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Die Sonden Voyager 1 und Voyager 2 verlassen bereits unser Sonnensystem, aber außerirdischem Leben sind sie bislang nicht begegnet.

© Space Frontiers/Getty Images

Die Suche nach dem anderen Leben: Aliens, bitte melden!

Bislang schweigen sich „E.T.“ und andere Außerirdische aus, trotz intensiver Suche im All. Doch dass es dort draußen Leben gibt, halten Forscher für möglich. Nur wo? Und wann?

Von Jan Christoph Freybott, dpa

Seit bald 46 Jahren saust die „Voyager 1“ durchs All, vorbei an Jupiter, Saturn, bis an den Rand unseres Sonnensystems. Kein Fühler der Menschheit reicht tiefer ins All hinein als diese Raumsonde. Mit an Bord: Musik von Mozart und Louis Armstrong, Grußworte auf Arabisch und Mandarin. Angehört worden sind sie allerdings nicht – zumindest soweit wir wissen.

Mit Sonden, bemannten Raumschiffen und Radaren so groß wie Fußballfeldern durchforsten Fachleute das All nach außerirdischem Leben – bislang vergebens. Dennoch bleibt das Gros der Expertinnen und Experten dabei: Wir sind nicht allein, dafür ist der Kosmos zu weit. Zudem gibt es deutlich mehr Planeten und damit möglichen Lebensraum im Universum als bisher angenommen. Nahezu täglich werden neue solche Exoplaneten entdeckt.

Gar nicht mal so selten: Exoplaneten

„Noch in den 70er und 80er Jahren waren sich die meisten Fachleute darüber einig, dass Exoplaneten selten sind“, sagt der Raumfahrtexperte und Buchautor Eugen Reichl. Ein Exoplanet ist ein Himmelskörper außerhalb unseres Sonnensystems, der einen Stern wie etwa unsere Sonne umkreist. Heute seien aber schon rund 5500 solcher Planeten bestätigt. Und: „Mittlerweile nehmen wir an, dass der weitaus überwiegende Anteil der etwa 100 Milliarden Sonnen unserer Heimatgalaxis von Planeten begleitet wird“, so Reichl. Nimmt man andere Galaxien aus den Weiten des Universums hinzu, steigt die Zahl möglicher Exoplaneten ins Unermessliche.

Sonja Ivancsics, Österreich, National Award Winner, 2022 Sony World Photography Awards.

© 2022 Sony World Photography Awards / Sonja Ivancsics

Nur ein Bruchteil davon dürfte sich allerdings als Lebensraum eignen. Ein zentraler Faktor: der Abstand zur jeweiligen Sonne. „In unserem Sonnensystem gibt es ‘zweieinhalb’ Planeten in dieser habitablen Zone“, sagt Reichl. Die Erde liege optimal, der Mars am äußeren Rand und die Venus schon eher zu nah an der Sonne – ihr Klima ist auch durch einen Treibhauseffekt aus dem Ruder gelaufen. Außerdem liegen Eismonde der äußeren Gasplaneten Saturn und Jupiter im Fokus: Unter ihren kilometerdicken Eisschichten könne sich Leben wie in unserer Tiefsee verbergen, sagt Reichl.

Wenn es ein Sonnensystem wie unseres in der Milchstraße gäbe, würde es uns aktuell durch die Lappen gehen.

Louise Nielsen, Europäische Südsternwarte (Eso) in Garching

Zugrunde liegt all dem die Annahme, dass außerirdisches Leben ähnlich funktioniert wie hier auf Erden – dass es sich also um Organismen mit einem Stoffwechsel handelt, die unter anderem Wasser benötigen. Als Erfolge werden deshalb etwa Funde von Methan gedeutet, weil es ein Überbleibsel biologischer Prozesse sein kann. Forscherinnen und Forscher sprechen von einer sogenannten Biosignatur.

Gibt es Leben auf dem Erdzwilling?

Gerade die Venus als „Zwilling“ der Erde steht immer wieder im Verdacht, außerirdisches Leben zu beherbergen. Mittlerweile ist aber klar: Die Wolkendecke der Venus besteht nicht aus Wasser, sondern aus Schwefel. Und mit über 450 Grad Celsius liegen die Temperaturen auf der Oberfläche eher ungünstig. Wenn es also Leben gab, dann wohl vor langer Zeit.

