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Einfach zu behandeln. Gegen den Sandfloh lässt sich Silikonöl wirkungsvoll einsetzen. Die Beschwerden klingen nach dem Bestreichen der betroffenen Stellen mit dem Öl rasch ab.

© Foto: Francis Mutebi

„Schwere gesundheitliche Schäden“: Kleiner Floh, großes Elend

Das Team der Veterinärmedizin der Freien Universität begleitet in Uganda ein Projekt zur Prävention und Heilung der tropischen Hautkrankheit Tungiasis.

Von Catarina Pietschmann

Nomen est omen? Auf den Sandfloh Tunga penetrans trifft dies gleich doppelt zu. Das lediglich ein Millimeter große Weibchen bohrt sich innerhalb weniger Stunden in die Haut seines Opfers und zwar oft an der Fußsohle oder den Zehen. Dort verbleibt es penetrant und gibt, während es das Blut seines Opfers saugt, ständig Speichel ins Gewebe ab. Dabei wächst es unter der Haut auf das 2000- bis 3000-fache seines ursprünglichen Volumens an und produziert permanent Eier. Nach etwa vier Wochen stirbt der Floh und wird durch das Immunsystem des Wirtes eliminiert.

Doch bevor es so weit ist, verursachen die in Ostafrika als „Jiggers“ bekannten Parasiten lokale Entzündungen, einen unerträglichen Juckreiz und starke Schmerzen. Die Betroffenen setzen alles daran, den Plagegeist rasch wieder loszuwerden. Wie eine Zecke mit einer Pinzette herausziehen lässt er sich allerdings nicht. Deshalb wird versucht, das Insekt mit einer in der Regel nicht sterilen, oft weitergereichten Nadel oder mit einem Pflanzendorn aus dem Fuß zu puhlen. Neben der an sich harmlosen Entzündung (Tungiasis) entwickelt sich deshalb nicht selten eine Superinfektion mit Bakterien, wahrscheinlich aber auch mit Tetanuserregern oder Hepatitis- und HI-Viren.

Die Infizierten gelten als verhext oder unrein

Doch damit nicht genug: Die Infizierten sind stark stigmatisiert. „Sie gelten in manchen Regionen als verhext oder unrein und werden gemieden. In manchen Ländern drohte ihnen früher das Gefängnis“, erklärt Professor Georg von Samson-Himmelstjerna vom Institut für Parasitologie und Tropenveterinärmedizin der Freien Universität Berlin. Tungiasis trifft die Ärmsten der Armen und hat in einigen Gebieten im Osten Afrikas epidemische Ausmaße angenommen. „Im Norden Ugandas gibt es Ortschaften, in denen 70 Prozent der Bevölkerung betroffen sind. Trotzdem ist die Krankheit kaum erforscht. Diese Parasitose ist derart vernachlässigt, dass sie es nicht einmal explizit auf die Liste der ‚Vernachlässigten Tropenkrankheiten‘ der Weltgesundheitsorganisation geschafft hat.“

Das muss sich dringend ändern, findet der Tiermediziner, der gemeinsam mit seinem Kollegen Jürgen Krücken seit Langem zu T. penetrans arbeitet. Mit einem sogenannten One-Health-Ansatz – also mit Blick auf Mensch und Tier, denn der Floh befällt Schweine, Hunde und Katzen – haben sie in Partnerschaft mit dem Rotary Club Schwarmstedt Aller-Leine-Tal ein Projekt zur Tungiasis-Kontrolle in Uganda gestartet. Die Spenden diverser lokaler Rotary Clubs, aufgestockt durch ihren globalen Fonds, unterstützen das Vorhaben mit über 100.000 Euro. Zusammen mit dem Projektteam und Veterinärmedizinern der Universität Kampala sind die Forschenden seit dem Sommer in acht Dörfern Ugandas aktiv. Durch Aufklärung und Behandlung der Betroffenen wollen sie dafür sorgen, dass innerhalb von zwei Jahren die Tungiasis dort nachhaltig eingedämmt wird oder sogar verschwindet.

Wenn man weiß, wie es geht, lässt sich der Parasit nämlich ganz einfach vernichten, wie Projektpartner Professor Herrmann Feldmeier von der Charité – Universitätsmedizin Berlin herausfand: Von dem Floh, der kopfüber in der Haut sitzt, ragt eine winzige Körperöffnung nach draußen. Darüber nimmt das Tier zugleich Sauerstoff auf und setzt seine Eier sowie Kot ab. „Wenn man diese Stelle, erkennbar als winziger schwarzer Punkt, mit Silikonöl bestreicht, erstickt der Floh, weil das Öl wegen seiner geringen Oberflächenspannung in die feinen kapillarartigen Kanäle seiner Atemöffnung eindringt“, erklärt Georg von Samson-Himmelstjerna. Aus diesem Grund wird das Mittel, bekannt als Dimeticon, in Deutschland auch millionenfach erfolgreich gegen Kopfläuse eingesetzt.

„Schmerz und Juckreiz verschwinden innerhalb weniger Stunden, und der Parasit wird vom Körper resorbiert. Zurück bleibt letztlich nur eine kleine Narbe. Eine so einfache und zugleich völlig schmerzfreie Behandlung, die sich leicht bei vielen Menschen anwenden lässt, gab es bisher nicht“, betont der Veterinärmediziner. Haushaltsnah lebende Tiere werden von dem Projektteam vor Ort ebenfalls untersucht und bei Befall behandelt.

Die Erkrankten können vor Schmerzen kaum laufen

Es kommt nicht von ungefähr, dass Tungiasis vorrangig Kinder und Jugendliche bis 14 Jahren sowie ältere Menschen befällt. „Denn anders als diese Altersgruppen können sich Erwachsene häufiger Schuhe leisten und sind nicht so viel zu Hause.“ Denn dort, wo sich die Menschen länger aufhalten – an den Liegestätten, unter dem Bett – fallen die Eier zu Boden, und die Larven und Puppen finden sich in großer Zahl.

Damit, dass sich nach Abschluss des Projektes das Wissen darüber wie ein Lauffeuer verbreitet und sich der Parasit eliminieren lässt, rechnet Georg von Samson-Himmelstjerna nicht. „Dazu fehlen einfach die Kommunikationswege.“ Es ist ihm deshalb ein großes Anliegen, die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit auf diese mehr als vernachlässigte Tropenkrankheit zu lenken. Denn in Afrika und Südamerika, wo sie hauptsächlich auftritt, gibt es bislang kaum Programme dagegen. Auch von internationalen Organisationen werde viel zu wenig getan. „Und das, obwohl die Krankheit wirklich eine Plage für die Menschheit ist und für die Ärmsten der Armen schwere gesundheitlichen Schäden und auch Entwicklungsbeeinträchtigungen zur Folge hat.“

Die Kranken können vor Schmerzen kaum laufen, nicht in die Schule gehen oder arbeiten. „Wie bei der Bekämpfung von Polio bedarf es in diesen armen Regionen umfangreicher Mittel, um flächendeckend Kampagnen zu organisieren“, betont von Samson-Himmelstjerna. „Dazu braucht es starken Input von außen, etwa der Weltgesundheitsorganisation, und weltweit agierender finanzkräftiger Förderer.“

Für den Inhalt dieses Beitrags ist die Freie Universität Berlin verantwortlich.

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