zum Hauptinhalt
Feuerwehrmänner löschen an der Sonnenallee einen Reisebus, der von Unbekannten angezündet worden war.

© picture alliance/dpa/Paul Zinken

Verbote lösen die Probleme nicht: Der Berliner Böllerstraßenkrieg – Zeit für mehr Ehrlichkeit

Nach der Silvesternacht werden Rufe nach Böllerverboten laut. Doch das löst die Probleme nicht, die liegen viel tiefer. Das ist auch eine Chance für Berlins Politik.

Ein Kommentar von Alexander Fröhlich

Es ist die alte Leier: Silvester knallt es, Feuerwehr und Polizisten werden angegriffen, es wird sich empört, geredet, gefordert. Frühjahr, Sommer, Herbst, aber es passiert nichts. Und Silvester grüßt das Murmeltier. Diesmal ist es anders, die Republik ist erschrocken über die Böllerattacken, über verletzte Retter und Polizisten, über Feuerbarrikaden, über Hinterhalte, über Feuerlöscher als Wurfwaffe, über Schreckschusspistolen, mit denen Pyro in Polizeiwagen gefeuert wurde. Darüber, dass die Feuerwehr von der Polizei beim Retten beschützt werden muss.

Berlins Politik ist gut beraten, diese Wucht zu nutzen. Über Böllerverbotszonen oder ein Verkaufsverbot und ob Verbote überhaupt helfen, darüber lässt sich streiten. Verbote machen Lust auf mehr, Polen ist nicht weit. Und Verbote müssen durchgesetzt werden können, die Polizei hat schon Zweifel angemeldet.

Bislang gibt es auch keine Mehrheiten im Bund, die Gesetze zu ändern. Deshalb ist eine Berliner Reforminitiative, die mehr Verbotszonen erlauben soll, seit 2019 im Bundesrat versandet. Das könnte sich ändern, denn auch in anderen Städten tobte der Mob. Ein Verkaufsverbot ist noch illusorischer: Mit welchem Recht soll Familie Meyer in Posemuckel der mit Vernunft betriebene Spaß verboten werden, nur weil Jugendliche in Berlin durchdrehen?

Verbote übertünchen Probleme, verhindern Debatten, die jetzt im Berliner Wahlkampf nötig sind. Ja, es waren vornehmlich Jugendliche aus Familien mit Migrationsgeschichte. Und ihr Böllerstraßenkrieg war eine Machtdemonstration gegen den Staat. Ein Staat, von dem sie – ob Integration, ob Konsequenzen – nicht viel zu erwarten haben?

Passiert genug, damit sie nicht weiter abgehängt werden? Wird in Schulen genug aufgeklärt über Böllerwunden? Sind Polizei, Justiz und Jugendämter ausreichend ausgestattet, um jene im Blick zu behalten, die noch nicht vollends abgeglitten sind? Silvester war nur der Anlass, Böller das Mittel der Wahl, es kommen – Unruhen während der Fußball-WM in Paris und Brüssel haben es gezeigt – andere Anlässe. Es ist Zeit für mehr Ehrlichkeit.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false