60 Kilometer hohe Wolken in der Venus-Atmosphäre könnten lebensfreundliche Bedingungen bieten, Hinweise auf Leben fehlen aber.

© NASA/JPL-Caltech

Und auch außerhalb unseres Sonnensystems bleibt die Suche knifflig. „Wenn es ein Sonnensystem wie unseres in der Milchstraße gäbe, würde es uns aktuell durch die Lappen gehen“, sagt Louise Nielsen, die an der Europäischen Südsternwarte (Eso) in Garching zu Exoplaneten forscht. Die Verfahren, mit denen die Fachleute nach Planeten suchen, sind noch nicht fein genug, wie Nielsen sagt. Allerdings gebe es eine Fülle von Missionen, die genau daran arbeiteten. „In den nächsten fünf bis zehn Jahren können wir hier einen Durchbruch erwarten“, sagt Nielsen.

1000
Jahre wären Aliens unterwegs zur Erde, wenn ihr Heimatplanet nur 10 Lichtjahre entfernt wäre und sie mit einem hunderstel Lichtgeschwindigkeit reisen könnten.

Die Suche nach ähnlichen Sonnensystemen ist wichtig, weil die meisten Sterne in der Milchstraße sogenannte Rote Zwerge sind. Sie werden zwar auch von Planeten aus Gestein und Wasser umkurvt, was eine wichtige Bedingung für Leben wäre. Allerdings beschießen Rote Zwerge ihre Planeten regelmäßig mit Röntgenstrahlung – das führt zu einem eher ungemütlichen Umfeld für Lebewesen.

Zwei Milliarden Jahre stabiles Klima

„Eigentlich braucht es für höheres Leben einen Stern wie unsere Sonne“, sagt Ulrich Walter, Ex-Astronaut und Professor für Raumfahrttechnik an der Technischen Universität München. Ein Planet in diesem Sonnensystem müsse außerdem groß genug sein, um eine Erdatmosphäre halten zu können. Zusätzlich komme es auf den richtigen Mond an und - damit verknüpft – auf ein konstantes Klima. „Und zwar für mindestens zwei bis drei Milliarden Jahre“, so Walter.

So kommen einige Faktoren zusammen. Walter glaubt deshalb, dass Planeten wie unsere Erde sehr selten sind in der Milchstraße. Vielleicht sogar einmalig.

Frank Drake, Gründer von SETI (Search for Extraterrestrial Intelligence), hat zeitlebens keinen Alien-Fund vermelden können.

© The Washington/Getty Images

Trotzdem gehen Fachleute davon aus, dass es Leben gibt – wenn auch vielleicht nicht in der Form, wie wir es aus „E.T.“ oder „Star Trek“ kennen. „Wahrscheinlich liegt der erste Fund irgendwo zwischen Virus und Bakterium“, sagt Eugen Reichl. Je komplexer die Lebensform, desto seltener.

Und selbst wenn es „Aliens“ geben sollte: Dass wir mit ihnen in Kontakt treten, dürfte wegen der enormen Distanzen unwahrscheinlich sein. „Angenommen, es gibt zehn Zivilisationen in unserer Milchstraße, dann wären sie im Schnitt etwa 30.000 bis 40.000 Lichtjahre voneinander entfernt“, sagt Ulrich Walter. Das bedeutet, ein Lichtsignal dorthin wäre mindestens 30.000 Jahre unterwegs – und ebenso lange müssten wir auf eine Antwort warten. „Ich denke, so kann keine Kommunikation gelingen.“

Walter, der 1993 ins All flog, schätzt vor allem die Chancen auf einen direkten Kontakt gering ein. Der vom Menschen erkundete Bereich des Kosmos sei im Verhältnis zur Milchstraße mikroskopisch klein. „Weniger als ein Sandkorn im Marianengraben“, sagt Walter. „Praktisch null.“ Das gelte auch für die „Voyager 1“, die seit fast 46 Jahren durchs All saust.

