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Bundestrainer Hansi Flick im Interview mit der dpa.

© dpa/Thomas Boecker

„Für die Politik sind andere ausgebildet“: Flick klagt über politisierte WM und schlechte Fan-Stimmung

Die WM war für den Bundestrainer eine große Enttäuschung. Zu viele Themen abseits des Fußballs hätten im Fokus gestanden. Er sieht aber auch eine Bringschuld der DFB-Elf.

Hansi Flick hat den WM-Frust noch lange nicht verdaut und sieht die Fußball-Nationalmannschaft in den kommenden Monaten besonders in der Pflicht. „Natürlich ist die Enttäuschung noch da. Wenn man die Spiele sieht, kommt der Gedanke, ‘hätten wir da auch sein können?’ Die Frage muss man sich stellen. Aber es ist nun mal so, dass wir frühzeitig ausgeschieden sind, und dafür müssen wir die Verantwortung übernehmen. Es ist einfach sehr, sehr schade“, sagte der Bundestrainer gut zwei Wochen nach dem WM-Aus in der Gruppenphase in einem Interview der Deutschen Presse-Agentur. 

Die Aufarbeitung geht für Flick noch viel weiter. Politisierte WM, schlechte Stimmung bei den Fans daheim, viel zu viele Themen abseits des Fußballs, beklagt der 57-Jährige. Mit der „One Love“-Binde als Kulminationspunkt. Flick will den Fokus wieder auf den Fußball lenken. „Das ist unsere Aufgabe - es wäre schön, wenn man uns das zugesteht. Für die Politik sind andere ausgebildet“, kritisierte er die öffentliche Erwartung an sein Team und auch die deutsche Politik.

„Der französische Präsident Emmanuel Macron hat sinngemäß gesagt, „der Fußball wird zu sehr politisiert. Unsere Spieler sollen sich auf Fußball konzentrieren. Politik mach ich“. Das wäre ein gutes Zeichen gewesen, auch für uns“, sagte er.

Wieder Begeisterung erzeugen

Richtung Heim-EM 2024 müsse die DFB-Elf die Fans zurückgewinnen. „Wir sind in der Bringschuld. Wir müssen wieder Begeisterung erzeugen. Jeder Spieler, jeder Trainer will, dass wir unterstützt werden“, sagte Flick. Die Voraussetzung sieht der 57-Jährige in seinem Team als gegeben an. „Wir wollen attraktiven Fußball zeigen. Wir wollen als Mannschaft den Fans zeigen: Wir haben es kapiert, wir wollen alles geben, wir wollen für Deutschland spielen, wir sind stolz darauf und wir freuen uns auf diese Heim-EM“, sagte Flick.

Wir sind in der Bringschuld. Wir müssen wieder Begeisterung erzeugen. Jeder Spieler, jeder Trainer will, dass wir unterstützt werden.

Hansi Flick, Bundestrainer

Mögliche Stimmungsdämpfer bei den von März 2023 anstehenden Testspielen kalkuliert Flick dabei schon ein. „In Zukunft wollen wir die Fans mit unserem Auftritt wieder begeistern, wir wollen, dass die Fans uns bedingungslos unterstützen, auch dann, wenn es Rückschläge gibt. Wir müssen dahin kommen, dass die Fans dann dennoch hinter uns stehen.“

Dafür fordere Flick „von der Mannschaft, vom Trainerteam, von den Betreuern“ bedingungslosen Einsatz „und natürlich, dass wir dann eine erfolgreiche Euro spielen“.

Flick sucht Gespräch mit den Spielern

Noch vor dem Jahreswechsel will Flick mit seinen WM-Spielern sprechen. „Ich werde in den nächsten Tagen viel telefonieren, um die WM dann abzuschließen und nach vorne zu blicken, das ist mir wichtig“, kündigte er an. Auch mit Thomas Müller will er reden. Ein Rücktritt des Routiniers ist für ihn kein Automatismus. Der 33-Jährige könnte sogar noch zum EM-Faktor beim Heimturnier im Sommer 2024 werden.

Flick will auch mit Thomas Müller reden.

© Foto: Imago/Uwe Kraft

Italien sei auch mit den Routiniers Leonardo Bonucci und Giorgio Chiellini 2021 Europameister geworden. „Deswegen kann man nie kategorisch sagen, jemand ist zu alt. Es geht um den Leistungsgedanken - und der ist bei uns vorhanden“, versicherte Flick.

Er habe nie an Rücktritt gedacht

Er selbst habe nie an Rücktritt gedacht - und mache seinen Verbleib im Amt auch nicht von der Entscheidung über die Nachfolge für Ex-Geschäftsführer und Freund Oliver Bierhoff abhängig. „Ich bin überzeugt davon, dass es passen wird. Für mich war es nie ein Gedanke, zurückzutreten“, sagte Flick. 

Seine emotionalen Worte pro Bierhoff nach dessen Ausscheiden nur vier Tage nach dem WM-K.o. seien als Auszeichnung für dessen Arbeit gedacht gewesen und keine Drohung für persönliche Konsequenzen. „Oliver hat viel für den deutschen Fußball getan, das wollte ich zum Ausdruck bringen. Und das heißt keinesfalls, dass ich mit seinem Nachfolger nicht vertrauensvoll zusammenarbeite“, sagte Flick.

Oliver hat viel für den deutschen Fußball getan, das wollte ich zum Ausdruck bringen. 

Flick über seine emotionalen Worte pro Bierhoff

Große Hoffnungen setzt Flick in die Arbeit der beiden gegründeten Arbeitskreise beim Deutschen Fußball-Bund. DFB-Präsident Neuendorf hatte mit Blick auf die Kommunikation mit Flick betont, dass alles, was in den Gremien besprochen werde, mit dem Bundestrainer rückgekoppelt werde. „Ich bin sicher, dass wir zu einer einvernehmlichen Lösung kommen“, sagte Neuendorf.

Den Expertenrat um Karl-Heinz Rummenigge, Oliver Kahn und Matthias Sammer verteidigte Flick gegen Kritik, nicht heterogen besetzt zu sein. „Zunächst muss man sehen, dass das absolute Persönlichkeiten des deutschen Fußballs sind, die alle sehr viel Erfahrung haben. Sie wissen, worauf es ankommt. Deswegen finde ich es großartig, dass sie sich bereiterklärt haben, beratend zur Seite zu stehen“, sagte Flick.

Ränkespielen oder Animositäten seien nicht angesagt, sagte der Bundestrainer. „Es gibt den Bereich Nationalmannschaft, mit der Frage, wo geht es hin und der Frage, wie wir den wichtigen Schulterschluss mit den Vereinen hinbekommen. Denn klar ist, dass wir nur gemeinsam erfolgreich sein können. Wir müssen in die gleiche Richtung gehen“, forderte er Unterstützung auf dem Weg Richtung EM 2024. (dpa)

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