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Der Lehrer Max Teske und seine Kollegin Laura Nickel hatten vor etwa drei Monaten einen zunächst anonymen Brandbrief über rechtsextreme Vorfälle an ihrer Schule in Burg veröffentlicht und damit ein breites Medienecho ausgelöst.

© dpa/Patrick Pleul

„Lippenbekenntnisse reichen nicht aus“: Burger Ex-Lehrer wirft Brandenburger Schulbehörden fehlende Unterstützung vor

Max Teske und eine Kollegin hatten auf rechtsextreme Vorfälle an ihrer Schule aufmerksam gemacht. Nach Anfeindungen kündigten sie nun an, diese zu verlassen – auch weil Rückendeckung fehle.

Nach dem Weggang von seiner Schule im Spreewald wegen rechter Anfeindungen hat der Lehrer Max Teske die Schulbehörden in Brandenburg kritisiert. „Ich habe eine klare Haltung vermisst. Niemand hat sich vor uns gestellt und ganz offen gesagt, dass sie uns unterstützen und alles Mögliche dafür tun werden, dass Rechtsextremismus keinen Platz an Schulen hat“, sagte Teske der „Märkischen Allgemeinen“ (Samstag) mit Blick auf das Staatliche Schulamt in Cottbus und das Bildungsministerium. „Stattdessen gab es zahlreiche Lippenbekenntnisse. Aber das reicht nicht aus.“

Teske und seine Kollegin Laura Nickel hatten im April in einem Brandbrief tägliche rechtsextremistische Vorfälle an ihrer Schule in Burg im Spreewald öffentlich gemacht. Sie waren danach zunehmend Anfeindungen ausgesetzt und wurden auch in einem sozialen Netzwerk bedroht.

Beide Lehrer kündigten am Mittwoch an, die Schule zu wechseln. Bildungsminister Steffen Freiberg (SPD) hatte Kritik zurückgewiesen. Das Schulamt sei nach dem anonymen Brandbrief sofort tätig geworden und er habe den beiden Lehrkräften persönlich seine Unterstützung angeboten.

Teske schlägt vor, Lehrkräfte besser für den Umgang mit rechtsextremistischen Vorfällen vorzubereiten. „Wir brauchen verpflichtende Fortbildungen für Lehrer“, sagte er der Zeitung. „Sie müssen wissen, wie man zum Beispiel rechte Symbole oder Äußerungen erkennt, wie man damit umgeht und wie man Opfer von Rassismus und Rechtsextremismus schützt. Gleichzeitig brauchen wir Demokratiebildung in den Schulen - und zwar jetzt.“

Zahl der rechtsextremen Vorfälle an Brandenburger Schulen ist alarmierend

Die Zahlen sprechen für den dringenden Handlungsbedarf: Die Anzahl rechtsextremistischer Vorfälle an Schulen in Brandenburg hat sich im Schuljahr 2022/2023 deutlich erhöht. Die vier staatlichen Schulämter meldeten bis Anfang Juni 70 solcher Äußerungen oder Vorfälle, während 30 im gesamten Schuljahr 2021/2022 gezählt wurden, wie das Bildungsministerium am Samstag mitteilte

In Brandenburg wurden im Schuljahr 2021/2022 auch 15 antisemitische und 14 fremdenfeindliche sowie 4 weitere extremistische Äußerungen und Vorfälle gezählt. Im Schuljahr 2022/2023 meldeten die Schulämter 6 antisemitische, 15 fremdenfeindliche und ebenfalls 4 weitere extremistische Äußerungen und Vorfälle.

Es ist in unserem Interesse, dass wir weltoffen auftreten, um wirtschaftlich eine Zukunft zu haben.

Heiko Jahn, Geschäftsführer der Entwicklungsgesellschaft Lausitz

Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) hält ein konsequentes Vorgehen für nötig. „Die Vorgänge an der Brandenburger Schule sind ein Alarmzeichen“, sagte sie der „Welt am Sonntag“. Freiheit, Demokratie, Toleranz und Pluralität müssten, wenn nötig, von allen verteidigt werden. Brandenburgs Verfassungsschutzchef Jörg Müller sagte der Zeitung, die Entwicklung in Burg müsse mit großer Sorge betrachtet werden. Er gehe aber davon aus, dass es sich dabei nicht um eine Brandenburger Besonderheit handle.

Der Rechtsextremismus ist nach Ansicht der Entwicklungsgesellschaft Wirtschaftsregion Lausitz eine der größten Gefahren für die ökonomische Entfaltung der aufstrebenden Region. „Wir sind jetzt schon nicht mehr in der Lage, die offenen Stellen zu besetzen“, sagte Geschäftsführer Heiko Jahn der Deutschen Presse-Agentur. „Es ist in unserem Interesse, dass wir weltoffen auftreten, um wirtschaftlich eine Zukunft zu haben.“

Regenbogenflagge in Spremberg verbrannt

Jahn warnte: „Ohne ausländische Fachkräfte werden wir unseren Lebensstandard gar nicht halten können.“ So blieben ausländische Studenten der Brandenburgischen-Technischen Universität Cottbus-Senftenberg (BTU) nicht in der Lausitz. Nicht nur an Schulen kommt es zu rechten Vorfällen. In einer Ferienanlage in Heidesee (Landkreis Dahme-Spreewald) meldete die Polizei im Mai mutmaßlich rassistische Anfeindungen gegen Schüler aus Berlin. Unbekannte Täter warfen in Spremberg (Landkreis Spree-Neiße) im Juni einen Brandsatz auf eine Regenbogenfahne - ein Zeichen für Vielfalt -, die am Glockenstuhl einer Kirche hing.

In Brandenburg wird im nächsten Jahr ein neuer Landtag gewählt. Die AfD ist in Südbrandenburg stark. Die Landespartei wird vom Verfassungsschutz seit 2020 als rechtsextremistischer Verdachtsfall eingestuft, die AfD-Jugendorganisation Junge Alternative seit vergangenem Mittwoch als gesichert rechtsextremistische Bestrebung. Auch Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) hatte davor gewarnt, dass Rechtsextremismus und Rassismus eine Gefahr für die wirtschaftliche Entwicklung sein könnten. Das „Bündnis für Brandenburg“, das für eine Willkommenskultur für Zuwanderer wirbt, erneuerte seinen Appell gegen Rechtsextremismus am Freitag.

(dpa)

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