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Eine geschmolzene Mülltonne liegt nach Krawallen in der Silvesternacht auf einem Bürgersteig im Berliner Bezirk Neukölln.

© dpa/Fabian Sommer

Update

Nach Silvester-Ausschreitungen: Länder reagieren zurückhaltend auf Berliner Vorstoß zur Ausweitung von Böllerverbotszonen

Länderminister sehen die Probleme nicht unbedingt beim Zugang zu Feuerwerkskörpern. Andere verweisen auf den Bund.

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Ministerinnen und Minister der Länder reagieren zurückhaltend bis ablehnend auf den Vorschlag Berlins, den Kommunen mehr Kompetenzen bei der Einrichtung von Böllerverbotszonen einzuräumen. „Die Diskussion um Feuerwerks-Verbotszonen oder gar generelle Verkaufsverbote löst das eigentliche Problem nicht: Die zunehmende Verrohung von Krawallmachern und der schwindende Respekt vor Einsatzkräften von Polizei, Feuerwehr und Rettungsdienst“, sagte Bayerns Innenminister Joachim Hermann (CSU) dem Tagesspiegel.

Die Verrohung zeige sich nicht nur an Silvester, sondern grundsätzlich bei verschiedensten Anlässen, so Hermann. „Gerade die Bundeshauptstadt hat hier große Schwierigkeiten.“ Das liege auch daran, dass dort den Einsatzkräften die politische Rückendeckung vor allem von Linken und Grünen fehle. „Jetzt den Eindruck zu erwecken, Pyrotechnik sei das eigentliche Problem, ist für mich ein plumpes Ablenkungsmanöver“, sagte der CSU-Politiker. Dennoch schloss Hermann nicht aus, auf der kommenden Innenministerkonferenz über Möglichkeiten, inwiefern Kommunen zukünftig mehr Verbotszonen aussprechen können, zu sprechen.

NRW: Konkrete Gefahrenlage beachten

Auch Nordrhein-Westfalen reagierte zurückhaltend auf den Vorschlag des Berliner Senats. „Grundsätzlich können Böllerverbotszonen ein geeignetes Mittel sein, um das Risiko krimineller Handlungen im Zusammenhang mit Silvesterfeuerwerk zu reduzieren“, sagte ein Sprecher des Ministeriums für Arbeit, Gesundheit und Soziales. Voraussetzung sei aber eine konsequente Kontrolle und Sanktionierung von Verstößen. „Grundlage für die Festlegung von Verbotszonen muss zudem das gesteigerte Risiko solcher Handlungen oder besonderer Gefahrensituationen auch durch ordnungsgemäß genutztes Silvesterfeuerwerk sein.“

Das Instrument dürfe nicht dazu dienen, aufgrund des Verhaltens einzelner Krimineller auch die verantwortungsvolle Nutzung durch rechtstreue Bürgerinnen und Bürger zu kriminalisieren oder ohne hinreichenden Grund einzuschränken.

In der Silvesternacht war es in mehreren Städten Deutschlands, insbesondere in Berlin, zu zahlreichen Angriffen auf Polizisten, Feuerwehrleuten und Rettungskräften mit Feuerwerkskörpern gekommen. In Berlin wurden die Einsatzkräfte nach Angaben der Feuerwehr dabei zum Teil bewusst in Hinterhalte gelockt. Berlins Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) forderte daraufhin eine bundesweite Debatte über Konsequenzen.

Innensenatorin Iris Spranger (SPD) sprach sich für eine Anpassung des bundesweiten Sprengstoffgesetzes aus. „Ich appelliere an die Bundesländer, Initiativen aus Berlin im Bundesrat zu unterstützen, um das Sprengstoffgesetz dahingehend anzupassen, dass jedes Bundesland weitgehende Beschränkungsmöglichkeiten erhält bis hin zum Verbot des privaten Einsatzes von Pyrotechnik“, sagte sie.

Brandenburg: Ein Ja erscheint wahrscheinlich

Brandenburg, der unmittelbare Nachbar, sieht eigentlich nicht unbedingt Handlungsdruck bei Böllerverboten. Die Kommunen im Land wenden die bisherigen Möglichkeiten an, jedenfalls da, wo es für nötig gehalten wird. Böllerverbotszonen, wie sie Berlin jetzt selbst teilweise verhängte, dann aber nicht durchsetzen konnte, hat es in der Mark nirgends gegeben. Es gab auch keinen Grund dafür.

Für den ersten Vorstoß Berlins für eine Verschärfung der Bundesregelungen hatte 2020 die damals noch junge Kenia-Koalition aus SPD, CDU und Grünen in Potsdam aber Zustimmung signalisiert, auch der Kooperation in der Hauptstadtregion wegen und durchaus mit dem Kalkül, bei anderer Gelegenheit mal ein Ok Berlins in der Länderkammer zu brauchen. Zur Abstimmung im Bundesrat war es 2020 wegen der Regierungskrise in Thüringen – Erfurt wurde gebraucht – nicht gekommen.

Von Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) ist aber bekannt, dass er für Law-and-Order-Politik steht. Ehe er 2013 Regierungschef in Brandenburg wurde, war er selbst einige Jahre selbst Innenminister. Und an die schon seit Jahrzehnten regelmäßigen Schlagzeilen aus Berlin, ob zu Mai-Krawallen, Lageso, jüngst zum Wahldesaster oder jetzt zu den Silvester-Ausschreitungen, hat sich Brandenburgs Politik ohnehin schon länger gewöhnt. Die Aufregung über Berliner Zustände hält sich jedenfalls in Grenzen, so dass es auch jetzt kaum Reaktionen aus Brandenburgs Politik – zudem diese Woche noch in parlamentarischer Winterpause – gibt.

