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Romy Schneider als Sissi.

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Sissi, Sissi und nochmals Sissi: „Sie pappt an mir wie Griesbrei“

Alle Jahre wieder zu Weihnachten läuft die „Sissi“-Trilogie mit Romy Schneider und beseelt der Deutschen Gemüt. Dabei war Schneider selbst ihre berühmte Rolle schnell leid.

Sie selbst hat sie irgendwann regelrecht gehasst. Sie flieht vor ihr, in eine andere Sprache, in ein anderes Land, nach Frankreich, sie lehnt einen vierten Teil ab, obwohl ihr in vier schwarzen Geldkoffern eine Million D-Mark in bar als Gage angeboten werden, und sie will am liebsten nichts mehr mit alledem zu tun haben. Romy Schneider ist Sissi schnell leid.

Loswerden will sie diese Figur, die sie fortan begleiten soll – überallhin, jederzeit. Einzig, sie wird sie partout nicht mehr loswerden, ein Leben lang: „Sie pappt an mir wie Griesbrei!“ Sisi, wie sie historisch korrekt geschrieben wird, ist für Romy Schneider Segen und Fluch zugleich.

Die Trilogie – unter der Ägide und Personalunion des damals so umtriebigen Wieners Ernst Marischka in den Jahren 1955 bis 1957 im jungen bundesrepublikanischen Nachkriegs-Deutschland geschrieben, produziert und inszeniert – hat der 1938 geborenen Schauspielerin schon in sehr jungen Jahren eine Popularität verschafft, die einem medialen Massenphänomen gleichkommt, einem Medien-Hype, wie ihn nur wenige Schauspielerinnen ihrer Generation erlebt haben.

Ebenso spannend wie retrospektiv schwer zu beantworten wäre die ohnehin rein hypothetische Fragestellung, was aus Romy Schneider denn ohne Sisi bzw. „Sissi“ geworden wäre. Welchen Weg wäre sie gegangen? Wäre die Flucht nach Paris so denkbar gewesen, und der spätere, damit einhergehende große künstlerische Erfolg in Filmen von Claude Sautet („Die Dinge des Lebens“), Orson Welles („Der Prozess“) oder Luchino Visconti („Ludwig II.“)? Würde Romy auch ohne Marischkas „Sissi“ bis heute derart kultisch verehrt und geliebt und vereinnahmt werden?

Die drei „Sissi“-Filme, die sich fernab der authentischen, dokumentierten Historie bewegen und voller Kitsch und Klischee sind, hatten seinerzeit ihre Kino-Premieren stets zu Weihnachten. Alljährlich erblickte Romy Schneider die Leinwand, im verlässlichen, verbindlichen Turnus: „Sissi“ 1955, „Sissi – Die junge Kaiserin 1956, „Sissi – Schicksalsjahre einer Kaiserin“ 1957. Alle Jahre wieder. So sollte es weitergehen. Die Menschen standen damals Schlange, schnell war Romy nicht nur unser aller Romy, sondern auch unsere Sissi.

Romy Schneider flieht vor der Rolle

Romy, die nur ein Jahr später, 1958, ausbrechen und regelrecht fliehen sollte, wird zur Projektion der Menschenmengen, zur Identifikationsfigur einer heilen, gefühligen Welt, in einer Bundesrepublik im ersten Jahrzehnt nach Kriegsende. Sechs Millionen sehen allein den zweiten Film. Sissi und Romy, Romy und Sissi – für die Menschen, die die Ruinen der zerbombten Städte sehen, die deren Wiederaufbau erleben und doch zutiefst traumatisiert sind, scheint hierin ein veritables Heilsversprechen zu liegen. „Schlagobers fürs Gemüt“ nannte Romy Schneider selbst dieses Phänomen.

Heute noch, genau 65 Jahre nach dem Kinostart des dritten und doch finalen „Sissi“-Teils am 18. Dezember 1957, läuft die Trilogie alljährlich zu Weihnachten im Fernsehen, und nicht wenige Haushalte in Deutschland, Österreich und der Schweiz schalten erneut ein: Sissi an Weihnachten, zur besten Sendezeit, verteilt auf die Feiertage, das darin implizite Versprechen scheint vollkommen zeitlos, scheint ohne Verfallsdatum.

Romys „Sissi“ bringt ein Wohlgefühl mit sich, verbindlich und verlässlich. Und sie bringt überdies Quote. Die Familien sehen zu, sitzen gemeinsam vorm heimeligen linearen Bildschirm-Lagerfeuer, und alle Unbill und Unsicherheit dieser volatilen Welt bleibt für drei Kinofilme à zwei Fernsehstunden draußen vor der Tür.

Ohnehin scheint Elisabeth von Österreich derzeit ohne jedes erkennbare Jubiläum geradezu omnipräsent – auf den Kino-Leinwänden und Fernseh-Bildschirmen, auf den Covern neuer zeithistorischer Biographien und belletristischer Romane. Eine regelrechte Sisi-Welle rauscht aktuell durch die Kultur.

Allein in den Produktionsjahren 2021 und 2022 entstand etwa die Fernsehserie „Sisi“ mit Dominique Devenport in der Titelrolle und Jannik Schümann in dem Part des Kaisers Franz Joseph I. für RTL; produzierte Netflix die neue Serie „The Empress“, in der Devrim Lingnau und Philip Froissant als junges royales Paar zu sehen sind; hatte auf den Filmfestspielen in Cannes im Mai 2022 der unter der Regie von Marie Kreutzer in Szene gesetzte Historienfilm „Corsage“ Weltpremiere.

Hier ist es Vicky Krieps, die Kaiserin Elisabeth ganz eigen und modern verkörpert; gelangt schließlich im Frühjahr 2023 mit „Sisi und ich“ ein weiterer Spielfilm in die Kinos, inszeniert von Frauke Finsterwalder nach einem Drehbuch von Christian Kracht, mit Schauspielerin Susanne Wolff im Titelpart.

„Sissi“ und Romy hingegen, das war zuerst da, und das bleibt auch weiterhin bestehen: Retro und Tradition, Halt in haltlosen Zeiten, Weltflucht und Eskapismus in Reinstform. Abschalten von der Wirklichkeit. Ähnlich kaum wegzudenken aus dem weihnachtlichen Fernsehprogramm ist etwa „Der kleine Lord“ mit Alec Guinness oder auch „Aschenbrödel“.

Doch „Sissi“ schlägt sie mit Quote und Popularität allesamt um Längen. Was würde wohl Romy Schneider heute zu diesem anhaltenden Medien-Phänomen sagen? Damals jedenfalls meinte sie: „Sissi hing mir wie ein Klotz am Bein. Sie lächelte selig, wenn ich Lust hatte, zu weinen und zu leiden. Ich war plötzlich nicht mehr Romy, sondern nur noch Sissi. Mir hing diese Person zum Halse raus.“

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