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Bundespräsident, Frank-Walter Steinmeier mit seiner Frau Elke Büdenbender zu Besuch der Ausstellung 75 Jahre Potsdamer Konferenz im Schloss Cecilienhof

© Ottmar Winter PNN/Ottmar Winter PNN

Anfeindungen gegen Lehrer in Burg: Bundespräsident Steinmeier ruft zum Einsatz für die Demokratie auf

Die beiden Lehrer einer Oberschule in Burg hatten wegen Hetze gegen sie aus der rechtsradikalen Szene angekündigt, die Bildungsstätte zu verlassen. Die Erschütterung ist regional wie überregional groß.

Nach Bekanntwerden des Weggangs der beiden Lehrer von einer Oberschule in Burg (Spreewald) infolge von Anfeindungen aus der rechtsextremen Szene hat Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier dazu aufgerufen, Demokratieverfechter zu unterstützen. „Wir müssen alles tun für diejenigen, die sich Populismus und Extremismus entgegenstellen und für Toleranz und Demokratie in dieser Gesellschaft eintreten“, sagte er in Werder (Havel) nach einem Besuch des AWO-Seniorenheims. Er hoffe nicht, dass die Rechten vor Ort mit dem Weggang der Lehrkräfte gewonnen hätten.

Zwischen Wahlerfolgen der AfD wie etwa im thüringischen Sonneberg und den Vorfällen in Burg sehe er einen Zusammenhang. Man erkenne, dass die „Segnungen der Demokratie, für die viele Menschen in diesem Lande und auch in der Geschichte der deutschen Demokratie gekämpft haben, nicht überall wertgeschätzt werden“, so Steinmeier. „Deshalb müssen wir mehr dafür tun, Menschen davon zu überzeugen, dass Demokratie nicht vom Himmel gefallen ist, sondern dass Demokratie davon lebt, dass sich Menschen dafür einsetzen.“

Auf die Nachfrage eines Journalisten, ob Steinmeier auch der Bundespräsident der AfD und ihrer Unterstützer sei, antwortete er: „Ich bin der Präsident aller Deutschen und ich werde dafür kämpfen, dass Demokratie in diesem Lande nicht verliert.“ Deswegen trete er unablässig dafür ein, dass Menschen sich für Demokratie, für Weltoffenheit in diesem Land einsetzen.

Anfeindungen gegen Lehrer

Die beiden Lehrer Laura Nickel und Max Teske hatten am Mittwoch dieser Zeitung gesagt, mit Ende des Schuljahres auf eigenen Wunsch an andere Schulen versetzt zu werden. Begründet hatten sie den Schritt mit der belastenden Situation in den vergangenen Wochen und mit Anfeindungen aus der rechtsextremen Szene. Sie waren im April mit einem Brandbrief an die Öffentlichkeit gegangen, um auf täglich auftretende, rechtsextreme Vorfälle an der Oberschule in Burg aufmerksam zu machen. Unter anderem hieß es, Schulmobiliar werde mit Hakenkreuzen beschmiert, rechtsextreme Musik im Unterricht gehört und demokratiefeindliche Parolen über die Schulflure gerufen.

Die Betroffenheit in Brandenburg über ihren Weggang von der Schule in Burg ist groß. Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) forderte, im Kampf gegen Rechtsextremismus nicht nachzulassen. „Allen, die sich mit Engagement und mutig dem Rechtsextremismus entgegenstellen, gilt unsere Unterstützung“, sagte er am Donnerstag. „Ob auf der Straße, in Vereinen, Schulen oder Betrieben: In Brandenburg darf es keinen Ort geben, in denen Rechte Ängste schüren und Andersdenkende vertreiben wollen. Gerade jetzt: Wir brauchen klare Kante gegen Rechtsextremismus.“ Das sei „Heimatschutz für Brandenburg“.