„Die Vorkommnisse in der Silvesternacht an und in verschiedenen Orten haben uns alle schockiert. Alles, was hilft, um so etwas zukünftig zu vermeiden, ist gut“, erklärte Regierungssprecher Florian Engels dem Tagesspiegel auf die Frage, wie sich Brandenburg positionieren wird, wenn die Berliner Bundesratsinitiative Vorstoß für strengere Böllerverbote erneut im zweiten Anlauf in der Länderkammer zur Abstimmung steht. Das Votum Potsdams bleibt also noch offen. Allerdings wird das Abstimmungsverhalten in der Koalition und im Kabinett traditionell ohnehin erst unmittelbar vor den Abstimmungen festgelegt.

Die Entscheidung über die Einrichtung sogenannter Böller-Verbotszonen obliegt den örtlichen Ordnungsbehörden.

Martin Burmeister, Sprecher des Brandenburgischen Innenministeriums

Ein Ja aus Brandenburg dürfte aber wahrscheinlich sein, zumal Woidke und Berlins Regierende Franziska Giffey (beide SPD) ein engeres Verhältnis pflegen als Regierungschefs der Hauptstadtregion bisher, mit Ausnahme vielleicht von Manfred Stolpe und Eberhard Diepgen, die einst eine Länderfusion versuchten und 1996 fundamental scheiterten. Woidke hatte hinter den Kulissen mit anderen Ost-Länderchefs eingefädelt, dass die damalige Neuköllner Bezirksbürgermeisterin mit brandenburgischen Wurzeln Bundesministerin wurde, was ihr den Sprung ins Rote Rathaus ermöglichte.

Und Brandenburgs Innenministerium verweist auf Anfrage darauf, wie eindeutig und klar Böller-Rechtslage ist. „Verschiedene gesetzliche Grundlagen ermöglichen örtliche Verbote für das Abbrennen von pyrotechnischen Gegenständen in Brandenburg“, erklärte Sprecher Martin Burmeister. „Die Entscheidung über die Einrichtung sogenannter Böller-Verbotszonen obliegt den örtlichen Ordnungsbehörden.“

Diese treffen gemäß § 13 Absatz 1 Ordnungsbehördengesetz die notwendigen Maßnahmen, um eine im einzelnen Falle bestehende Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung abzuwehren. Dazu können die Ordnungsbehörden je nach Sachverhalt auch die Regelungen des Landesimmissionsschutzgesetzes (§ 5 Abs. 1 Nummer 2) oder der 1. Sprengstoffverordnung (§ 24 Absatz 2 Satz 1 Nr. 2) anwenden. Nach § 23 Absatz 1 der 1. Sprengstoffverordnung ist außerdem das Abbrennen pyrotechnischer Gegenstände in unmittelbarer Nähe von Kirchen, Krankenhäusern, Kinder- und Altersheimen sowie besonders brandempfindlichen Gebäuden oder Anlagen verboten.“

Sachsen und Niedersachsen: Auf Innenministerkonferenz darüber reden

Sachsens Innenminister Armin Schuster hält eine Lösung der Probleme mit gewalttätigen Randalierern vor Ort für vordringlicher als die von Berlin angestoßenen Überlegungen zu einem bundesweiten Böllerverbot, sagte aber auch: „Es spricht grundsätzlich nichts dagegen, das Thema Silvesterfeuerwerk erneut im Rahmen der Innenministerkonferenz zu diskutieren.“

Jetzt so zu tun, als ob ein Böllerverbot daran etwas ändert, wird dem Ernst der Lage nicht gerecht.

Boris Pistorius (SPD), Innenminister von Niedersachsen

Niedersachsens Innenminister Boris Pistorius (SPD) sagte dem Tagesspiegel: „Ein allgemeines Böllerverbot geht am eigentlichen Problem vorbei. Die Angriffe auf Einsatzkräfte nehmen schon seit Längerem zu – und zwar über das ganze Jahr, nicht nur an Silvester. Jetzt so zu tun, als ob ein Böllerverbot daran etwas ändert, wird dem Ernst der Lage nicht gerecht.“ Pistorius sprach sich auch für Sanktionen aus, „die besonders junge Männer hart treffen würden – beispielsweise Nebenstrafen wie der Entzug des Führerscheins“. Dieses Thema wolle Niedersachsen bei der kommenden Innenministerkonferenz einbringen.

Hessen, Baden-Württemberg und Mecklenburg-Vorpommern planen derzeit keine eigenen politischen Initiativen rund um das Thema Böllerverbotszonen. Baden-Württemberg und Hessen verwiesen auf die Kompetenzen des Bundes und sehen auch keine Notwendigkeit eine Bundesratsinitiative.

Ein Sprecherin des Innenministeriums Mecklenburg-Vorpommerns sagte dem Tagesspiegel: „Wenn eine Bundesratsinitiative eingebracht wird, werden wir die darin aufgeführten Ideen mit den kommunalen Pratikerinnen und Praktikern im Lichte von deren Erfahrungen gern prüfen. Dazu wartet das Land aber die kommenden Initiativen und Diskussionen ab.“ (mit dpa)

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