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Es ist wahrscheinlich, dass die Erzieher:innen der landeseigenen Kitas in Berlin demnächst streiken werden.

© dpa/Julian Stratenschulte

Tarifvertrag der Länder: Gewerkschaft Verdi warnt vor Streiks in Verwaltung und Kitas

Am Donnerstag beginnen die Verhandlungen über den Tarifvertrag der Länder. Berlin hat als Stadtstaat eine Sonderstellung. Die Tariflandschaft ist zersplittert.

Es wird schon wieder über die Gehälter im öffentlichen Dienst verhandelt. Erst vor wenigen Monaten, im Frühjahr, saß die Gewerkschaft Verdi mit Bund und Kommunen am Verhandlungstisch. Nun geht es um Hunderttausende Landesbeschäftigte.

Für Berlin hat der Tarifstreit eine besondere Bedeutung. Wegen seiner Stellung als Stadtstaat fallen viele Beschäftigte nicht unter den Tarifvertrag des öffentlichen Dienstes (TVöD), den normalerweise die Kommunen zahlen, sondern unter den Tarifvertrag der Länder (TV-L). Hierzu zählen zum Beispiel Bezirksverwaltungen und die Kita-Eigenbetriebe.

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Die Gewerkschaft argumentiert, dass die Lohnlücke zwischen Bund und Kommunen auf der einen und den Ländern auf der anderen Seite mittlerweile mehr als zehn Prozent betrage. „Es wird sowohl zu Streiks in der Verwaltung als auch in den Kitas kommen, wenn sich die Arbeitgeber nicht bewegen“, kündigte der Verdi-Pressesprecher Kalle Kunkel am Mittwoch an.

Wir bewahren die Kinder nur noch auf. Bildung ist schon lange nicht mehr möglich.

Martina Breitmann, Leiterin eines Kita-Eigenbetriebs

Martina Breitmann, die eine landeseigene Kita leitet, arbeitet seit 1985 als Erzieherin. Auf einer von Verdi einberufenen Pressekonferenz skizzierte sie ein dramatisches Bild: Es gebe immer mehr Kinder, die eine individuelle Betreuung bräuchten. Aufgrund der aktuellen Fluchtbewegungen kämen viele traumatisierte Kinder zu ihr, es herrsche Personalmangel und gebe zu wenige Sprach- und Kulturmittler:innen. „Wir sind der Bereich mit den meisten Burnouts. Wir bewahren die Kinder nur noch auf. Bildung ist schon lange nicht mehr möglich.“

Vom Land Berlin erwarte sie, den Bildungsnotstand auch in den Kitas endlich anzuerkennen. Dafür müsse das Land „viele Gelder in die Hand nehmen“.

Viele indirekt betroffene Beschäftigte

Damit Breitmann und Millionen anderen Landesbeschäftigten am Ende des Monats mehr Geld übrig bleibt, verhandeln Verdi und der Beamtenbund am 26. Oktober mit der Tarifgemeinschaft der Länder. Die Bundestarifkommission fordert 10,5 Prozent mehr Lohn, mindestens aber 500 Euro mehr. Die Laufzeit des Vertrags soll zwölf Monate betragen.

10,5
Prozent mehr Lohn und mindestens 500 Euro mehr pro Monat fordert Verdi.

Im Frühjahr erzielte Verdi für den TVöD unter anderem die Zahlung einer steuerfreien Inflationsprämie von 3000 Euro, einen sogenannten Sockelbetrag, der die Entgelte zunächst um 200 Euro anheben wird, sowie anschließend 5,5 Prozent mehr Lohn.

Von den jetzigen TV-L-Verhandlungen sind bundesweit etwa 3,5 Millionen Beschäftigte betroffen, darunter 1,4 Millionen Beamt:innen und eine Million Versorgungsempfänger:innen, dies sind vor allem Pensionierte. In der Hauptstadt arbeiten in den Verwaltungen, Hochschulen und Kita-Eigenbetrieben rund 187.000 Mitarbeitende, darunter 63.000 Beamt:innen.

Hinzu kommen weitere, indirekt betroffene Beschäftigte. Michael Stamm, Betriebsrat bei der Wirtschaftsförderagentur Berlin Partner, ist einer von ihnen. Er und seine 200 Kolleg:innen arbeiten bei einem sogenannten Anwenderbetrieb. Dies sind Einrichtungen, die den TV-L im Rahmen von Haustarifverträgen anwenden, oft jedoch nur einzelne Teile übernehmen.

187.000
Beschäftigte arbeiten in den Landesverwaltungen, Bezirken, Kita-Eigenbetrieben und Hochschulen.

„Unser Betrieb übernimmt die Erhöhung der Tabellenentgelte, aber nicht Einmalzahlungen. Anwenderbetriebe, die die Ergebnisse nicht voll übernehmen, gucken in die Röhre“, sagt er.

Zu Anwenderunternehmen zählen unter anderem auch Museen, die Zentral- und Landesbibliothek oder der Verein Ambulante Dienste, der Menschen mit Behinderung unterstützt. Laut Verdi arbeiten in diesen Firmen „mehrere tausend Beschäftigte“. Stamm nennt sie „verlängerte Werkbänke“. Auch Pressesprecher Kalle Kunkel kritisiert die „Prekarisierung der Tariflandschaft“.

Kritik aus den eigenen Reihen

Dass 10,5 Prozent und mindestens 500 Euro mehr zu wenig seien, kritisiert die Verdi-Betriebsgruppe der FU Berlin. Claudius Naumann, Mitglied der Betriebsgruppe, sagt dem Tagesspiegel, die Forderung könne nicht einmal den Reallohnverlust ausgleichen.

„2021 war der letzte Tarifabschluss. Der sah 14 Nullmonate vor, erst im Dezember 2022 stiegen die Tabellenentgelte um 2,8 Prozent.“ Die hohe Inflation, insbesondere die Teuerungsrate bei Energie und Lebensmitteln, belaste die unteren Einkommen stärker als andere, sagt er. Die Betriebsgruppe der FU hält mindestens 1000 Euro mehr pro Monat für angemessen.

Verdi geht in die Verhandlungen zumindest mit der Forderung nach einer Zulage für Beschäftigte, die in den Stadtstaaten arbeiten. Dort sind die Mieten in den vergangenen Jahren stärker gestiegen als anderswo. Es soll eine Zulage von 300 Euro im Monat geben, für Nachwuchskräfte 150 Euro. Letzteren Betrag gibt es bereits für Berliner Beschäftigte, wenngleich ihn viele in den Anwenderbetrieben, darunter Michael Stamm von Berlin Partner, nicht erhalten.

Die Verhandlungen werden die Zersplitterung der Tariflandschaft nicht beheben. Wahrscheinlich ist, dass es nach dem Verhandlungsauftakt am 26. Oktober zu Warnstreiks kommen wird. Termine für weitere zwei Verhandlungsrunden sind für den 2. und 3. November sowie für den 7. und 8. Dezember angesetzt.

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