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Selbst der Großteil der demokratischen Wähler hält Joe Biden für zu alt, um noch einmal für das Präsidentenamt zu kandidieren.

© Imago/Chris Kleponis

Von Teuerung bis Trump: Die sieben größten Baustellen von US-Präsident Biden

Vor den Kongresswahlen im November steht Joe Biden unter Druck. Das hat auch damit zu tun, dass sein Vorgänger die Republikaner weiterhin fest im Griff hat.

Sommerpausen gibt es nicht, schon gar nicht in einem Wahljahr. Für US-Präsident Joe Biden gilt das ganz besonders in diesem Jahr, in dem im November über die Mehrheiten im Kongress entschieden werden. Ein Überblick über seine größten Baustellen.

1. Inflation und Sorge vor einer Rezession

Die gute Nachricht, die das Weiße Haus immer wieder unters Volk bringt, lautet: Der Benzinpreis an Amerikas Tankstellen ist deutlich gefallen, wie Biden unter anderem bei seiner Nahost-Reise und bei einem Besuch seines mexikanischen Amtskollegen Andrés Manuel López Obrador verkündete.

Nachdem eine Gallone (3,785 Liter) im Juni im Großraum Washington noch mehr als fünf Dollar gekostet hat, geht es seitdem stetig nach unten. Derzeit ist Normalbenzin etwa einen Dollar günstiger. Die schlechte Nachricht ist, dass eine Gallone vor einem Jahr noch um die zwei Dollar gekostet hat.

Die wenigsten Amerikaner werden das bereits vergessen haben, auch wenn der Krieg in der Ukraine an der Preisentwicklung großen Anteil hat. Und die „New York Times“ mahnt, diese Entwicklung müsse nicht von Dauer sein.

Nicht ausgeschlossen haben demnach die Ökonomen im Weißen Haus, dass der Benzinpreis bald auf sieben Dollar die Gallone steigt. Sollte das noch vor den Kongresswahlen im November der Fall sein, wären das Horrornachrichten für die Demokraten.

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Bei der Inflationsrate muss das Weiße Haus ohnehin noch auf die Trendwende warten. Der jüngst vermeldete Anstieg um 9,1 Prozent, der höchste Stand seit November 1981, hat offenbar auch der US- Notenbank einen Schrecken eingejagt. Am Mittwoch erhöhte sie den Leitzins deutlich um 0,75 Prozentpunkte, bereits die vierte Erhöhung in diesem Jahr.

Die Gefahr dabei: Wird das Wirtschaftswachstum zu stark ausgebremst, droht eine Rezession. Erhöhungen des Leitzinses durch die Notenbank verteuern Kredite und bremsen die Nachfrage. Das hilft dabei, die Inflationsrate zu senken, schwächt aber das Wirtschaftswachstum.

Düstere Aussichten: Der US-Leitzins steigt um 0,75 Prozentpunkte.
Düstere Aussichten: Der US-Leitzins steigt um 0,75 Prozentpunkte.

© Brendan McDermid/Reuters

Nach den am Donnerstag vorgelegten neuen Wirtschaftsdaten schrumpfte die US-Wirtschaft im zweiten Quartal erneut – Ökonomen sprechen von einer technischen Rezession, wenn die Wirtschaftsleistung wie jetzt zwei Quartale hintereinander zurückgeht. Aber die Regierung versucht, das Gerede über eine Rezession im Keim zu ersticken. Finanzministerin Janet Yellen erklärte, der Arbeitsmarkt sei nach wie vor außergewöhnlich stark.

Auch gebe es keinen „signifikanten Anstieg von Unternehmensinsolvenzen die typischen Arten von Notlagen, die wir mit dem Wort Rezession verbinden“. Die Verlangsamung des Wirtschaftswachstums sei zu erwarten gewesen, bedenke man, wie schnell die Wirtschaft gewachsen sei, als sie sich von der Pandemie und den Arbeitsplatzverlusten erholt habe. Die Republikaner sehen das anders und schlachten das Thema für sich aus.

2. Bidens (Umfrage-)Schwäche

Meinungsforscher haben dem Präsidenten schon länger keine Freude mehr bereitet. Auch in einer neuen Umfrage von CNN erklären 75 Prozent der demokratischen Wähler, dass sie bei der nächsten Wahl einen anderen Kandidaten dem Amtsinhaber vorziehen würden.

