dringend „gesamtstädtische ressortübergreifende Anstrengungen“ erforderlich. Die Regierende Bürgermeister Franziska Giffey (SPD) und Sozialsenatorin Kipping haben bislang eine Unterbringung von Flüchtlingen in Turnhallen entschieden abgelehnt. Durch die neue Notfallstufe sind nun aber Beschlagnahmungen möglich.

Aktuell sei das Landesamt für Flüchtlingsangelegenheiten (LAF) „nicht in der Lage, den außerordentlich starken Anstieg“ an Asylbewerbern und den steigenden Bedarf für Ukraine-Flüchtlinge „in der notwendigen Geschwindigkeit abzudecken“, heißt es in Kippings Senatspapier. Es stünden „nicht genügend Plätze für die Unterbringung zur Verfügung“ – trotz zusätzlicher „Akquise, Verlängerung von Laufzeiten, Verdichtung, Hotelanmietung“.

Dabei hat das LAF mit 28.000 Unterkunftsplätzen die höchste Kapazität seit seiner Gründung Mitte 2016 infolge der damaligen Flüchtlingskrise. Am Freitag waren noch 150 Plätze frei – bei einem Bedarf für weitere 2700 Flüchtlinge, die noch in den Ankunftszentren sind.

Sollte sich der Trend der Flüchtlingszahlen für Oktober fortsetzen, rechnet Kipping bis Jahresende mit einem Platzbedarf für bis zu 10.000 Menschen, mindestens aber für 5000 Personen. Allein das wäre eine Verdopplung im Vergleich zur September-Prognose zum zusätzlichen Platzbedarf. Von Januar bis Ende Oktober kamen 12.240 Asylsuchende in Berlin an, 9000 davon blieben.

Seit Juli steigen die Monatszahlen. Allein von September zu Oktober waren es 30 Prozent mehr. Im September sind 2290 Asylsuchende neu in Berlin angekommen und davon 1830 nach dem Königsteiner Schlüssel auf Berlin verteilt worden. Im Oktober waren es 3450 neue Asylbewerber. Wegen des Ansturms konnte allerdings nur 2500 von ihnen registriert werden. 1750 blieben in Berlin.

Auch melden sich laut Kipping immer mehr der rund 100.000 Ukrainer für eine Unterkunft an, die bislang privat untergekommen waren. Derzeit sind 3000 Kriegsflüchtlinge beim Landesamt für Flüchtlingsangelegenheiten untergebracht. Auch das Ukraine-Ankunftszentrum am Flughafen Tegel verzeichnet steigende Zahlen: Ende September waren es 125 Ukraine-Flüchtlinge, die dort mehr als drei Tage untergebracht waren – am vergangenen Freitag wurden 1060 gezählt. Kipping spricht von einer „stark steigenden Tendenz“.

Das personell aufgestockte Akquise-Team sucht nun fieberhaft Gebäude für Flüchtlinge. Noch im November sollen 860 Plätze in vier Unterkünften geschaffen werden, etwa im letzten Abschnitt der Tempohomes am Columbiadamm sowie in drei weiteren Objekten in Mitte und Charlottenburg-Wilmersdorf. Im TXL-Terminal A/B, wo es bislang 900 Plätze gibt, sind für die maximale Kapazität von 1900 Plätzen Hilfen der Bauverwaltung nötig.

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