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Leonie Kullmann bereitet sich aktuell auf die Olympischen Sommerspiele 2024 in Paris vor.

© Michael Setzpandt

Studieren und Leistungssport: „Ich habe trainiert wie ein Tier“

TU-Studentin und Spitzenschwimmerin Leonie Kullmann hat ihren Zenit noch nicht erreicht. Ein Interview über das Leben im Wasser und den richtigen Rhythmus.

Von Barbara Halstenberg

Im Sommer waren Sie bei der Weltmeisterschaft in Japan und der Universiade in China. Wie ist es gelaufen? 
Ich war einen Monat unterwegs und es kommt mir vor, als wäre es ein Jahr gewesen, so viel ist passiert. Für mich war es die erste WM auf der Langbahn. Mit meinen Leistungen war ich nicht so zufrieden, ich habe keine Medaillen geholt, aber ich wollte Sachen austesten und habe Lösungsansätze gefunden. Jetzt kann ich mit gutem Gefühl in die kommende Olympiasaison starten. China hat die Universiade echt beeindruckend organisiert.

Wie gehen Sie mit Aufregung vor großen Wettkämpfen um?
Ich versuche die Aufregung durch Atmung nach unten zu regulieren, mich auf den Moment zu konzentrieren und nicht darauf, was in zehn Sekunden passiert. Manchmal gehe ich mit dem Trainer das Rennen nochmal durch oder telefoniere mit Freunden.

Beim Schwimmen geht es ja generell viel um Atemtechnik.
Das Interessante ist: Wir Schwimmer:innen atmen immer ganz schnell und flach, um so schnell wie möglich viel Luft ins System zu pumpen. Das überträgt sich nach und nach auch auf das Leben an Land. Wenn ich nicht im Training bin, versuche ich jetzt möglichst in den Bauch zu atmen. Aber ja, wir machen ganz viel Hypoxie-Training, halten die Luft an, schwimmen mit weniger Atem – sehr unangenehm.

Woran denken Sie, während sie einen wichtigen Wettkampf schwimmen?
Ich versuche, nicht viel zu denken. Je mehr ich denke, desto mehr stehe ich mir selbst im Weg. Meistens sind es banale Sprüche wie „Du schaffst es“ oder „Jetzt noch eine Bahn“. Mein Körper ruft automatisch das ab, was ich trainiert habe. Wenn’s drauf ankommt, dann muss es sitzen.

Wie sind Sie zum Schwimmen gekommen?
Meine Eltern haben mich damals in einen Schwimmverein gesteckt, damit ich schwimmen lerne. Aber ich wollte nicht ins kalte Wasser, hab mich auf dem Klo versteckt, um aus dem Training rauszukommen. Wir sind dann in die USA gezogen, wo die ersten Erfolge kamen, das fand ich gut. Aber erst vor zwei Jahren habe ich es wirklich lieben gelernt. Nach Platz sechs bei der Olympiade 2021 hätte ich aufhören können, aber ich wollte noch nicht. Jetzt gehe ich gerne zum Training, probiere mich aus. Dieses Gefühl, im Wasser zu sein, das kannte ich davor noch nicht.

Was ist das für ein Gefühl?
Manchmal ist es mit Schmerzen verbunden, aber wenn ich mich im Urlaub im Meer treiben lasse, dann ist es ein bisschen wie zu Hause. Ich kann mich im Wasser bewegen, weiß wo ich bin, ich weiß, was ich machen muss. Ich fühle mich einfach wohl im Wasser.

Gibt es typische Bewegungen oder einen Rhythmus, den Sie entwickelt haben?
Ja, zum Beispiel mache ich beim Kraulen die eher unübliche Dreieratmung und spare etwas Energie, wenn ich mich mit der Schulter leicht reinfallen lasse, dabei trotzdem mehr Schwung mit nach vorn nehme. Sich einen Rhythmus zu erarbeiten, darauf kommt es letztlich an.

Die ersten Jahre Ihrer Karriere ging es steil bergauf, bis zur Olympiateilnahme 2016. Danach war es bis Olympia 2021 ruhig. Warum haben Sie weitergemacht?
Ich wusste, das ist noch nicht mein Zenit gewesen. Ich kann noch mehr. Das ist krasse intrinsische Motivation. Ich habe trainiert wie ein Tier. Man will ja immer das eine perfekte Rennen. Aber letztlich willst du es doch nicht. Denn danach geht es ja nur noch bergab. Ich habe dann zwei Jahre Bauingenieurwesen in den USA studiert, kam aber beim Schwimmen nicht weiter. 2019 ging ich nach Berlin.

Zurück in Deutschland haben Sie an der TU Berlin mit Wirtschaftsingenieurwesen begonnen. Warum?
Das kam bei einem Berufsfindungsseminar raus, den der Olympiastützpunkt angeboten hat. Neben meinem vollen Trainingsplan schaffe ich zwei bis drei Module pro Semester. Ich mache alles online, eine Klausur habe ich gerade in China geschrieben.

Viel Freizeit bleibt da ja nicht.
Nein. Mein Training beginnt morgens um sieben und endet abends um sechs. In den Mittagspausen versuche ich, noch etwas für die Uni zu machen. An Wochenenden habe ich meist Wettkämpfe. Meine Eltern haben mich früh gelehrt, dass es wichtig ist, noch etwas nebenher zu machen. Ich rede mir auch ein, dass es gut für den Kopf ist, aber eigentlich ist das Studium total anstrengend. Ich würde auch viel lieber chillen und eine Serie gucken.

Als was für eine Schwimmerin würden Sie sich bezeichnen?
Ich bin sehr diszipliniert und ehrgeizig. Mein Perfektionismus wurde mir in meiner Karriere auch manchmal zum Verhängnis. Mittlerweile habe ich das im Griff. Ich mag den Wettkampfgedanken. Für die Jüngeren in der Mannschaft versuche ich, das vernünftige Vorbild zu sein und ein offenes Ohr zu haben. Ich finde es wichtig, die Erfahrungen weiterzugeben, die ich in meiner Karriere gemacht habe. Dass man durchziehen kann und es dann auch funktioniert.

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