Der Hauptgrund ist demnach, dass die Wahl erst Ende 2024 ist – Biden wäre zu Beginn einer zweiten Amtszeit 82 Jahre alt. Spekulationen, ob er noch fit genug ist, haben mit seiner Corona-Erkrankung neue Nahrung bekommen.

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Zwar zeigte er sich nach überstandener Infektion bereits am Mittwoch wieder persönlich, doch aufgrund eines positiven Tests musste er sich am Samstag erneut in die Isolation zurückziehen. Es gebe aber kein Grund zur Sorge, der Präsident fühle sich weiterhin „ziemlich gut“, teilte sein Arzt Kevin O’Connor mit. Verantwortlich sei der „Rebound-Effekt“, der nach einer Behandlung mit dem Covid-Medikament Paxlovid auftreten kann.

Bei allen Überlegungen über eine Alternative bleibt die Frage, wer eine Partei mit so unterschiedlichen Flügeln wie die Demokraten zusammenhalten könnte.

3. Das mögliche Trump-Comeback

Ob Ex-Präsident Donald Trump es nochmal wissen will, ist wohl keine Frage mehr. An seinem Vorhaben und der Unterstützung durch die republikanische Basis können bisher auch atemberaubende Enthüllungen im Untersuchungsausschuss zum 6. Januar nichts ändern.

Donald Trump, ehemaliger US-Präsident
Donald Trump, ehemaliger US-Präsident

© Imago/UPI Photo

Aber jetzt hat Justizminister Merrick Garland in der vergangenen Woche in einem Interview erklärt: „Wir werden Gerechtigkeit suchen, ohne Furcht oder Rücksichtnahme.“ Alle, die im strafrechtlichen Sinne für den Angriff auf das Kapitol verantwortlich seien, würden zur Rechenschaft gezogen.

„Das ist es, was wir machen. Wir interessieren uns nicht dafür, was sonst noch passiert“, sagte der Justizminister dem Sender NBC News. Offiziell wurden noch keine Ermittlungen verkündet. Aber der „Washington Post“ zufolge beschäftigt sich das Justizministerium bereits mit Trumps Verhalten am 6. Januar.

[Lesen Sie auch: Trump-Comeback trotz Lügen, Putsch, Verrat: Alles Wurst in den USA? (T+)]

Einer, der sich nach dem 6. Januar von Trump abgewendet hat, ist dessen ehemaliger Vizepräsident Mike Pence. Doch obwohl immer klarer wird, wie groß die Gefahr für sein Leben während des Angriffs auf das US-Kapitol war, und obwohl er selbst ebenfalls eine Präsidentschaftskandidatur ernsthaft in Betracht zieht, traut sich Pence weiterhin nicht, Trump öffentlich als Gefahr für die amerikanische Demokratie zu beschreiben.

Pence verhält sich in diesem Punkt genau so wie viele andere in der Republikanischen Partei. Dass Trump seine Partei weiterhin fest im Griff hat, spiegelt sich auch auf dem Capitol Hill.

4. Der blockierte Kongress

Die Demokraten haben es mit ihren knappen Mehrheiten sehr schwer, überhaupt noch Gesetze durchzubringen. So spricht wenig dafür, dass in dieser Legislaturperiode eine bedeutsame Wahlrechtsreform kommt oder das vom Supreme Court gekippte Grundsatzurteil zum bundesweiten Abtreibungsrecht durch ein Gesetz aufgefangen wird. Auch Bidens ehrgeiziges Sozial- und Klimapaket („Build Back Better“) war gescheitert, da neben der Republikanischen Partei auch der moderate demokratische Senator Joe Manchin angesichts der hohen Inflation nicht mitziehen wollte.

Aber am vergangenen Mittwoch einigte sich eine Senatoren-Gruppe um den demokratischen Mehrheitsführer Chuck Schumer und Manchin überraschend auf eine 670 Milliarden Dollar umfassende Investition für den Gesundheits- und Energiebereich, die „vollständig durch die Schließung von Steuerschlupflöchern für wohlhabende Privatpersonen und Unternehmen finanziert“ würde, wie es in einer gemeinsamen Mitteilung hieß.