Der Regierungschef verwies darauf, dass 30 Akteure aus Politik, Verwaltung, Wirtschaft und Bürgerschaft am Freitag das „Bündnis für Brandenburg“ von 2015 erneuern wollen. Das Bündnis will für eine stärkere Willkommenskultur für Geflüchtete werben und die Integration voranbringen.

Oppositionsführer und Linken-Fraktionschef Sebastian Walter hält den Fortgang der Lehrer für ein Desaster. „Es ist eine Vollkatastrophe, wenn nicht einmal die, die sich im öffentlichen Dienst, im Staatsdienst für Demokratie einsetzen, geschützt sind“, sagte er PNN und Tagesspiegel.

„Alarmsignal“ an ganze Gesellschaft

Die Grünen-Fraktion im Brandenburger Landtag spricht von einem Alarmsignal. „Es ist erschütternd, dass die beiden mutigen Lehrkräfte sich aufgrund der anhaltenden Anfeindungen gezwungen sehen, die Schule und die Stadt zu verlassen“, teilte die Fraktionsvorsitzende und bildungspolitische Sprecherin der Grünen im Landtag, Petra Budke, am Mittwoch mit. „Das ist ein Alarmsignal an die ganze Gesellschaft.“ Sie ruft unter anderem dazu auf, die Angebote für Demokratieprojekte in Schulen auszubauen.

Auch die SPD-Fraktion im Landtag äußerte sich bestürzt. „Ich bin zutiefst besorgt über die Bedrohung und den Instagram-Aufruf zur ‚Jagd‘ auf die beiden Lehrer in Burg im Landkreis Spree-Neiße“, teilte Ludwig Scheetz, der parlamentarische Geschäftsführer und Sprecher für die Bekämpfung des Rechtsextremismus mit. Er sieht eine neue Dimension erreicht, „wenn Lehrer, die sich mutig gegen Rechtsextremismus, Rassismus und andere Formen der Intoleranz einsetzen, mit solch aggressiven und bedrohlichen Reaktionen konfrontiert werden“. Es sei eine Grenze überschritten und die Antwort des Rechtsstaates müsse unmissverständlich ausfallen. „Es ist verheerend für Brandenburg und schadet allem, was wir mühsam aufgebaut haben“, so Scheetz.

Freiberg verurteilt Drohungen

Bereits am Mittwoch hatte die Linke der Landesregierung eine Mitschuld am Fortgang der Lehrer gegeben. Bildungsminister Steffen Freiberg (SPD) hatte diesen Vorwurf gegenüber dieser Zeitung zurückgewiesen. „Es ist nicht so, dass nichts unternommen wurde“, sagte Freiberg. „Wir haben uns hinter die beiden Kollegen gestellt.“ Es sei wichtig, dass sie auf Missstände hingewiesen hätten, doch auch schwierig, „wenn gesellschaftliche Strömungen in die Mitte der Gesellschaft vorgedrungen sind.“

Am Donnerstag verurteilte er die Anfeindungen gegen die Lehrer. „Dass Beamte oder Angestellte des Landes bedroht werden, ist inakzeptabel“, sagte Freiberg der Deutschen Presse-Agentur. Daher prüfe das Schulamt, bei den Ermittlungsbehörden Strafanzeige gegen unbekannt zu stellen. Der Minister betonte, dass das Schulamt in der Schule sofort tätig geworden sei, nachdem die beiden Lehrkräfte Ende April in einem zunächst anonymen Brandbrief über rechtsextreme Vorfälle an der Schule geklagt hätten.

„Auch ich persönlich habe den Lehrkräften meine Unterstützung angeboten“, sagte Freiberg. Die beiden hätten sich vor ihrer Entscheidung, die Schule zu verlassen zu wollen, in der Sache aber weder an ihn noch an das Schulamt gewandt. Der wachsende Rechtsextremismus sei eine gesamtgesellschaftliche Entwicklung, die auch in die Schulen hinein dränge, sagte der Minister. Dagegen müsse auf allen gesellschaftlichen Ebenen gearbeitet werden.

