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Eine Frau hält eine Geldbörse mit Banknoten in der Hand.

© dpa/Monika Skolimowska

Update

„Alles andere als zufriedenstellend“: Deutsche Wirtschaft stagniert – Ampel gegen Konjunkturprogramm

Die Wirtschaft in Deutschland tritt auf der Stelle. Experten hatten mit einem Mini-Wachstum gerechnet. Der Bundeswirtschaftsminister bemängelt strukturelle Probleme.

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Die deutsche Wirtschaft ist im Frühjahr erneut nicht gewachsen. Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) stagnierte von April bis Juni im Vergleich zum ersten Quartal, wie das Statistische Bundesamt am Freitag mitteilte.

Davor war es zwei Quartale in Folge geschrumpft, was Ökonomen als technische Rezession bezeichnen. Von der Nachrichtenagentur Reuters befragte Volkswirte hatten mit einem Mini-Wachstum von 0,1 Prozent gerechnet.

Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) hat angesichts der Flaute der deutschen Wirtschaft seine Forderung nach einem staatlich subventionierten niedrigeren Industriestrompreis erneuert.

Habeck will staatlich subventionierten Industriestrompreis

Der Grünen-Politiker erklärte am Freitag: „Die Zeit drängt und wir müssen hier schnell zu Entscheidungen kommen. Es geht um die globale Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands. Dafür sind mehr zielgerichtete Investitionen in Zukunftstechnologien entscheidend. Die USA gehen mit massiv Geld rein und investieren. Deutschland darf sich hier nicht an den Spielfeldrand drängen lassen.“

Habeck will einen staatlich subventionierten Industriestrompreis, das Geld dafür solle aus dem Wirtschaftsstabilisierungsfonds kommen. Finanziert werden aus dem Sondertopf mit einem Volumen von bis zu 200 Milliarden Euro vor allem die Strom- und Gaspreisbremse. Wegen sinkender Preise könnte die Finanzierung der Bremsen aber deutlich günstiger werden. Die FDP lehnt sowohl den Industriestrompreis als auch eine Öffnung des Fonds ab.

Vor allem strukturelle Probleme, wie der Fachkräftemangel oder zu langatmige Genehmigungsverfahren, die das Land seit Jahrzehnten mit sich herumschleppt, belasten uns heute.

Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne)

Habeck erklärte zu den Konjunkturzahlen, zwar gebe es leicht positive Tendenzen beim privaten Konsum und bei den Investitionen.

„Aber das reicht nicht, und das ist alles andere als zufriedenstellend. Vor allem strukturelle Probleme, wie der Fachkräftemangel oder zu langatmige Genehmigungsverfahren, die das Land seit Jahrzehnten mit sich herumschleppt, belasten uns heute. Aber auch die bis zum letzten Jahr bestehende hohe Abhängigkeit von russischem Gas wirkt weiter nach.“

Es seien nun zielgerichtete Impulse für Investitionen und Spielräume für die energieintensive Industrie nötig. Habeck nannte Deutschland zudem erneut einen starken und attraktiven Standort.

„Ampel“ will kein Konjunkturprogramm zur Belebung der Wirtschaft auflegen

Die Bundesregierung hat Forderungen nach einem Konjunkturprogramm zur Belebung der Wirtschaft allerdings eine Absage erteilt. „Klassische Konjunkturprogramme, die einige jetzt reflexartig fordern, helfen nicht weiter“, erklärte Habeck am Freitag.

Dabei warnte der Wirtschaftsminister zu Vorsicht: „Wer in Zeiten hoher Inflation Geld mit der Gießkanne verteilt, bringt nur eines zum Wachsen: die Inflation. Im schlimmsten Fall haben die Leute am Ende weniger Geld in der Tasche, nicht mehr.“ Nötig „für diese Zeit und in dieser Lage“ seien eine zielgerichtete Unterstützung für Investitionen durch steuerliche Abschreibungen, ein Industriestrompreis und schnell viel erneuerbare Energie.

Finanzminister Christian Lindner (FDP) sagte dem „Handelsblatt“, die schwache Konjunktur lasse sich „nur mit einer grundlegenden Trendumkehr“ reparieren.

Deutschland habe seit mindestens zehn Jahren mit Bürokratismus, Wunschdenken in der Energiepolitik, Sozialausgaben statt Investitionen, zu hohen Steuern und Abgaben die Belastungsgrenze der Wirtschaft getestet. „Jetzt stellen wir im Vergleich zu anderen fest, dass die Grenze überschritten ist.“ Lindner legte kürzlich einen Entwurf für ein Wachstumschancengesetz vor, mit dem er Unternehmen steuerlich entlasten will.

Inflation dürfte nur langsam zurückgehen

Eine aktuelle Umfrage des Münchner Ifo-Instituts deutet darauf hin, dass die hohe Inflation in Deutschland eher langsam zurückgehen wird. Die sogenannten Preiserwartungen der Unternehmen stiegen erstmals seit vergangenem Herbst wieder - wenn auch nur minimal, wie die Wirtschaftsforscher am Freitag mitteilten.

Der entsprechende Indexwert erhöhte sich im Juli um 0,1 auf 16,4 Punkte, nachdem er davor acht Mal in Folge gesunken war. Im September 2022 hatte er noch über 50 Punkten gelegen. Er zeigt, um wie viele Prozentpunkte der Anteil der Unternehmen, die ihre Preise erhöhen wollen, den Anteil der Unternehmen, die ihre Preise senken wollen, übertrifft.

Deutlicher fällt der Anstieg bei Einzelhändlern aus. Hier ging es um 1,9 auf 34,8 Punkte nach oben. Bei Lebensmitteleinzelhändlern lag das Plus sogar bei 11,9 Punkten auf 54,9.

„Damit dürfte sich der Rückgang insbesondere der heimischen Inflation weiter hinziehen“, kommentierte Ifo-Konjunkturchef Timo Wollmershäuser die Zahlen. Immerhin im produzierenden Gewerbe sei der Preisanstieg aber wohl gestoppt. (Reuters/dpa/AFP)

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