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Auf das anhaltende Verspätungschaos der Deutschen Bahn reagiert die Ampelkoalition nun mit einem Konzernumbau. 

© dpa/Christian Charisius

Update

Ampel reagiert auf Verspätungschaos: Jetzt wird die Deutsche Bahn umgebaut

Der DB-Konzern steht seit Jahren in der Kritik. Eine gemeinwohlorientierte Infrastruktursparte soll das Gleisnetz nun in Schuss bringen. Die Privatbahnen fordern mehr Kontrolle.

Die Deutsche Bahn befindet sich in der Dauerkrise. Seit 2022 kommen nicht einmal 70 Prozent der Fernzüge der DB pünktlich an, im Güterverkehr ist die Lage laut Brancheninsidern noch schlimmer. Auf das anhaltende Verspätungschaos reagiert die Ampelkoalition nun mit einem Konzernumbau.

Eine neue, gemeinwohlorientierte Infrastrukturgesellschaft mit dem Namen InfraGO soll in den kommenden Jahren das marode Schienennetz sanieren und so die Bahn endlich wieder zuverlässig machen. Die InfraGO wird eine Aktiengesellschaft innerhalb der DB AG sein. Hierfür wird die Bahnhofstochter DB Station & Service mit der für die Gleise zuständigen DB Netz verschmolzen. Diese Fusion hat der Aufsichtsrat am Mittwoch beschlossen.

Mit dem staatlichen Schienennetz soll die InfraGO künftig keine Gewinne mehr machen müssen. Der Bund fordert von der zum Jahreswechsel startenden Gesellschaft stattdessen, dass sie das Schienennetz rasch in einen guten Zustand versetzt, damit die Bürger und die Industrie die Bahn bestmöglich nutzen können. Nach welchen Kriterien der Bund misst, ob die InfraGO ihren Auftrag erfüllt, ist allerdings noch offen.

Statt Profit mehr Resilienz

Deutlich zeigt sich die neue Philosophie bei der geplanten Generalsanierung der 40 wichtigsten Bahnkorridore. Bis 2030 sollen sie jeweils für ein halbes Jahr vollständig gesperrt und von Grund auf erneuert werden. Die neue InfraGO soll dabei alle Anlagen austauschen, unabhängig davon, ob Gleise, Schotter, Signale und Oberleitung ihre Lebensdauer bereits erreicht haben.

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Günstig ist dieses Vorgehen nicht. Doch Verkehrsminister Volker Wissing (FDP) will so sicherstellen, dass Deutschlands wichtigste Bahnstrecken nicht länger ständig unter Störungen leiden oder für kleinere Reparaturen teilweise gesperrt werden müssen. Statt um den Profit geht es für die InfraGO künftig also um möglichst viel Resilienz.

Geht mit der Korridorsanierung ins Risiko: Verkehrsminister Volker Wissing (FDP).
Geht mit der Korridorsanierung ins Risiko: Verkehrsminister Volker Wissing (FDP).

© dpa/Lando Hass

Über 80 Milliarden Euro stellt der Bund der InfraGO für die Bahnsanierung bis 2027 zur Verfügung. Das wirft Fragen nach der Kontrolle auf. Denn anders als die InfraGO soll der gesamte DB-Konzern mit seinem Fahrgeschäft weiter Gewinne erzielen.

Die Wettbewerber der Deutschen Bahn argwöhnen deshalb schon lange, dass die vielen Milliarden fürs Schienennetz zumindest mittelbar auch der Bilanz der gesamten DB AG zugutekommen. Zusammen mit der Union forderten sie deshalb, den Bahnkonzern zu zerschlagen. Die Bahngewerkschaft EVG und der DB-Vorstand drangen in den vergangenen Monaten hingegen darauf, dass die InfraGO fest integrierter Teil der DB AG bleibt.

Privatbahnen kritisieren Kompromiss

Nach Informationen von Tagesspiegel Background aus Aufsichtsratskreisen sucht die Bundesregierung hier nun einen Kompromiss. Auch die neue InfraGO wird über die umstrittenen Gewinnabführungs- und Beherrschungsverträge vom Vorstand des DB-Konzerns kontrolliert. DB-Infrastrukturvorstand Berthold Huber darf dem künftigen Chef der InfraGO also Weisungen erteilen. Aber der von der Bundesregierung beherrschte Aufsichtsrat der InfraGO muss zustimmen. Die Wettbewerbsbahnen sollen ihre Interessen bei der InfraGO über einen Beirat einbringen können.

