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Sahra Wagenknecht.

© dpa/Soeren Stache

Mohring will Gespräche nicht ausschließen: Wagenknecht macht der Ost-CDU Avancen – was sagt die dazu?

Sahra Wagenknecht kann sich eine Koalition mit der CDU grundsätzlich vorstellen. Die verfahrene Lage in den Ost-Ländern könnte Möglichkeiten dafür eröffnen.

Sahra Wagenknecht weiß, wie sie sich im Gespräch hält. Die eigene Partei ist noch nicht einmal gegründet, schon macht sich die 54-jährige Politikerin laut Gedanken über mögliche Bündnispartner nach den Landtagswahlen kommendes Jahr im Osten. Die Ex-Linke Wagenknecht hat ausgerechnet Deutschlands Konservative im Sinn. Seither beschäftigt das Thema die CDU – vor allem in den drei Landesverbänden, in denen im Herbst 2024 gewählt wird, und bis hinauf in die Bundesspitze.

Einer in der Partei, der wenig davon hält, mögliche Bündnisse schon vor Wahlen auszuschließen, ist der frühere Landesvorsitzender der CDU in Thüringen, Mike Mohring. Er verweist auf eine Umfrage aus dem Sommer, die die noch imaginäre Wagenknecht-Partei schon vor Monaten direkt auf Platz 1 der Wählergunst verortete. „Das zeigt vor allem, dass die Menschen auf der Suche nach etwas Neuem jenseits aller im Landtag vertretenen Parteien von links bis rechts sind – insofern muss sich auch die CDU in acht nehmen“, sagte Mohring dem Tagesspiegel am Donnerstag

Mohring hält wenig vom Ausschließen von Gesprächen zwischen Parteien

Auch Mohring weiß, dass die inhaltlichen Positionen Wagenknechts und die seiner Partei bisher meilenweit auseinander liegen. Das Bundesvorstandsmitglied Mohring hat die Bundespartei immer wieder gebeten, trotz anderslautender Beschlusslage den Weg für Gespräche mit der Linkspartei von Ministerpräsident Bodo Ramelow freizugeben.

Im Fall Wagenknecht würde er es genauso halten, noch sei schließlich „völlig unklar“, ob Wagenknechts Positionen in der Partei verändert würden. „Ich würde jedenfalls raten, nicht schon wieder von vornherein jegliches Wort zueinander ausschließen“, so Mohring: „Die Mehrheit der Wähler in Thüringen will diese Debatten unter den Parteien erleben.“

Mike Mohring führte lange Jahre die CDU in Thüringen. Er spricht sich gegen Sprechverbote mit anderen Parteien aus.

© AFP/Jens Schlueter

Ebenfalls im Herbst wird in Brandenburg gewählt. Dort ist die Parteienlandschaft aber längst nicht so fragmentiert wie in Thüringen – und die CDU entsprechend zurückhaltender. „Sahra Wagenknecht steht immer noch für Sozialismus. Mir fehlt bislang die Fantasie für echte Gemeinsamkeiten mit der CDU“, sagte der Generalsekretär der brandenburgischen CDU, Gordon Hoffmann, dem Tagesspiegel. Natürlich habe man Gemeinsamkeiten beim Thema Migration. „Aber das reicht insgesamt nicht.“

Es sei ohnehin fraglich, ob die Partei von Wagenknecht überhaupt ein Angebot für die Landtagswahl im nächsten Jahr hinbekomme, meint Hoffmann – und wer dort für sie antrete. „Mit ehemaligen Stasi-Leuten kann es für uns keine Gespräche geben“, sagte Hoffmann.

Ähnlich kritisch sieht man Wagenknechts Avancen in der sächsischen CDU: Keine Personen, kein Programm – wie solle man das seriös bewerten? Offiziell will lieber niemand aus der Parteiführung sprechen. Allerdings, auch das klingt durch, von weiteren Unvereinbarkeitsbeschlüssen – ähnlich zur AfD oder Linken – redet in der Ost-CDU niemand.

Merz will sich lieber gar nicht erst zu Wagenknecht äußern

Der CDU-Parteivorsitzende Friedrich Merz stört die Debatte schon jetzt. Die am Montag mit viel Tamtam aus der Linken ausgetretene Politikerin bekommt ohnehin zu viel Aufmerksamkeit, glaubt man im Präsidium der Partei. Medienanfragen dazu, ob Friedrich Merz nicht Wagenknechts Offerte kommentieren wollten, werden abgelehnt. Im CDU-Präsidium am Mittwoch war das „Bündnis Sahra Wagenknecht“ – bisher nur ein Verein – trotzdem Thema. Die Meinungsforscherin Renate Köcher vom Institut für Demoskopie Allensbach war zugeschaltet und hatte beste, noch unveröffentlichte Zahlen für die Union im Gepäck. In den kommenden Wochen will sie ihr erste belastbare Daten über Wagenknechts Wählerpotenzial liefern.

Vize-Fraktionschef der Union und stellvertretender Bundesvorsitzender seiner Partei: Andreas Jung. Er sieht keine Schnittmengen mit Wagenknecht.

© picture alliance/dpa

Zukunftsmusik ist also, wie der Umgang der Christdemokraten mit der neuen Partei aussehen wird. So ist zu hören, dass sich die CDU erst beim Bundesparteitag im Mai mit einem etwaigen Unvereinbarkeitsbeschluss befassen will. Andreas Jung, einer der stellvertretenden Vorsitzenden, sagte dem Tagesspiegel: „Für voreilige Beschlüsse zu der noch gar nicht gegründeten Partei gibt es keinerlei Anlass.“ Jung lässt aber keinen Zweifel daran, wohin die Reise diesbezüglich einmal gehen könnte.

„Was an Programmatik bruchstückhaft bekannt ist, widerspricht in Kernfragen der Außen- und Innenpolitik diametral unserer Haltung“, sagt Jung: „Wir sind proeuropäisch und transatlantisch, Wagenknecht dagegen will dagegen ganz im Sinne Moskaus die EU und die NATO schwächen. Wir setzen auf die soziale Marktwirtschaft, Wagenknecht verfolgt bei Wirtschaft und Wohnungsbau ihre sozialistische Linie.“ Zumindest, was die Russlandpolitik angeht, dürften das nicht alle in den Ost-Verbänden der Partei so sehen.

Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmers Foto auf der Couch von Wladimir Putin 2021 kennt jeder. Kretschmer kämpft seither für mehr Diplomatie mit Russland, für einen Abbau von Sanktionen und den Wiederaufbau der zerstörten Ostseepipeline Nord Stream 1. Sahra Wagenknecht selbst wiederum orientiert sich, man kann es in ihren Büchern nachlesen, längst eher an Ludwig Erhard, dem großen CDU-Mann, als am „real existierenden Sozialismus“, in den sie einst hinein geboren wurde.

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