Der US-Kongress in Washington
Der US-Kongress in Washington

© AFP

Manchin, der sich von Biden auch nicht hatte überzeugen lassen, als der Präsident seinen Plan drastisch herunterkürzte, erklärte nun: „Build Back Better ist tot.“

Das neue Paket umfasst nur einen Bruchteil dessen, was Biden ursprünglich in Klima und Soziales investieren wollte. Der Präsident erklärte trotzdem, er unterstütze die Einigung. Sollte das Gesetz verabschiedet werden, sei es von „historischer Bedeutung“.

Noch ist unklar, wie die demokratische Senatorin aus Arizona, Kyrsten Sinema, abstimmen wird – und da jede einzelne Stimme gebraucht wird, könnte sie über das Paket entscheiden. Aber die Demokraten sind vorsichtig optimistisch.

5. Das Problem der Impfmüdigkeit

Biden war angetreten, die Pandemie zu beenden. Nachdem Trump vor allem in der Anfangszeit chaotisch agiert hatte und sich Teile der Republikanischen Partei zu radikalen Impfgegnern entwickelten, wollten viele Amerikaner daran nur allzu gerne glauben.

Aber auch Biden tut sich schwer mit der Impfmüdigkeit vieler seiner Landsleute. Bei seinem Auftritt am Mittwoch betonte er, wie wichtig Impfungen seien. „Meine Symptome waren mild. Ich habe mich schnell erholt und mir geht es prima.“

Als sich Trump im Oktober 2020 ansteckte, habe der mit dem Hubschrauber ins Walter-Reed-Krankenhaus gebracht werden müssen. „Als ich Covid bekam, habe ich von der oberen Etage im Weißen Haus weitergearbeitet.“

Der 79-Jährige war am vergangenen Donnerstag positiv getestet worden. Da hatte er eine heisere Stimme und erklärte, er fühle sich sich müde. Nach Angaben seines Arztes wurde er mit dem Covid-Medikament Paxlovid behandelt.

Die Corona-Pandemie sei aber noch nicht vorbei, sagte Biden weiter. Das Virus sei auch nach zweieinhalb Jahren immer noch da. „Aber der Kampf gegen das Virus ist jetzt ein anderer.“

Er rief die Amerikaner auf, sich erneut impfen zu lassen, Selbsttests zu machen und bei einer Erkrankung auf Paxlovid zurückzugreifen.“ Vielleicht, so hofft das Weiße Haus, hilft seine eigene Erkrankung dabei, der Impfkampagne neuen Schwung zu verleihen.

6. Die Lage an der Grenze und die Kriminalität in den Städten

Die Zahl der Menschen, die über Mexiko in die USA gelangen wollen, ist weiter auf Rekordniveau. Sie kommen inzwischen auch aus deutlich weiter entfernten Ländern als bisher. Der Sender CNN zitiert einen Grenzbeamten aus Yuma damit, dass Menschen aus mehr als 100 Ländern an der Südgrenze stranden.

Die Biden-Regierung hat versprochen, eine humanere Einwanderungspolitik zu machen. Aber auch sie kämpft mit der schieren Zahl an Migrationswilligen.

Ein US-Grenzpolizist stoppt Flüchtlinge aus Mexiko.
Ein US-Grenzpolizist stoppt Flüchtlinge aus Mexiko.

© AFP

Die Republikaner lieben dieses Dilemma der Demokraten, ganz besonders gilt das für Trump. Bei seinem Auftritt am Dienstag in Washington verband er das Problem vieler US-Städte mit der grassierenden Kriminalität und das Migrationsthema. „Andere Länder leeren ihre Gefängnisse und schicken ihre Kriminellen zu uns. Wir sind wie ein Müllhaufen. Wir sind ein Kriegsgebiet“, behauptete er.

Die Demokraten wissen, wie gefährlich ihnen „Law and order“-Themen werden können. Daher sprach Biden bei seinem Treffen mit dem mexikanischen Präsidenten am 12. Juli über eine stärkere Kooperation – auch bei der Grenzsicherheit.

Obrador sagte zu, 1,5 Milliarden Dollar in „smarte Grenztechnologie“ zu investieren. Bei dem linken Flügel der Demokraten kam das gar nicht gut an, hier war von einer „Militarisierung der Grenze“ die Rede.

