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Die 29-jährige W. – mit Perücke bei Compact TV und ohne bei einer Filmpremiere des rechtsextremen Portals.

© compact/Presseservice Rathenow / Montage TSP

Bildungsministerium räumt massive Pannen ein: Rechtsextreme Lehrerin in Brandenburg blieb wegen Sommerferien weiter im Dienst

Das Bildungsministerium wusste seit Juli von der rechtsextremen Lehramtskandidatin, trotzdem geschah erstmal nichts. Die 29-Jährige unterrichtete weiter an einer Grundschule in Märkisch-Oderland.

Leider waren Sommerferien, beim Rechtsextremismus-Verdacht gegen eine angehende Lehrerin sahen die Beamten im Brandenburger Bildungsministerium vor zwei Monaten noch kein Problem - und Minister Steffen Freiberg (SPD) bekam erst durch eine Tagesspiegel-Anfrage davon mit. Der Fall der 29-jährigen M., der trotz klarer Hinweise des Verfassungsschutzes Kinder anvertraut wurden, offenbart erneut massive Probleme im Bildungsressort im Umgang mit Rechtsextremismus.

Am Dienstagabend hat das Bildungsministerium nun erstmals Fehler im Umgang mit der angehenden Lehrerin eingestanden, die unter Rechtsextremismus-Verdacht steht. Die 29-Jährige W. hatte bis Ende Januar für das rechtsextremistische Medienportal Compact als Moderatorin gearbeitet, traf sich noch Anfang Juli mit Rechtsextremisten bei einer Filmpremiere der Firma in Nauen. Dennoch wurde sie als Referendarin an einer Grundschule im Landkreis Märkisch-Oderland eingestellt. Und sie durfte weitermachen, obwohl das Ministerium klare Hinweise hatte.

Mehr als Woche nach der ersten Anfrage des Tagesspiegels und eine Woche nach dem ersten Bericht über W. legt das Bildungsministerium nun erstmals die Abläufe offen. Demnach gab es im Ministerium eine massive Panne, dabei war das Ressort wegen der rechtsextremen Vorfälle an einer Schule in Burg (Spree-Neiße) ohnehin angezählt.

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Am 27. Juli 2023 erstmals Kenntnis von Rechtsextremismus-Verdacht

Bislang hatte das Bildungsministerium jegliche Fragen dazu, wann das Ministerium vom Rechtsextremismus-Verdacht erfuhr und was es getan hat, unbeantwortet gelassen. Am Dienstagabend erklärte das Ministerium nun: Es habe „am 27. Juli 2023 über ein Schreiben“ des Verfassungsschutzes im Innenministerium „erstmals Kenntnis von Informationen, nach denen eine Lehramtskandidatin berufliche und persönliche Kontakte zur Compact Magazin GmbH unterhalten soll“, erhalten.

Die Hausleitung des Ministeriums sei dann von der zuständigen Fachabteilung über den Eingang eines Schreibens und die Einleitung eines Prüfverfahrens informiert worden. „Der Mitteilungszeitpunkt lag innerhalb der Sommerferien. In der Prüfung der Ergebnisse und der Abwägung der Rechtslage wurde seitens der Fachabteilung eingeschätzt, dass aufgrund des besonderen Status der Lehramtskandidatin keine unmittelbaren dienstrechtlichen Konsequenzen abzuleiten wären“, heißt es in der Mitteilung des Ministeriums.

Konsequenzen erst nach Anfrage des Tagesspiegels

Erst „im Zuge der Anfrage des Tagesspiegels und der entsprechenden Veröffentlichung“ sei das Prüfergebnis der Hausleitung bekannt geworden. Das war vor einer Woche. Dann habe die Ressortleitung „sofort Konsequenzen gezogen“. Am Donnerstag sei angewiesen worden, dass die Lehramtskandidatin „zum Dienstgespräch am 15. September 2023 einzuladen und über ihre unverzügliche Freistellung vom Dienst zu informieren ist“.

Zudem würden nun weitere dienstrechtliche Konsequenzen geprüft, hieß es am Dienstagabend. „Diese Prüfung muss äußerst sorgfältig erfolgen, da das Ergebnis erhebliche Folgen (Grundrechtseingriff) für die betreffende Lehramtskandidatin nach sich ziehen kann“, erklärte das Ministerium.

Compact und Mitarbeiter seit 2021 als rechtsextremistisch eingestuft

Erst am Dienstag hatte der Tagesspiegel einen zweiten Bericht zum Fall W., die inzwischen freigestellt wurde, veröffentlicht. Tenor: Der Verfassungsschutz stuft Compact und die Mitarbeiter seit 2021 als extremistisch ein, damit wird das Medium mit nachrichtendienstlichen Mitteln überwacht. Und wenn Behördenmitarbeiter bei Compact mitmachen, werden die zuständigen Stellen informiert. So geschah es auch in diesem Fall, wie das Bildungsministerium nun zugeben muss.

Bedeutet im Klartext: Trotz klarer Hinweise wurde eine Rechtsextremistin auf Grundschulkinder losgelassen. Nach dem Fall in Burg (Spree-Neiße), bei dem zwei Lehrer rechtsextreme Umtriebe an ihrer Schule anprangerten, sich aber wegen fehlender Rückendeckung des Ministeriums und Bedrohungen versetzen ließen, offenbart das SPD-geführte Bildungsressort nun selbst, dass es in Sachen Rechtsextremismus an Schulen zu zögerlich und wenig entschieden vorging.

Lehramtskandidatin moderierte mit dunkler Perücke und anderem Namen bei Compact TV

Die 29-Jährige W. wurde in Landkreis Märkisch-Oderland im Rahmen ihres Referendariats an einer Grundschule eingesetzt. Dort sind mehr als 220 Schüler, etwa zwölf Lehrer und zwei Lehramtskandidaten. W. ist bislang als Referendarin eine Beamtin auf Widerruf.

Bis Januar 2023 war sie als Moderatorin für den Nachrichtenkanal „Compact. Der Tag“ tätig. W., die eigentlich lange blonde Haare trägt, trat bei Compact TV mit dunkler Perücke und anderem Namen auf: als Anna Schneider. Zugleich moderiert sie als freie Mitarbeiterin neben ihrem Hauptberuf Sendungen eines regionalen Fernsehsenders in Brandenburg.

Noch Anfang Juli trat W. in Nauen (Havelland) im Kreis anderer Rechtsextremisten, Vertretern von AfD, der Partei „Die Heimat“ (Ex-NPD) und Compact-Mitarbeitern auf – bei einer Premiere des Compact-Films „Im Würgegriff der Klima-Sekte“.

Das in Falkensee (Havelland) ansässige Unternehmen von Jürgen Elsässer wird seit 2021 vom Verfassungsschutz im Bund und in Brandenburg als rechtsextremistisch eingestuft. Compact will nach Einschätzung des Verfassungsschutzes die freiheitlich demokratische Grundordnung überwinden. Das Unternehmen stelle die Legitimität des Grundgesetzes offen infrage.

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