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Jonas Vingegaard (l.) gehört zu den großen Favoriten des Rennens.

© IMAGO/ZUMA Wire

Herausfordernde Bergetappen: Wird es die härteste Tour de France aller Zeiten?

Ex-Profi Jan Ullrich prophezeit die „härteste Tour“. Tatsächlich birgt die Rundfahrt in diesem Jahr besondere Herausforderungen. Drei Einschätzungen dazu.

Am kommenden Wochenende startet die 110. Auflage der Tour de France in Bilbao. Bereits im Voraus prophezeite Ex-Profi Jan Ullrich „die härteste Tour aller Zeiten“. Alpen, Pyrenäen, Jura, Vogesen, Zentralmassiv - die zahlreichen Bergetappen seien eine echte Herausforderung. „Die Sprinter bei dieser Tour tun mir richtig leid, die werden kämpfen und leiden müssen, um überhaupt Paris zu erreichen“, sagte Ullrich in einem Interview mit der „Bild“-Zeitung.

In unserer Reihe „3 auf 1“ analysieren Expert:innen, was die diesjährige Tour besonders herausfordernd macht. Alle Folgen von „3 auf 1“ finden Sie hier.


Einige Härtefaktoren sich nicht planbar

Ich halte es nicht so mit den Superlativen, erst recht nicht den absoluten. Immerhin gibt es ein Argument dafür, dass diese Tour härter werden könnte als andere: Schon die ersten Etappen im Baskenland sind sehr anspruchsvoll und zehren früh an den Ressourcen. Und auch der Pyrenäenblock kommt noch in der ersten Woche. Das allerdings kann auch zu Stillhalteabkommen unter den Klassementfahrern führen.

Keiner will zu früh zu viel investieren, keiner ins Risiko gehen. Das kann zu vergleichsweise gemäßigtem Tempo und wenig Showdowns führen. Zudem fahren derzeit die beiden besten Rundfahrer Tadej Pogacar und Jonas Vingegaard in einer eigenen Liga. Alle anderen kämpfen bestenfalls um Platz 3 – und sind daher geneigt, die letzte Woche in den Alpen abzuwarten.

Pogacar und Vingegaard können sich ohnehin auf ihre exzellente Erholungsfähigkeit in der letzten Woche verlassen. Superhart wird diese Tour daher nur, wenn eine dritte Kraft UAE mit Pogacar und Jumbo – Visma mit Vingegaard früh zermürben will und dazu die erste Woche nutzt. Weiterer Härtefaktor kann das Wetter mit Hitze, Dauerregen und plötzlichen Temperaturunterschieden werden. Aber das ist nicht planbar, nur erlebbar und wird vor allem erlitten.


Jan Ullrich müsste es besser wissen

Die Antwort auf die Frage ist ganz klar- natürlich nicht. Jan Ullrich müsste es eigentlich besser wissen. Gelitten hat er bei seinen acht Tour-Teilnahmen sicher auch. Denn die Tour de France ist von Hause aus schon eines der härtesten Radrennen der Welt und das jedes Mal aufs Neue, seit der ersten Austragung im Jahr 1903. Wer denkt, dass es einfacher würde, wenn man sich drei Wochen lang gemütlich im schützenden Windschatten des Pelotons versteckt, irrt sich gewaltig.

Die Fahrer müssen drei Wochen lang Hitze, Regen, Berge, riskante Abfahrten, Stürze und Verletzungen ertragen und das bei rasenden Geschwindigkeiten. Der letztjährige Tour-Sieger Jonas Vinegaard, der auch diesmal wieder als Tour-Favorit ins Rennen geht, legte für die 3.350 Kilometer und 48.708 Höhenmeter eine Durchschnittsgeschwindigkeit von 42,106 km/h hin. Dabei mussten nicht nur er, sondern auch alle anderen Teilnehmer mehr als einmal ganz tief durchatmen. Die Härte einer Tour wird immer durch die Fahrer selbst bestimmt, das Streckenprofil tut nur sein Übriges dazu.


Das Gesamtlayout ist herausfordernd

Die Tour de France 2023 unterscheidet sich lediglich in einem einzigen, aber sehr wichtigen Punkt von vorangegangenen Austragungen. Es gibt nur ein einziges Einzelzeitfahren und das ist nur 22.4 km lang. Das bedeutet, dass die Tour ganz klar den Bergfahrertypen unter den Klassementfahrern liegen sollte. Also eher Romain Bardet von der DSM Mannschaft oder Thibaut Pinot von der französischen Groupama-FDJ Equipe. Allerdings nur auf dem Papier, denn die beiden großen Favoriten Jonas Vingegaard und Tadej Pogacar sind ebenfalls exzellente Bergfahrer.

Eine Schwierigkeit für alle Fahrer sehe ich im Gesamtlayout dieser Tour. Es gibt keine Einrolletappen oder eine klassische ruhige Mittelwoche, sondern alle zwei oder drei Tage eine schwere Etappe und auch die vermeintlich leichteren Etappen haben die eine oder andere versteckte Schwierigkeit eingebaut. Daher heißt es für die Klassementfahrer jeden Tag voll konzentriert zu bleiben. Der alte und schon etwas ausgeleierte Radsportspruch „Heute kann man die Tour nicht gewinnen, aber sehr wohl verlieren.“ trifft auf diese Ausgabe der Tour mehr zu als jemals zuvor.

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