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Schon die Jäger und Sammler der Steinzeit benutzten geflochtene Körbe (künstlerische Darstellung).

© dpa/Moisés Belilty Molinos, with scientific supervision of Francisco Martínez-Sevilla and Maria Herrero-Otal

Seit 9500 Jahren konserviert: Europas älteste Flechtkörbe

In einer spanischen Höhle wurden 9500 Jahre alte Körbe und 6000 Jahre altes Schuhwerk gefunden. Die aus Gräsern und Schilf gefertigten Objekte sollen die ältesten bekannten Flechtarbeiten Europas sein.

Von Alice Lanzke, dpa

9500 Jahre alte Körbe und 6000 Jahre alte Sandalen: Die ältesten Flechtarbeiten von Jägern und Sammlern sowie früher Bauern in Südeuropa beschreibt ein spanisches Forschungsteam im Fachblatt „Science Advances“. Dass die aus Gräsern und Schilf hergestellten Objekte überhaupt noch erhalten sind, ist den besonderen klimatischen Bedingungen in der Höhle zu verdanken, in der sie gefunden wurden.

Für ihre Studie analysierte das Team unter Leitung von Forschenden der spanischen Universidad de Alcalá (UAH) und der Universitat Autònoma de Barcelona (UAB) 76 Objekte aus Holz, Schilf und Espartogras, welche bei Bergbauarbeiten im 19. Jahrhundert in einer Karsthöhle in Andalusien im Südwesten Spaniens gefunden wurden. In der Höhle - der Cueva de los Murciélagos - herrschen kühle Winde und so gut wie keine Luftfeuchtigkeit: ideale Bedingungen, damit die organischen Materialien nicht zerfallen.

In der „Cueva de los Murciélagos de Albuñol“ - kühle Winde und so gut wie keine Luftfeuchtigkeit

© dpa/Blas Ramos Rodríguez

Die Forschungsgruppe führte eine Radiokohlenstoffdatierung durch, aus der hervorging, dass die Fundstücke aus dem frühen und mittleren Holozän stammen - also aus der Zeit vor 9500 bis 6200 Jahren - und somit fast 2000 Jahre älter sind als bislang angenommen. Damit handele es sich um den ersten direkten Nachweis von Körben, die von mittelsteinzeitlichen Jäger- und Sammlergesellschaften in Südeuropa hergestellt wurden. Hinzu kämen die jüngeren Gegenstände aus organischen Materialien wie geflochtene Sandalen und ein hölzernes Werkzeug, das an eine Axt oder einen Hammer erinnert.

Technologische Vielfalt

„Die neue Datierung der Esparto-Körbe aus der Cueva de los Murciélagos in Albuñol öffnet ein Fenster zum Verständnis der letzten Jäger-Sammler-Gesellschaften des frühen Holozäns“, fasst Hauptautor Francisco Martínez Sevilla in einer Mitteilung zusammen. „Die Qualität und technologische Komplexität der Korbwaren lässt uns die bisherigen vereinfachenden Annahmen über menschliche Gemeinschaften vor der Ankunft der Landwirtschaft in Südeuropa in Frage stellen“, kommentiert der Archäologe. Mitautorin María Herrero Otal ergänzt: „Die Espartograsobjekte aus der Cueva de los Murciélagos sind die ältesten und am besten erhaltenen Pflanzenfasermaterialien in Südeuropa, die bisher bekannt sind.“ Die hier dokumentierte technologische Vielfalt und Verarbeitung des Rohmaterials legten nahe, dass prähistorische Gemeinschaften diese Art von Handwerk mindestens seit dem Mesolithikum vor 9500 Jahren beherrschten.

Die gleichmäßig geflochtenen Körbe wurden in der trockenen Höhle perfekt konserviert.

© dpa/MUTERMUR Project

Mit der Studie veröffentlichtes Bildmaterial zeigt nicht nur gleichmäßig geflochtene Körbe, sondern auch aus Espartogras (Stipa tenacissima) geflochtene Schuhsohlen, die auf den ersten Blick wie seltsam geformte Untersetzer aussehen. Bei diesen handelt es sich der Studie zufolge um etwa 6000 Jahre alte Sandalen, wobei in der Höhle zwei Typen gefunden wurden: einfache Sandalen und solche mit einem zentralen Kern.

„Während sich für den einfachen Typ keine Hinweise auf „Schnürsenkel“ erhalten haben, könnte beim zentralen Kerntyp eine kleine Gruppe von Fasern, die von der Sohlenbasis ausgehen, zwischen dem ersten und zweiten Zeh platziert worden sein“, heißt es dazu in der Studie. Diese Fasern seien auch mit einem in der Mitte der Sandale befestigten Geflecht verbunden, das um den Knöchel gebunden werden konnte.

Holzkeule und geflochtene Schuhsohlen, die seit 6200 Jahren in der Höhle überdauert haben.

© dpa/MUTERMUR Project

In der Studie vergleicht die Forschungsgruppe die Sandalen auch mit anderem prähistorischem Schuhwerk, darunter den 5500 Jahre alten Lederschuhen, die 2008 in einer Höhle in Armenien gefunden wurden, und den fast ebenso alten sockenähnlichen Schuhen, welche Eismumie „Ötzi“ zu Lebzeiten trug. Diese und andere tausende Jahre alte Sandalen und Schuhe würden sich technisch komplett von den Sandalen aus der spanischen Höhle unterscheiden, die zwar aus Gräsern hergestellt worden seien, wobei aber auch andere Materialien wie Leder, Kalk und Ramie-Bast zum Einsatz kamen.

Die Forschenden stellen in der Studie fest: „Diese Sandalen stellen somit die früheste und umfangreichste Ansammlung prähistorischer Schuhe auf der Iberischen Halbinsel und in Europa dar, die in anderen Breitengraden ihresgleichen sucht.“

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