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Die Regierungsfraktionen von SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP enthalten sich nach der Debatte über die Einsetzung eines Cum-Ex-Untersuchungsausschusses in der Plenarsitzung im Deutschen Bundestag.

© dpa/Bernd von Jutrczenka

Ohne Fraktionszwang: Bundestag entscheidet über Sterbehilfe – zwei Vorschläge stehen zur Debatte

Drei Jahre nach einem Grundsatzurteil des Verfassungsgerichts entscheidet der Bundestag über mögliche Regeln für einen assistierten Suizid.

Vor der Bundestagsabstimmung zu einer möglichen Neuregelung der Sterbehilfe in Deutschland haben Initiatoren der beiden unterschiedlichen Vorschläge noch einmal um Unterstützung geworben. Der SPD-Abgeordnete Lars Castellucci sagte dem Nachrichtenportal „t-online“, dass die Hilfe beim Suizid erlaubt bleiben werde, sich aber niemand zu einem assistierten Suizid gedrängt fühlen solle, weil andere Hilfe nicht erreichbar ist. Die Grünen-Abgeordnete Renate Künast sagte, es brauche Schutzregeln und keine neuen Strafregeln.

Dem Parlament liegen für die Abstimmung am Donnerstagvormittag in Berlin zwei Gesetzentwürfe vor, die jeweils von Abgeordneten mehrerer Fraktionen unterstützt werden.

  • Der Vorschlag der Gruppe um Castellucci und Ansgar Heveling (CDU) will eine psychiatrische oder psychotherapeutische Begutachtung zur Voraussetzung für eine straffreie Abgabe tödlich wirkender Mittel machen.
  • Der Vorschlag einer anderen Gruppe um Katrin Helling-Plahr (FDP) und Künast sieht als Bedingung im Wesentlichen eine Beratung vor. Dazu soll ein bundesweites Beratungsnetz entstehen.

Die Abstimmung über die Gesetzentwürfe erfolgt ohne Fraktionszwang. Beide Gruppen haben ähnlich viele Unterstützer. Bei vielen Abgeordneten ist aber unbekannt, wie sie abstimmen werden. Möglich ist auch, dass beide Gesetzentwürfe scheitern. Dann bliebe es bei der derzeitigen Rechtslage.

Das Bundesverfassungsgericht hatte 2020 das vor allem auf private Sterbehilfeorganisationen zielende Verbot organisierter Hilfe bei der Selbsttötung gekippt. Seitdem wird um eine neue Regelung gerungen, die das Selbstbestimmungsrecht Sterbewilliger nicht beschneidet, gleichzeitig aber sicherstellt, dass Menschen aus freiem Willen die Entscheidung treffen und alternative Hilfsangebote bekommen.

Castellucci sagte dem Nachrichtenportal „t-online“, der Zugang zu einem todbringenden Medikament sei derzeit nicht geregelt, und Menschen, vor allem verletzlichere Gruppen, seien möglichem Missbrauch schutzlos ausgesetzt. „So kann es nicht bleiben“, forderte er.

Künast sagte, der von ihr unterstützte Entwurf habe viel Zuspruch erfahren, sowohl von Ethikern und Rechtsanwälten, als auch von Schmerzmedizinern. Den Einwand von Patientenschützern, dass ein Gesetz den organisierten Suizid fördern könnte, könne sie nicht nachvollziehen: „Seit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts ist die Realität: Sterbehilfe findet statt“, sagte Künast „t-online“.

Diakoniepräsident Ulrich Lilie kritisierte den Zeitplan des Parlaments. „Die bisherige Debatte hat zuallererst die bestehenden blinden Flecken bei der Prävention und der Versorgung sichtbar gemacht“, sagte er der „Augsburger Allgemeinen“ (Donnerstag). Ein Suizidpräventionsgesetz müsse Vorrang haben vor denkbaren Regelungen zum assistierten Suizid.

„Bei einer gesetzlichen Regelung des assistierten Suizids sollten Selbstbestimmung und Lebensschutz gut ausbalanciert werden“, sagte der Diakonie-Chef: „Menschen mit Suizidwünschen müssen ernst genommen und angenommen werden. Andererseits darf eine gesetzliche Regelung - auch nicht unbeabsichtigt - durch legalisierte Verfahren zu einer Normalisierung des assistierten Suizids führen.“ Beide Gesetzentwürfe würfen hier jedoch noch erhebliche ethische und praktische Fragen auf.

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