Keine Außerirdischen auf Erden

Wie unüberbrückbar die Distanzen wären, rechnet Walter an einem Beispiel vor: Selbst wenn eine Zivilisation nur zehn Lichtjahre entfernt wäre, was als unwahrscheinlich gilt, und sie mit einer hundertstel Lichtgeschwindigkeit reisen könnte – mit herkömmlichen Antrieben undenkbar – wäre sie rund tausend Jahre unterwegs. „Die logische Konsequenz aus all dem ist, dass es auf Erden keine Außerirdischen geben kann“, sagt Walter.

Die Suche nach Außerirdischen elektrisiert Gesellschaft und Wissenschaft seit Jahrzehnten. An Fahrt gewann die Debatte etwa 1961 infolge einer Konferenz in Green Bank, West Virginia. Der Astronom Frank Drake stellte dort die nach ihm benannte Gleichung auf, die die Zahl der Zivilisationen der Milchstraße bestimmen soll. Viele ihrer Variablen sind bis heute unbekannt, etwa die Zahl der Planeten. Dennoch regte die Gleichung die Fantasie an – und ist bis heute vieldiskutiert.

Der Astronom Carl Sagan verfasste die Voyager-Grußbotschaften an die Aliens.

© imago images/Everett Collection

Ein weiterer wichtiger Akteur: Carl Sagan. Er zeichnete verantwortlich für die Grußbotschaften, die in den 1970er Jahren auf den „Voyager“-Sonden ins All gelangten. Und 1982 veröffentlichte der Astronom zusammen mit 70 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern einen Aufruf im Magazin „Science“. „Wir drängen auf die Organisation einer koordinierten, weltweiten und systematischen Suche nach außerirdischer Intelligenz“, schrieb Sagan.

SETI sucht und sucht und sucht

Wenig später wurde das SETI-Institut gegründet. SETI steht für die Suche nach außerirdischer Intelligenz (Search for Extra-Terrestrial Intelligence). Bis heute lauscht die Einrichtung im All nach Radiowellen anderer Zivilisationen.

Heute blicken viele Fachleute skeptischer auf ein Aufeinandertreffen. Sollte es entgegen der Erwartung eine Zivilisation auf unsere Erde schaffen, wird sie die Strapazen Ulrich Walter zufolge nur aus einem Grund auf sich nehmen: der Suche nach einem neuen Heimatplaneten. „Insofern bin ich froh, dass es noch nicht dazu gekommen ist.“

Braun erscheinende Risse überziehen die helle Oberfläche des Jupitermonds Europa.
Unter der eisigen Oberfläche des Jupiter-Mondes Europa könnte Leben existieren, vermuten Forscher.

© Nasa/JPL-Caltech/SETI Institute

Ähnlich skeptisch blieb auch der Astrophysiker Stephen Hawking. „Wenn uns Außerirdische jemals besuchen, wird der Ausgang, so denke ich, genauso sein wie die Landung von Christopher Columbus in Amerika, was für die Eingeborenen nicht sehr gut ausging“, sagte er in der Dokumentation „Into The Universe with Stephen Hawking“.

Mit den Auswirkungen eines Treffen befasst sich auch die Soziologie. „In der Wissenschaft wurden die kulturellen Auswirkungen des Kontakts mit einer außerirdischen Zivilisation lange Zeit unterschätzt“, sagt Michael Schetsche von der Universität Freiburg. Er hat sich auf die Exosoziologie spezialisiert, die das Verhältnis von Menschen und Außerirdischen in den Blick nimmt. Ein Direktkontakt sei zwar unwahrscheinlich, könne aber eine „kulturell verheerende“ Wirkung entfalten.

Ohnehin hält Schetsche es für wahrscheinlicher, dass wir ein Artefakt, ein Überbleibsel anderer Zivilisationen finden. Deshalb, weil der Faktor Zeit hier keine Rolle spiele. „So könnten wir in der Nähe der Erde noch heute die Überreste einer außerirdischen Expedition finden, die unser Sonnensystem erforscht hat, lange bevor die Menschheit überhaupt existierte“, so Schetsche. „Wir müssten nur danach suchen.“

Möglich wäre es natürlich auch andersherum – dass unsere Überreste gefunden werden, lange nachdem die Menschheit aufgehört hat zu existieren. Zum Beispiel die „Voyager 1“ – mit Musik von Mozart und Armstrong. Und Grußworten auf Arabisch und Mandarin.

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