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Ein Pfleger hält im Alten-und Pflegeheim Joachim-Neander-Haus der Diakonie in Düsseldorf die Hand einer Bewohnerin.

© dpa/Oliver Berg/Bearbeitung: Tagesspiegel

Drei Experten antworten: Wird Suizidassistenz nun klar geregelt?

Das Parlament beschäftigt sich mit verschiedenen Ansätzen zum rechtlichen Umgang mit der Suizidhilfe und dem selbstbestimmten Sterben.

Der Bundestag will am Donnerstag, 6. Juli 2023, über eine Neuregelung der Suizidhilfe entscheiden. Zur namentlichen Abstimmung stehen nunmehr zwei Gesetzentwürfe von fraktionsübergreifenden Gruppen, die am Mittwoch, 5. Juli, den federführenden Rechtsausschuss passierten.

Zwei der ursprünglich drei eingebrachten Entwürfe (20/2332, 20/2293) legte der Ausschuss auf Antrag der beiden Gruppen zusammen. Der dritte Entwurf (20/904) passierte das Gremium in geänderter Fassung. Wird Suizidassistenz nun klar geregelt? In unserer Serie „3 auf 1“ diskutieren drei Expert:innen diese Frage. Alle Folgen von „3 auf 1“ finden Sie hier.


Eine Beratung auf Augenhöhe

Sterbehilfe findet seit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts von 2020 statt. Jedoch gibt es keinen verlässlichen Rahmen für Mediziner, die assistieren wollen und es gibt kein Verfahren, das einen zumutbaren Weg zu einem geeigneten Suizidmittel festlegt. Mit unserem Gesetzentwurf stellen wir sicher, dass der Zugang zu Hilfe nicht vom Portemonnaie der Person abhängig ist und dass Helfende nicht mit einem Bein im Strafverfahren stehen. Mit einer Härtefall-Klausel regulieren wir den Weg für Menschen in einer Situation von existenziellem Leid, die ihren Ausweg selbst bestimmen möchten.

Niemand soll bei einem Suizidwunsch allein gelassen werden. Deshalb möchten wir ein Beratungsangebot schaffen, an das sich jeder kostenlos wenden kann. Es wird in diesem Rahmen über die Möglichkeit zum Suizid, aber auch über die Alternativen hierzu aufgeklärt. Eine Beratung auf Augenhöhe setzt voraus, dass ein Suizidwunsch am Ende des Verfahrens auch erfüllt werden kann. Man muss die Tür zur Beratung weit genug öffnen, damit die Menschen sich auch trauen hinzugehen. So sichern wir Selbstbestimmung, schützen aber auch.


Ein „unzumutbares Spießrutenlaufen“

Suizidbeihilfe, zumal für Menschen mit aussichtsloser Erkrankung, die einen reflektierten, festen und zeitkonstanten Suizidwillen haben, halte ich persönlich nicht allein für gerechtfertigt, sondern unter Umständen sogar für geboten. Voraussetzung ist, dass sie über alle Alternativen (Pall.-Medizin, Hospiz, psych. Hilfen) aufgeklärt sind, sie jedoch aus überzeugenden Gründen ablehnen. Dies bedarf eines Dialogs, der in den Intimraum von Patient und seinem Arzt gehört, der bei Zweifeln an der Freiverantwortlichkeit einen Psychiater hinzuzuziehen hat.

Zu einer gesetzlichen Neuregelung für den 2020 für „nichtig“ erklärten § 217 StGB hatte das BVerfG den Gesetzgeber weder verpflichtet noch aufgefordert. Die Sicherung der Freiverantwortlichkeit eines Suizidwilligen – und allein darum geht es bei den vorliegenden beiden Gesetzentwürfen – ist allein durch die bestehenden Strafgesetze gewährleistet. Denn: Wer einem nicht frei verantwortlichen, also vulnerablen Menschen Suizidbeihilfe leistet – ob Arzt oder Nahestehender – begeht eine Tötung in mittelbarer Täterschaft, die mit u.U. hohen Haftstrafen geahndet wird. Schon aus Gründen des Selbstschutzes also war und ist missbräuchliche Suizidhilfe so gut wie ausgeschlossen.

Beide Gesetzentwürfe nötigen – in unterschiedlichem Ausmaß – einem frei verantwortlichen Sterbewilligen ein unzumutbares Spießrutenlaufen (Beratungspflicht, Wartezeiten u. a.) auf, das von vielen als würdelos empfunden wird. Die Folgen sind absehbar: neue Klagen vor dem BVerfG, mehr „Sterbehilfetourismus“ in die Schweiz und mehr „Brutalsuizide“. Eben dies aber gilt es zu verhindern.


Ein ethisches Dilemma

Jetzt wird sich zeigen, ob die zu entscheidenden Suizidhilfe-Regelungen eine Mehrheit des Parlaments überzeugen können. Im Kern setzen beide Vorschläge auf Pflichtberatungen. So soll die Selbstbestimmung Sterbewilliger geschützt werden. Daran bestehen jedoch erhebliche Zweifel. Denn für die Ermittlung des selbstbestimmten Willens kann es keine allgemeingültigen Kategorien geben. Darüber hinaus geht es nicht nur um die Sorgen Sterbenskranker, sondern auch um lebenssatte, psychisch kranke und depressive Menschen.

Ebenso muss klar sein, dass mit solchen Regelungen harte Suizide nicht verhindert werden können. Wenn die Abgeordneten dieses ethische Dilemma erkennen, kann es nur ein Nein bei den Abstimmungen geben. Diese Ablehnung bedeutet keinesfalls ein Verbot der Beihilfe zur Selbsttötung. Vielmehr hat der Sterbehelfer selbst strafrechtlich im Fokus zu stehen. Er muss verantworten, dass der Suizidwunsch selbstbestimmt zustande gekommen ist. Ebenso gilt es, die Suizidprävention zu stärken.

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