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Läuft. Jonjoe Kenny ist im Moment nicht aus der ersten Elf von Hertha BSC wegzudenken.

© imago/Matthias Koch/IMAGO/Sebastian Räppold/Matthias Koch

Sinnbildlich für Hertha BSC: Jonjoe Kenny hat sich in die Zweite Liga reingebissen

Im Sommer wollte er weg, weil er sich für was Besseres hielt. Jetzt ist Jonjoe Kenny als Rechtsverteidiger ein wichtiger Faktor für den Erfolg von Hertha BSC.

Am Anfang der Saison hat Pal Dardai manches Mal gehadert mit dem Kader, der ihm als Trainer von Hertha BSC zur Verfügung stand. Bei vielen Spielern fehlte ihm das, was heutzutage mit der Angebervokabel Commitment bezeichnet wird. Ein klares Bekenntnis zu Hertha und der schwierigen Aufgabe, den Verein nach dem Abstieg in die Fußball-Bundesliga zurückzuführen.

Am meisten aber scheint Dardai mit der verqueren Selbsteinschätzung einiger seiner Spieler gehadert zu haben: Spieler, die zwar abgestiegen waren, sich aber mit ihrer Qualität immer noch eher in der Bundesliga als in der Zweiten Liga verorteten. „60 Prozent der Spieler dachten, die sind sowieso weg. Aber sie sind immer noch hier“, hat Herthas Trainer Dardai in der Vorbereitung gesagt.

Namen hat er nicht genannt, doch es ist schon lange kein Geheimnis mehr, dass Jonjoe Kenny einer dieser Spieler war, der sich der Zweiten Liga haushoch überlegen wähnte. Der Engländer, erst vor der Abstiegssaison vom FC Everton nach Berlin gewechselt, wollte weg. Aber nach seinen Leistungen bei Hertha war es kein Wunder, dass es an entsprechenden Angeboten mangelte. Außer für Kenny selbst vielleicht.

In der Dokumentation, die Hertha BSC über die laufende Saison dreht, gibt es eine bezeichnende Szene. Es ist der dritte Spieltag, Hertha ist beim Hamburger SV zu Gast, liegt zur Pause 0:2 zurück und ist damit in der Zweiten Liga weiterhin ohne jedes Tor. Kenny sitzt in der Halbzeit auf der Bank, und er schreit durch die Kabine, dass man jetzt endlich mal Eier zeigen müsse: „Wir sind nicht von ungefähr in der fucking Zweiten Liga!“

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Pflichtspiele ist Hertha jetzt schon ungeschlagen

Es ist nicht ganz klar, ob Kenny seine Mitspieler meint – oder doch eher sich selbst.

Dass ein Absteiger aus der Bundesliga, noch dazu einer mit großem Namen wie Hertha BSC, sich für etwas Besseres hält, ist vermutlich nur menschlich. Insofern steht Jonjoe Kenny ein bisschen sinnbildlich für die Berliner. Für die Probleme zu Saisonbeginn genauso wie für die erfreuliche Entwicklung, die Hertha seit dem dritten Spieltag und der krachenden Niederlage beim HSV erlebt.

Wir sind zufrieden mit ihm. Er hat nie aufgegeben, er hat gearbeitet, er hört zu.

Herthas Trainer Pal Dardai über Jonjoe Kenny

„Er hat sich richtig reingebissen, in die Saison, in die Mannschaft“, hat Benjamin Weber, Herthas Sportdirektor, dieser Tage über Kenny gesagt. So ähnlich ließe sich das auch über Hertha als Ganzes sagen. Das 2:1 am Samstag im Auswärtsspiel beim 1. FC Kaiserlautern war das achte Spiel nacheinander ohne Niederlage und der dritte Sieg in Folge. „Es war eine perfekte Woche für Hertha BSC“, sagte Trainer Dardai.

Hertha hat im DFB-Pokal das Viertelfinale erreicht und steht in der Liga vor dem letzten Spieltag der Hinrunde als Siebter so gut da wie noch nie in dieser Saison. Das Team hat tatsächlich die Chance, das Jahr in exakt dem Zielkorridor zu beenden, den Dardai vor der Saison als seinen Wunsch ausgegeben hatte: zu Weihnachten Vierter, Fünfter oder Sechster sein, um in der Rückrunde allen Anfangsschwierigkeiten zum Trotz doch noch in den Kampf um den Aufstieg eingreifen zu können.

Rettung in letzter Minute. Im Pokalspiel gegen den HSV erzielte Kenny kurz vor Ablauf der Verlängerung das 3:3.

© IMAGO/Jan Huebner

Zum Jahresabschluss empfängt Hertha am kommenden Samstag den Tabellenletzten Osnabrück. Eine machbare Aufgabe, selbst wenn der VfL dem FC St. Pauli am Samstagabend ein Unentschieden abgetrotzt hat. „Wenn wir das Spiel gewinnen, kann ich dem Verein nur ein Kompliment machen“, sagt Pal Dardai.

Immer mehr verdient sich auch Jonjoe Kenny Komplimente für seine Darbietungen im Hertha-Trikot. „Wir sind zufrieden mit ihm. Er hat nie aufgegeben, er hat gearbeitet, er hört zu“, sagt Dardai.

Seit dem achten Spieltag hat der Rechtsverteidiger keine einzige Sekunde verpasst. Von diesen zehn Pflichtspielen verloren die Berliner nur eins. Und in den jüngsten acht Begegnungen, in denen Hertha ungeschlagen geblieben ist, steuerte Kenny drei Tore und drei Vorlagen bei.

Vor einer Woche hat der Rechtsverteidiger gegen die SV Elversberg den 5:1-Endstand erzielt, nachdem er zuvor mit einem überragenden Zuspiel bereits das 3:1 durch Florian Niederlechner vorbereitet hatte. „Einfach geil“ fand Dardai Kennys Pass genau in die Schnittstelle.

Im Pokal gegen den HSV bewahrte der 26-Jährige Hertha mit seinem Tor wenige Sekunden vor Ablauf der Verlängerung vor dem Aus. Und in Kaiserslautern am Samstag bediente er mit einer Flanke erneut Niederlechner, der per Fallrückzieher das zwischenzeitliche 1:1 erzielte.

Selbst wenn es am Ende vor allem die frischen Kräfte für die Offensive waren, die das Spiel auf dem Betzenberg drehten: Auch Jonjoe Kenny hatte seinen Beitrag zu Herthas Auswärtssieg geleistet. „Er gibt Energie, er geht voran, er ist ein Kämpfer, ein Arbeiter“, sagt Sportdirektor Weber. Man könnte auch sagen: Jonjoe Kenny ist all das, was man in der Zweiten Liga braucht.

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