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Sie wollen der Linken nicht mehr angehören: Sahra Wagenknecht und ihre Unterstützer:innen in der Bundespressekonferenz.“

© IMAGO/Bernd Elmenthaler/IMAGO/Bernd Elmenthaler

Zukunft der Linken im Bundestag: Das doppelte Spiel der Wagenknecht-Fans

„Politisch tot“ sei die Linken-Fraktion, sagt Dietmar Bartsch. Sahra Wagenknecht und ihre Anhänger wollen in der Fraktion bleiben - während sie eine politische Konkurrenz zu ihr aufbauen.

„Politisch tot“ sei die Linksfraktion im Bundestag, sagt Dietmar Bartsch. Das ist gemünzt auf Sahra Wagenknecht und neun weitere Linken-Abgeordnete, die eine neue Partei gründen wollen. Doch wann wird die Linksfraktion juristisch sterben? Noch im November?

Hierzu könnte am Dienstag eine Vorentscheidung fallen. Dann nämlich wird die Fraktion tagen, erstmals seitdem die Abtrünnigen ihr „Bündnis Sahra Wagenknecht“ (BSW) vorgestellt haben.

Spätestens im kommenden Jahr, voraussichtlich im Januar, wenn die neue Partei Wagenknechts gegründet werden soll, wird die Fraktion ihren Status verlieren. Denn: Einer Fraktion dürfen nur Abgeordnete angehören, „die derselben Partei oder solchen Parteien angehören, die aufgrund gleichgerichteter politischer Ziele in keinem Land miteinander im Wettbewerb stehen“. So legt es die Geschäftsordnung des Bundestages fest.  

Wagenknecht und die neun weiteren Abgeordneten, die ihr folgen, spielen derzeit ein doppeltes Spiel: Sie bereiten die BSW-Gründung vor, wollen also den Linken Stimmen abjagen, mit ihr konkurrieren, haben mit ihrer Partei abgeschlossen. Doch sie wollen nicht nur Abgeordnete bleiben, die auf Linken-Listen gewählt worden sind, sondern zudem weiter der Linken-Bundestagsfraktion angehören - vorerst jedenfalls. Alle zehn Parlamentarier haben bei Bartsch einen Antrag auf Verbleib in der Fraktion gestellt.

Über diese Anträge soll in einer der kommenden Fraktionssitzungen entschieden werden. Ein Ausschluss würde zum Ende der Fraktion führen. Die Linke hat derzeit 38 Abgeordnete. Gehen zwei (oder mehr) von ihnen, ist der Fraktionsstatus futsch. Und mit ihr ein opulenter Fraktionsapparat, Mitarbeiter, Räume, Logistik und parlamentarische Rechte.

„Sicher wird es zeitnah eine abschließende Entscheidung und danach die Liquidation geben, die sich vermutlich über einen längeren Zeitraum erstrecken wird“, sagt Bartsch. Einen Beschluss dazu im November hält er für möglich. Das klingt danach, als spielten die Linken wie ihre Abtrünnigen auf Zeit.

Sobald zwei oder mehr Abgeordnete die Fraktion verlassen, wird diese liquidiert. Damit müssten mehr als 100 Fraktionsmitarbeiter gehen. Je später die Entscheidung fällt, desto später werden die Kündigungen wirksam. Der Patient also stirbt, ist „politisch tot“ (Bartsch), wird aber künstlich am Leben gehalten, um sich die satten Zuschüsse des Staates, des Steuerzahlers zu sichern.

Dietmar Bartsch und Sahra Wagenknecht, ein Bild aus harmonischeren Zeiten.

© imago images/Christian Spicker/Christian Spicker via www.imago-images.de

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Abgeordnete haben die Partei Die Linke verlassen.

Diese Taktik ist umstritten. So fordert der ehemalige Linken-Parteichef Bernd Riexinger eine klare Abgrenzung zum Wagenknecht-Lager. Die Interessen der Fraktions-Mitarbeiter müssten war berücksichtigt werden, doch eine Wiederaufnahme von Wagenkecht und ihren Fans in die Fraktion komme für ihn nicht infrage.

Wir wären gegenüber unseren Mitgliedern und Wähler:innen unglaubwürdig, wenn diese Konkurrenzorganisation in der gleichen Fraktion wäre.

Bernd Riexinger, Bundestagsabgeordneter der Partei die Linke und früherer Parteivorsitzender.

Die Gruppe um Sarah Wagenknecht habe sich entschieden, eine eigene Partei zu gründen. „Wir wären gegenüber unseren Mitgliedern und Wähler:innen unglaubwürdig, wenn diese Konkurrenzorganisation in der gleichen Fraktion wäre“, sagt Riexinger.

Dietmar Bartsch bezeichnet den Schritt einer konkurrierenden Parteigründung und das Festhalten an den Mandaten als unverantwortlich und unsolidarisch. „Da wäre deutlich mehr Demut von den Zehn angebracht. Ich würde ihnen empfehlen, nicht mehr an Fraktionssitzungen teilzunehmen. Einige habe ich allerdings ohnehin dort lange nicht mehr gesehen.“ Dem Vernehmen nach meidet Wagenknecht die Fraktionssitzungen weitgehend. Die letzte Rede im Plenum hielt sie im September 2022. Mehr Zeit hat Wagenknecht für Lesungen aus ihrem Buch „Die Selbstgerechten“. Für das Buch strich sie allein 2022 stolze 720.869 Euro ein.

Es sei keine Überraschung, wer die Linke mit Wagenknecht verlasse, sagte Bartsch dem Tagesspiegel: „Alle aus den westdeutschen Ländern und wohl keiner von ihnen hätte eine Chance auf Wiederwahl auf den Listen der Linken. Das ist kein Zufall.“

Ich würde den Zehn empfehlen, nicht mehr an Fraktionssitzungen teilzunehmen. Einige habe ich allerdings ohnehin dort lange nicht mehr gesehen.

Dietmar Bartsch, Fraktionschef der Linken im Bundestag.

Gut möglich, dass Bartsch, Wagenknecht und alle anderen 34 über Linken-Listen gewählten Abgeordneten demnächst ihr Mandat verlieren. Wegen Unregelmäßigkeiten muss die Bundestagswahl zumindest in Teilen Berlins wiederholt werden. Ein Karlsruher Urteil wird dazu erwartet. Sollte infolge dieser Nachwahl Gesine Lötzsch in Berlin-Lichtenberg ihr Direktmandat verlieren, fielen alle Listen-Abgeordneten weg. Dann säßen nur noch Sören Pellmann (Direktmandat Leipzig) und Gregor Gysi (Direktmandat Berlin Treptow-Köpenick) für die Linke im Parlament.

Derweil muss sich die parteinahe Rosa-Luxemburg-Stiftung nur bedingt Sorgen machen: „Die Höhe der jährlich zur Verfügung stehenden Mittel ist durch einen Verteilungsschlüssel festgelegt, der sich anhand der Ergebnisse der letzten vier Bundestagswahlen errechnet“, sagte Kristina Weissenbach, Professorin mit dem Schwerpunkt Stiftungsforschung und Bildung neuer Parteien an der NRW School of Governance, dem Tagesspiegel.

„Sollte die Partei Die Linke nicht mehr im Bundestag vertreten sein, hätte dies also nicht unmittelbar, sondern mit Verzug Finanzierungskonsequenzen für die Rosa-Luxemburg-Stiftung.“

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