7. Die Angst vor einer zweifachen Krise

Seit Russland Ende Februar die Ukraine überfallen hat, wird befürchtet, dass China Ähnliches mit dem freiheitlichen Taiwan vorhaben könnte. Die kommunistische Führung betrachtet das freiheitliche Taiwan als Teil der Volksrepublik, droht mit der „Wiedervereinigung“ und versucht, es international weitgehend isolieren. Hingegen sehen sich die 23 Millionen Einwohner der Inselrepublik als unabhängig an.

Die US-Regierung will vermeiden, dass die Spannungen gerade jetzt zunehmen, wenn die Konfrontation mit Russland größtmögliche Aufmerksamkeit erfordert – und hadert deshalb unter anderem mit der Absicht der obersten Demokratin im Kongress, Nancy Pelosi, nach Taiwan zu reisen.

Ein Besuch der Inselrepublik durch die amerikanische Nummer Drei wäre eine äußerst heikle Angelegenheit. Zu Beginn ihrer Reise hatte sie am Sonntag lediglich Stationen in Singapur, Malaysia, Südkorea und Japan angekündigt.

Am Montag meldeten taiwanesische Medien, Pelosi werde tatsächlich am Dienstagabend in Taiwan landen. CNN bestätigte, ein nicht namentlich zitierter taiwanesischer Beamte habe gesagt, Pelosi wolle über Nacht in Taiwan bleiben.

China nahm den Beginn von Pelosis Reise schon mal zum Anlass für weitere Drohgebärden. Am Samstag hielt das chinesische Militär in der Nähe Taiwans Manöver mit scharfer Munition ab.

Wie die Behörden mitteilten, wurden Teile der Gewässer vor der Provinz Fujian gesperrt. Das Gebiet liegt im Norden der Taiwanstraße, die das chinesische Festland und die Inselrepublik Taiwan trennt. Die Luftwaffe flog zudem Patrouillen nahe Taiwan.

Am Montag erklärte der Chinas Außenamtssprecher Zhao Lijian bei einer Pressekonferenz in Peking: Eine Visite Pelosis in Taiwan wäre „eine krasse Einmischung in Chinas innere Angelegenheiten“.

Die USA haben sich der „Verteidigungsfähigkeit“ Taiwans verpflichtet, was sich bislang vor allem in Waffenlieferungen ausdrückt. Damit soll verhindert werden, dass Peking es wagt, Taiwan anzugreifen, ohne dass dass Washington konkret aussprict, was in diesem Fall geschehen würde – oder was nicht.

Allerdings warnte Biden China im Mai überraschend deutlich vor einem Angriff auf Taiwan. Die USA hätten eine „Verpflichtung“, Taiwan zu verteidigen, sagte er da.

China habe kein Recht, sich Taiwan mit Gewalt einzuverleiben. Bei einem Telefonat am vergangenen Donnerstag habe er dem chinesischen Staats- und Parteichef Xi Jinping gesagt, dass sich daran nichts geändert habe, erklärte das Weiße Haus im Anschluss.

Chinas Führung wiederum empfindet Besuche ausländischer Politiker in Taiwan als Provokation. Laut der „Ein-China-Doktrin“ darf ein Land keine diplomatischen und andere offizielle Beziehungen zu der Inselrepublik unterhalten, wenn es ein normales Verhältnis zur Volksrepublik pflegen will.

Tatsächlich haben die meisten Staaten keine Botschaft in Taiwan. Wie die USA unterhält auch Deutschland nur eine inoffizielle Vertretung in der Hauptstadt Taipeh.

Für den Fall eines Taiwan-Besuchs von Pelosi hatte Peking mit schweren Konsequenzen gedroht. Xi warnte Biden am Donnerstag: „Wer mit dem Feuer spielt, wird sich verbrennen.“

Biden selbst hatte durchscheinen lassen, dass er einen Taiwan-Besuch Pelosis in der derzeitigen angespannten Lage als problematisch empfindet. „Ich glaube, das Militär hält es im Moment für keine gute Idee“, erklärte er in der vergangenen Woche. Untersagen konnte der Präsident der Sprecherin die Reise indes nicht

Derweil muss Biden alles dafür tun, dass sein Land nicht das Interesse an der Ukraine verliert. Noch stehen Demokraten und auch die Republikaner in weiten Teilen hinter der amerikanischen Außenpolitik im Umgang mit Russland. Aber auch hier könnte ein anziehender Wahlkampf große Probleme verursachen.

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