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Grüne Ideen gehen ihr nicht aus: die promovierte Landschaftsplanerin Grit Bürgow im Gewächshaus der „Roof Water-Farm“.

© Christian Kielmann

Shower-Tower 61 und Roof Water Farm: Wo Salate und Kräuter in Säulen wachsen

Landschaftsplanerin Grit Bürgow initiiert Projekte, die ressourcenschonend den Anbau von Lebensmitteln in der Stadt ermöglichen.

Von Sybille Nitsche

Ja, sie könnte motzen. Als Urberlinerin könnte das sozusagen zu ihrer genetischen Disposition gehören. Und Grit Bürgow hätte auch allen Grund dazu. Denn zu den Themen, mit denen sie sich seit mehr als 20 Jahren beschäftigt, finden sich in Berlin wenige vorzeigbare Beispiele, die bezeugen, dass man – den Klimawandel im Visier – in der Hauptstadt anders baut. Da muss Bürgow schon auf Leipzig und Hamburg verweisen. Vorbildcharakter haben etwa Ressourcenkreisläufe und Lebensmittelproduktion in der Stadt, die Entwicklung von Stadtquartieren mit einer blau-grünen Infrastruktur oder ein Umbau der Quartiere zu Schwammstädten. Aber Grit Bürgow motzt nicht.

Stattdessen nimmt die promovierte Landschaftsplanerin ein Projekt nach dem anderen in Angriff – wenn auch im kleinen stadträumlichen Maßstab. Eines ihrer ersten Vorhaben, an dem sie an der TU Berlin beteiligt war, ist die „Roof Water-Farm“ – ein Gewächshaus mitten in einem Berliner Wohnviertel. Ein großes Team von TU-Wissenschaftler:innen und Praxispartnern zeigte dort erfolgreich, dass Pflanzenproduktion und Fischzucht mit der Abwasseraufbereitung aus Haushalten verknüpft werden kann. Damit lässt sich im städtischen Umfeld auf engstem Raum Lebensmittelanbau als ressourceneffizienter Kreislauf betreiben.

In der von Bürgow 2022/2023 begleiteten studentischen Projektwerkstatt „Hydroponik“ profitierten TU-Studierende von dem Wissen über Ressourcenkreisläufe, das seit mehr als zehn Jahren in der „Roof Water-Farm“ gesammelt worden ist. Sie entwickelten und bauten eine automatisierte, über eine Solaranlage betriebene Hydroponik-Apparatur, die im Juni 2023 mit dem Young Green Buddy Award ausgezeichnet wurde. Hydroponik bedeutet, dass die Pflanzen nicht in Erde, sondern ausschließlich in einer Nährlösung wachsen.

Und dann ist da noch der „Shower-Tower 61“ in der Beachvolleyballanlage des Parks am Gleisdreieck. Der „Shower-Tower 61“ ist ebenfalls ein hydroponisches System. Salate, Kräuter und essbare Blüten werden dort jedoch in Säulen angebaut – sozusagen in einer vertikalen Farm. Das Wasser ist das aufbereitete Duschwasser aus der Volleyballanlage und gesundheitlich unbedenklich. Grit Bürgow und das Team konnten nachweisen, dass sich der Flächenbedarf für die ganzjährige Salatversorgung von 3,6 Millionen Berliner:innen (Stand 2020) mit einer solchen vertikalen Hydroponik-Farm auf 38 Hektar reduzieren ließe. Das ist etwa ein Zehntel des Tempelhofer Feldes. Bei einer herkömmlichen Anbauweise würde mehr als die doppelte Fläche des Flugfelds benötigt.

Vertikale Farm: „Shower-Tower 61“ im Park am Gleisdreieck.

© Christian Kielmann

Der „Shower-Tower 61“ wurde zwar von TU-Studierenden konstruiert und gebaut, hat den universitären Raum aber längst verlassen. Er mauserte sich zu einem Beispiel für ein kooperatives Betreibermodell. „Die ‚Beach-Bar 61‘ holt sich vom Shower-Tower gleich nebenan die Salate und Kräuter für ihre Pizzas und Cocktails, pflegt und düngt die Pflanzen aber auch“, sagt Bürgow. „Das aus dem Shower-Tower-Projekt hervorgegangene Start-up ‚HydroTower‘ bepflanzt die Farm kontinuierlich und die ‚Roof Water-Farm‘ liefert einen Teil der Stecklinge“, erzählt sie. „Dass das Vorhaben über die Forschungsfinanzierung hinaus Bestand hat und nicht im wahrsten Sinne des Wortes verwelkte, war unser eigentliches Ziel.“ Als Gründerin des Büros „aquatectura“ schwebt Bürgow bereits ein nächstes Projekt vor, gemeinsam mit der „StadtManufaktur“, der Reallaborplattform der TU Berlin: die Gestaltung eines Gewächshauses auf dem Dach einer Schule als Lernlandschaft.

Bleibt die Frage, warum sie als Landschaftsplanerin ihr Interesse an Ökosystemen unbedingt in der Stadt auslebt. „Gute Frage“, sagt sie. „Als Kind zog ich vom grünen Stadtrand in Pankow in ein baumloses, unwirtliches Neubauviertel. Es war schrecklich. Diese Vertreibung aus dem Paradies meiner Kindheit will ich wahrscheinlich immer wieder aufs Neue rückgängig machen und grüne lebenswerte Stadträume schaffen, vor allem, wenn ich erlebe, wie es zunehmend anstrengender wird, in Zeiten des Klimawandels in Großstädten wie Berlin zu leben.“

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