Vorwürfe gegen Landespolitik

Aber auch aus Sicht des Vereins Opferperspektive in Potsdam wirft der Fall der beiden Lehrer Fragen an die Politik auf. Lokal- und Landespolitik müssten sich die Frage stellen, wieso es nicht gelungen ist, die zwei Lehrer:innen ausreichend zu stärken und zu schützen, sagte Joschka Fröschner vom Verein. Der Weggang der Lehrkräfte sei nicht nur für die Grund- und Oberschule ein „herber Verlust“, sondern auch eine Niederlage für den gesamten Ort. „Denn das Problem, das Burg mit der extremen Rechten hat, verschwindet nicht, wenn niemand mehr da ist, um es zu thematisieren“, so Fröschner. Er spüre keinerlei Konsequenzen in Burg. Vielmehr habe der lokale Amtsdirektor den Wahrheitsgehalt von Meldungen zu rechten Vorfällen sogar angezweifelt. Der Landesregierung wirft er vor, fast zwei Monate gebraucht zu haben, um auf die Lehrer:innen zuzugehen.

Unterdessen ermittelt der Staatsschutz wegen der Anfeindungen gegen die beiden Lehrer. Die Polizei untersucht mehrere Tatvorwürfe im Zusammenhang mit einer Klebeaktion und einem Instagram-Kanal, die sich gegen Laura Nickel und Max Teske richten, wie Ines Filohn, die Sprecherin der Polizeidirektion Süd, dem Tagesspiegel am Donnerstag auf Anfrage mitteilte.

Auf Stickern, von denen laut Polizei circa 30 Stück an Dachrinnen, Fallrohren und dem Gebäude der Burger „Mina-Witkojc“ Schule angebracht wurden, waren am Mittwoch Fotos von Laura Nickel und Max Teske sowie die Aufschrift „pisst Euch nach Berl*in“ zu sehen. Die Polizei prüft, ob die Urheber der Klebeaktion mit den Stickern gegen den Tatbestand der Beleidigung verstoßen haben. Der Staatsschutz ermittle zudem wegen Sachbeschädigung, illegalen Plakatierens und eines Verstoßes gegen das Kunsturhebergesetz, weil die Fotos der Lehrer ohne deren Einwilligung verwendet worden sind.

„Die Schule hat uns gestern gegen 8.40 Uhr informiert“, sagte Ines Filohn auf Nachfrage. Wann genau sie angebracht wurden, sei noch unklar. Der Staatsschutz ermittelt immer dann, wenn ein politisches Motiv dahinterstecken könnte. In diesem Fall geht die Polizei davon aus, dass das Engagement der beiden Lehrer gegen Rechtsextremismus Grund für die Klebeaktion war.

Abseits davon untersucht der Staatsschutz, ob mit einem Instagram-Kanal, auf dem - ebenfalls versehen mit einem Foto der beiden - „Zeckenjagd“ propagiert wurde, der Tatvorwurf des Aufrufs zu Straftaten erfüllt worden ist.

Überdies hatte der Staatsschutz Ermittlungen zu den rechtsextremen Vorfällen an der Burger Schule aufgenommen. Darin seien sowohl Kinder als auch Jugendliche involviert, sagte Polizeisprecherin Ines Filohn auf Nachfrage. „Die Ermittlungen dauern in Teilen noch an.“ Bei noch strafunmündigen Kindern würden Gespräche mit Eltern geführt. Fälle, die strafmündige Jugendliche betreffen, seien teils schon an die Staatsanwaltschaft übergeben worden.

Mit dem Staatsschutz sind unterdessen auch die beiden Lehrer im engen Kontakt, wie sie PNN und Tagesspiegel am Mittwoch sagten. „Sie sind wirklich im engen Austausch und werden betreut“, betonte Sprecherin Filohn. Beide hätten persönliche Ansprechpartner. Wie die beiden geschützt werden, dazu wollte die Sprecherin aus Gründen des Persönlichkeitsschutzes nichts sagen. Beide hatten jedoch angegeben, auch Morddrohungen erhalten zu haben. (mit dpa)

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