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Zusammen mit der Nationalparkverwaltung auf Galapagos wollen die Forscher:innen den einzigartigen Scalesia-Wald restaurieren.

© Roberto Ballestros

In Wald und Flur: Wie Studierende der TU sich für Renaturierung engagieren

Angewandte Wissenschaft: Laura Bley führte ihr Studium auf die Galapogos-Inseln und Felix Mehring wurde zum Mitgründer eines Vereins für solidarische Landwirtschaft.

Von Sybille Nitsche

Auf ihren Tauchgängen schwamm sie mit Riesenschildkröten, sah Hammerhaie und Rochen. Und wenn Laura Bley morgens ihr Quartier in der Charles-Darwin-Forschungsstation auf Santa Cruz – der zweitgrößten Insel des Galapagos-Archipels – verließ, musste sie Meeresechsen ausweichen. „Das war beeindruckend“, sagt Laura Bley. Aber was sie dann doch am meisten berührt habe, seien die wunderschönen Scalesia-Wälder gewesen. „Sie sind endemisch, das heißt, sie kommen nur auf Galapagos vor und weisen eine hohe Vielfalt an Tier- und Pflanzenarten auf.“ Doch die Scalesia-Wälder sind massiv bedroht – und das war auch der Grund, weshalb Laura Bley ihr Studium der Ökologie und Umweltplanung für zweieinhalb Monate von der TU Berlin auf Santa Cruz verlegte.

Bedroht wird der Wald der Scalesia pedunculata durch die Brombeere (Rubus niveus). Diese wurde eingeschleppt durch Einwanderer Ende der 1960er-Jahre. Unter dem Brombeerdickicht „ersticken“ jährlich fünf Prozent der Wälder. Wuchert die Brombeere ungehindert weiter, dann ist dieses einzigartige Ökosystem in den nächsten 20 Jahren vernichtet. Und weil in der Natur alles mit allem zusammenhängt, sind vom Verschwinden der Scalesia auch endemische Vogelarten wie einige Arten des berühmten Darwinfinken und der Rubintyrann bedroht. Die Scalesia-Wälder sind ihre Brutgebiete und ihr Lebensraum.

Martin Kaupenjohann, Professor für Bodenkunde, dessen Vorlesungen Bley besuchte, hatte Kontakt zu Heinke Jäger, einer Wissenschaftlerin, die seit Jahren an der Charles-Darwin-Forschungsstation zur Bedrohung und Restaurierung der Scalesia-Wälder forscht. Wie die Brombeere die Nährstoffgehalte im Boden verändert, welche Rolle der Boden überhaupt für den Fortbestand der Scalesia spielt, diese Forschungen sollten intensiviert werden. So entstand die Idee, dass im Rahmen eines Praktikums der Boden in den Scalesia-Wäldern untersucht werden sollte. Martin Kaupenjohann und Heinke Jäger setzten alles daran, dass Laura Bley ihr Praktikum auf der Charles - Darwin - Forschungsstation absolvieren konnte.

Wie kann man den einzigartigen Galapagos-Wald renaturieren?

Im Februar 2023 flog Bley auf die Galapagos-Inseln. Einen Teil ihrer Zeit verbrachte sie auf den Forschungsflächen, die Jäger in Zusammenarbeit mit der Nationalparkverwaltung auf Galapagos bereits 2014 angelegt hatte, um Erkenntnisse zu gewinnen, wie der Scalesia-Wald renaturiert werden kann.

TU-Studentin Laura Bley nimmt Bodenproben in den bedrohten Scalesia-Wäldern auf Galapagos. Eingeschleppte Pflanzen „ersticken“ dort jährlich fünf Prozent dieser Wälder. Auch seltene Vögel sind bedroht.

© Claudius Pflug

Die Forschungsflächen sind zweigeteilt: Auf der einen Hälfte werden die Brombeeren regelmäßig entfernt, auf der anderen lässt man sie wuchern. Sowohl von den Flächen, wo die Brombeere bekämpft wird, als auch von denen, wo sie nicht bekämpft wird, nahm Laura Bley Boden- und Blattproben von der Brombeere sowie der Scalesia. Und sie setzte sogenannte Ionenaustauscherharz-Beutel in die Böden ein, die sie nach sechs Wochen wieder herausnahm. Mit ihnen wird untersucht, welche Nährstoffe im Boden gelöst sind und somit von den Pflanzen aufgenommen werden können. Die Bodenproben wog, siebte und trocknete Bley.

Seit ihrer Rückkehr nach Berlin Mitte April analysiert Bley nun die Pflanzen- und Bodenproben im Labor auf ihren Nährstoffgehalt. Die Analysen sollen helfen, die Frage zu beantworten, ob die Brombeere den Nährstoffgehalt des Bodens verändert. „Das wäre problematisch, denn die Scalesia ist an nährstoffarme Böden angepasst. Ein erhöhter Nährstoffgehalt würde sie zusätzlich negativ beeinflussen“, sagt Bley.