Etwaige Gewinne wird die InfraGO zwar weiter an den Gesamtkonzern abführen. Sie werden jedoch unmittelbar an den Bund und von dort zurück zur InfraGO transferiert. Das soll sicherstellen, dass für das Schienennetz vorgesehene Bundesmittel oder Einnahmen aus der Schienenmaut nicht zweckentfremdet werden können.

Die Verbände der Privatbahnen – Mofair und Die Güterbahnen – sowie die Aufgabenträger der Länder im Nahverkehr sind damit unzufrieden. Es sei nicht erklärbar, „was an dieser Lösung ‚gemeinwohlorientierter‘ sein wird als das offensichtlich gescheiterte Modell mit den zwei bekannten DB-Aktiengesellschaften“, erklärten sie, nachdem Tagesspiegel Background am Montag erstmals über den Kompromiss berichtet hatte.

Verbände können mehr Gemeinwohl nicht erkennen

Für EVG-Chef Martin Burkert ist das Ergebnis hingegen akzeptabel. „Die InfraGO ist der Kompromiss, um die Zerschlagung der Deutschen Bahn zu verhindern“, sagte Burkert der dpa. „Für uns ist entscheidend, dass die Arbeitnehmerinteressen gewahrt werden und die zugesicherte Finanzierung für die Generalsanierung auch kommt.“

Kritik kommt hingegen von Verkehrsverbänden. „Wie durch die Fusion von DB Netz und DB Station & Service ein gemeinwohlorientierter, transparenter Aus- und Neubau der Schieneninfrastruktur erfolgen und erleichtert werden soll, bleibt ein Geheimnis“, sagte Kerstin Haarmann, Bundesvorsitzende des ökologischen Verkehrsclubs VCD. Der Verband kritisierte unter anderem, dass die InfraGO als AG eingerichtet werden soll und in den DB-Konzern integriert bleibt.

Die InfraGO ist der Kompromiss, um die Zerschlagung der Deutschen Bahn zu verhindern

Martin Burkert, Chef der Bahngewerkschaft EVG

Das Bündnis „Bahn für alle“ warnte hingegen vor einer Aufspaltung der Bahn durch die Hintertür. Die Zusammenführung der Infrastrukturtöchter in der InfraGO ermögliche im zweiten Schritt die Ausgliederung der Infrastruktur aus dem Bahnkonzern, sagte der Sprecher Carl Waßmuth.

Neue Boniregelung für DB-Vorstände

Er hält es für unklar, was ein gemeinwohlorientierter Infrastrukturbetrieb genau bedeuten soll. Zugleich fürchtet Waßmuth, dass der Bahnbetrieb – also das Fahrgeschäft – „noch stärker als bisher dem Wettbewerb unterworfen wird“. Hier drohe eine weitreichende Privatisierung, dabei sei der Wettbewerb auf der Schiene im Regionalverkehr bereits gescheitert.

Der Aufsichtsrat der Bahn soll an diesem Mittwoch darüber hinaus eine Reform der Boni für die Bahnvorstände beschließen. In den vergangenen Jahren hatte es immer wieder Kritik daran gegeben, dass Konzernchef Richard Lutz und Co. trotz der anhaltenden Bahnkrise sogenannte variable Vergütungen erhalten haben. Deshalb wird die Vergütung der Vorstände nun neu geregelt. Ihr Grundgehalt soll erhöht werden. Die reduzierten Bonuszahlungen gibt es dafür nur noch, wenn mehrere Kennzahlen langfristig eine gute Entwicklung des Konzerns aufzeigen.

Kritik äußerte der Chef der Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL), Claus Weselsky. „Die Neuregelung bedeutet massiv höhere Gehälter für die Vorstände bei gleichzeitig weniger Risiko, die Maximalsumme zu erreichen“, sagte er dem „Manager Magazin“. „Das lehnen wir strikt ab.“

Auch EVG-Chef Martin Burkert lehnt das höhere Grundgehalt für die Bahnvorstände ab. Da sich die EVG dem Vernehmen nach bei der Abstimmung aber enthalten will, dürfte das neue Vergütungssystem für die Bahnvorstände beschlossen werden. mit Thomas Wüpper, dpa

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