zum Hauptinhalt
Ein Team, drei Gewinner: Jonas Vingegaard (l.) und Primoz Roglic nehmen den vermeintlichen Vuelta-Sieger Sepp Kuss in die Mitte.

© AFP/Oscar del Pozo

Jumbo-Visma dominiert die Vuelta: Kuss, Vingegaard und Roglic und ihre gelbschwarze Phalanx

Bei der Spanienrundfahrt der Radprofis liegen gleich drei Fahrer von Jumbo-Visma in der Gesamtwertung vorn. Edelhelfer Sepp Kuss steht vor dem Sieg.

Probleme hat Jumbo-Visma bei dieser Spanienrundfahrt aktuell nur mit der Polizei. Am Ziel der 18. Etappe stürzten sich drei Polizisten auf einen Helfer des Teams, warfen ihn zu Boden und zerrten auch noch unter Einsatz größerer physischer Kraft an ihm herum. Der Einsatz war natürlich massiv überzogen.

Der spanischen Polizei muss man aber zugutehalten, dass sie seit der vereitelten Ölattacke auf das Vuelta-Peloton durch katalanische Separatisten auf der 3. Etappe jeden Vorfall auf größeres Gefahrenpotenzial hin abklopft.

In den bisherigen knapp drei Wochen war dies aber wohl die größte Gefahr, der das Jumbo-Team ausgesetzt war. Zu deutlich ist die Übermacht, zu klar auch die Sprache der nackten Zahlen. Seit der 13. Etappe hoch zum Tourmalet, die Vingegaard vor seinen Teamkollegen Sepp Kuss und Primoz Roglic gewann, liegen die drei Jumbo-Fahrer auch in der Gesamtwertung vorn. Daran änderte sich auch auf der 20. Etappe am Samstag nichts, die der Niederländer Wout Poels als Ausreißer gewann.  

Jumbos Stärke liegt auch an der Schwäche der Konkurrenz

Wer ansonsten noch bei der Vuelta mitfährt und nicht von Jumbo-Visma bezahlt wird, hat längst seinen Frieden mit der Aussichtslosigkeit gemacht, in die gelbschwarze Phalanx im Gesamtklassement vorzustoßen. Für ein paar Tage bestand die Hoffnung, dass sich die drei Topfahrer vielleicht gegenseitig Konkurrenz machen könnten und damit die Tür für andere Fahrer öffnen würden.

„Wir sind schon mit zwei Leadern angereist, die beide die Freiheit hatten, um den Etappensieg zu fahren. Mit Sepp als drittem Mann ist die Situation nur etwas komplexer geworden“, sagte Teamchef Richard Plugge zur Stallorder bei Jumbo.

Die Freigabe, auf eigene Karte zu fahren, galt irgendwann für alle drei. Bedingung war nur, dass sie sich eben nicht gegenseitig aus den Pedalen fahren und so das große Ziel Vuelta-Sieg fürs Team gefährden. Die Fahrer selbst hatten eine etwas abweichende Interpretation.

Roglic wünschte zwar dem Kumpel und Edelhelfer Kuss den Gesamtsieg. Seine eigenen Ambitionen auf den für ihn dann vierten Vuelta-Triumph versteckte er aber nicht: „Ich habe die Verantwortung, das Beste aus mir herauszuholen“, meinte er – und ließ Kuss am gefürchteten Angliru förmlich stehen.

61
Siege fuhren Fahrer von Jumbo-Visma in dieser Saison schon heraus.

Auch Vingegaard setzte sich ab und kam Kuss im Gesamtklassement bis auf acht Sekunden nahe. Da wurde es dem bisher sehr duldsamen Edelhelfer aber doch zu bunt. Er stellte klar, auch selbst gewinnen zu wollen. Und fortan hielt Roglic brav die Kräfte zurück und Vingegaard engagierte sich gar als Helfer für Kuss.

Zu verdanken hat Jumbo-Visma die komfortable Position einerseits der Schwäche der Konkurrenz. Der große Rivale Tadej Pogacar ließ die Vuelta aus. Titelverteidiger Remco Evenepoel brach am Tourmalet ein. Der Rennstall selbst hat andererseits aber auch die Formel für Rundfahrtsiege gefunden. Den Giro gewann Roglic mit Kuss als Begleiter, die Tour Vingegaard ebenfalls dank der Hilfe von Kuss.

Bei der Vuelta zeigt der US-Amerikaner nun, dass er aus seiner bisher exzellenten Beobachterposition für die eigene Karriere die richtigen Schlüsse gezogen hat. Er profitiert auch von der offensiven Ausrichtung des Rennstalls. Da wird nicht stur für einen Kapitän gefahren. Wer Potenzial hat, darf es zeigen. Die bisher 61 Saisonsiege erzielten 13 Fahrer.

„Sie sind jetzt die Benchmark, so wie wir das in der Vergangenheit waren“, fasste Geraint Thomas, Tour de France-Sieger mit dem Team Sky, die neuen Machtverhältnisse zusammen. Jumbos Aufstieg und der gleichzeitige Abstieg von Sky-Nachfolger Ineos Grenadiers zeigen aber auch, wie schnell sich die Benchmarks im komplexen Universum des Straßenradsports verschieben können.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false