Die Arbeiten auf Galapagos werden nun die Grundlage für ihre Bachelorarbeit. Doch der Gewinn für Bley aus dieser Zeit geht weit darüber hinaus. Sie erlebte, wie hart Forschung sein kann und wie aufreibend es ist, Gelder einzuwerben. Und dass die Bewahrung der einzigartigen Natur auf Galapagos auch dem Idealismus der internationalen Wissenschaftler:innen zu verdanken ist.

Ein Studienprojekt mit Folgen – auf dem Stolper Feld in Berlin

Nicht ganz so weit wie Laura Bley hat es Felix Mehring verschlagen. Der TU-Student ist an Berlins nördlicher Stadtgrenze aktiv. Genauer: am Stolper Feld. Da, wo jahrelang nur Maisfelder das Auge langweilten, wachsen heute Tomaten, Rote Bete, Sellerie, Petersilienwurzel, Kresse und neuerdings auch Kartoffeln, Kürbis und Kohl. Es ist Gemüse für 100 Menschen, die alle Mitglieder des Vereins „FrohLaWi e. V.“ sind. Die Abkürzung steht für „Solidarische Landwirtschaft für Frohnau und Umgebung“. Der Verein hat sich der Versorgung seiner Mitglieder mit regionalem, saisonalem und ökologisch nachhaltig angebautem Gemüse verschrieben. Gesunde Ernährung und eine die Biodiversität fördernde Landwirtschaft stehen im Vordergrund.

Ein Vogelschutzexperte beobachtete in der Waldgegend um die Felder sieben zusätzliche Brutvogelarten, deren Vorhandensein er auf die vom Verein ausgesäte Blühmischung zurückführte. Die hochstehenden Gräser böten den Vögeln einen Rückzugsraum zum Brüten.

Felix Mehring studiert Ökologie und Umweltplanung. Sein Verein „FrohLaWi e. V.“ baut Gemüse für 100 Menschen in Frohnau und Umgebung an.

© Claudius Pflug

Dass es den Verein gibt, ist jungen Menschen wie Felix Mehring und Professoren wie Martin Kaupenjohann zu verdanken. Mehring studiert Ökologie und Umweltplanung an der TU Berlin und belegte bei Kaupenjohann die Fachrichtung Bodenkunde. „Martin Kaupenjohann hatte ein Studienprojekt konzipiert, in dem sich unter seiner Anleitung 20 Studierende mit den Folgen einer Maismonokultur auf dem Stolper Feld beschäftigten. Diese war über viele Jahre auf Ertragsmaximierung ausgerichtet. Das Studienprojekt befasste sich damit, wie ein Gemüseanbau, der sich am Naturschutz orientiert, dieses kleine Ökosystem verändern würde“, erzählt Mehring am Küchentisch seiner WG in Friedrichshain. Die wissenschaftliche Durchdringung der damit einhergehenden Fragen fesselte Mehring.

Durch die Initiative von Kaupenjohann wurde aus dem Studienprojekt schließlich im Oktober 2020 der Verein, zu dessen Gründungsmitgliedern Mehring zählt. „Martin Kaupenjohann gelang es, bei uns Studierenden diesen Impuls zum Handeln auszulösen“, sagt Mehring. Kaupenjohann erkannte in den Studierenden, was sie könnten und nicht das, was noch nicht. Auch habe er immer das Gefühl vermittelt, dass Studierende für ihn ein Gewinn seien.

Viele Demos, keine Wirkung

Die Arbeit im Verein, in dem Mehring Vorstandsmitglied ist, wurde für den 26-Jährigen zum Ruhepol. Vorausgegangen war eine lange Phase des Suchens nach einem Lebensstil, der die Umwelt schont. Schon als Kind interessierte er sich für die Natur, schaute mit Begeisterung Dokus und lief bei Wanderungen mit den Eltern nicht missmutig hinterher.

Dass man die Natur schützen müsse, stand für ihn außer Frage. Und so schonte Mehring auch sich selbst nicht, ernährte sich vegetarisch, kaufte nur noch Gebrauchtes, fuhr Rad. Er ging auf Anti-Plastik-Demos und war bei den Protesten im Hambacher Forst. Doch habe er immer mehr den Eindruck gewonnen, dass Demos nichts bewirkten. Auch dass er nach seinem Studium der Umweltplanung einmal Bauprojekte werde verhindern können, um ökologische Flächen zu retten, glaubt Mehring nicht mehr.

Letztlich werde doch immer im Sinne des Bauprojektes entschieden. „Das ist frustrierend“, sagt er. Um wie viel befriedigender war es da, als er mit seinen Kommilitonen die ersten Pfähle für den Drahtzaun einschlug, um das Gelände einzuzäunen, die ausgesäte Blühmischung kunterbunt erblühte und sie im vergangenen Frühjahr das erste Gemüse ernten konnten.

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