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Der Thüringer CDU-Landeschef Mario Voigt (rechts) und sein Vorvorgänger Mike Mohring blicken durchaus unterschiedlich auf die Optionen nach der Wahl in einem Jahr – mit der AfD aber wollen beide nicht koalieren.

© imago images/Jacob Schröter

Zwischen Hans-Georg Maaßen und Deutschlandkoalition: So tickt die CDU im links regierten Thüringen

Die Christdemokraten in Erfurt versprechen, nie mit der AfD zu koalieren. Gleichzeitig haben sie nun ein Gesetz mit deren Stimmen durchgedrückt. War das ein Kalkül auf dem Weg zur Macht?

Zumindest architektonisch drückt die Thüringer CDU der Landeshauptstadt nicht unbedingt ihren Stempel auf. Die Parteizentrale südlich der historischen Altstadt ist in einem schmucklosen Funktionsbau untergebracht. Politisch standen die Christdemokraten in Erfurt bis vor Kurzen ebenfalls noch etwas im Abseits.

Sie sind im Landtag die größte Oppositionspartei knapp vor der AfD, die vom Verfassungsschutz als gesichert rechtsextrem eingestuft ist. Und ein wenig Einfluss auf die Landespolitik konnten sie indirekt auch ausüben, wenn die rot-rot-grüne Minderheitsregierung ihre Stimmen etwa für die Haushaltsverabschiedung brauchte.

Aber wirklich werbewirksam waren diese Zugeständnisse nicht, von CDU pur konnte erst recht keine Rede sein. Der Anspruch der Partei, die das Bundesland von 1990 bis 2014 durchgehend regierte, ist ein anderer. Spätestens nach der vermutlich am 1. September 2024 stattfindenden Landtagswahl soll dieses Schattendasein endgültig beendet werden.

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Auf dem Weg dahin hat die CDU nun am Donnerstag ein hochumstrittenes Ausrufezeichen gesetzt. Mit den Stimmen der FDP, aber eben auch der AfD hat Ihr Gesetzentwurf für eine Senkung der Grunderwerbssteuer zur Entlastung von Familien beim Bau eines Eigenheims im Landtag eine Mehrheit bekommen.

Nun fragen sich viele, wie weit die Thüringer CDU für die Rückkehr zur Macht zu gehen bereit ist, was sie in der aufgeladenen politischen Atmosphäre antreibt.

Der Landesparteichef liest aus den jüngsten Umfragezahlen vom Juli, die der CDU 20 Prozent und der Partei des linken Ministerpräsidenten Bodo Ramelow 22 Prozent prophezeiten, das mögliche Ende von Rot-Rot-Grün heraus. „Wir sind ein Jahr vor der Wahl in einer vernünftigen Ausgangsposition gleichauf mit der regierenden Linkspartei“, sagt Mario Voigt: „Das unterstreicht unseren Anspruch, als Union eine Regierung zu führen.“

Nur welche? Die Bundes-CDU hat 2018 einen Unvereinbarkeitsbeschluss gefasst, der „Koalitionen und ähnliche Formen der Zusammenarbeit sowohl mit der Linkspartei als auch mit der Alternative für Deutschland“ ausschließt. In Thüringen sind das aktuell die stärksten politischen Kräfte, die AfD kam zuletzt gar auf 32 Prozent Zustimmung.

Nicht zuletzt die Ereignisse nach der Wahl 2019, als der FDP-Mann Thomas Kemmerich mit Stimmen von AfD und CDU kurzzeitig zum Ministerpräsidenten gewählt wurde, lassen manche zweifeln, ob diese „Brandmauer“ in einem Jahr noch stehen wird. Kritiker sagen, sie sei mit dem Vorgang vom Donnerstag bereits eingerissen worden.

Absage an eine Koalition mit der AfD

Die Thüringer CDU selbst schließt dieses Szenario aus. Es gibt einen gesonderten Beschluss dazu, dem auch die Kreisvorsitzenden zugestimmt haben, was wichtig ist, weil es gerade auf lokaler Ebene immer wieder Äußerungen gibt, die eine punktuelle Zusammenarbeit in Sachfragen befürworten - erst Anfang Juli hatte Michael Brychcy, der CDU-Bürgermeister von Waltershausen, klarstellen müssen, falsch verstanden worden zu sein.

Eine Koalition der CDU mit der AfD wird es mit mir in Thüringen nicht geben.

Mario Voigt, CDU-Landesparteichef in Thüringen

„Eine Koalition der CDU mit der AfD wird es mit mir in Thüringen nicht geben“, lautet die Festlegung des mutmaßlichen Spitzenkandidaten Voigt, der daran erinnert, dass AfD-Landeschef Björn Höcke kürzlich die EU „sterben“ sehen wollte: „Unsere christdemokratische DNA lässt das gar nicht zu - die Partei bekämpft ganz offen das europäische Einigungswerk, für das unsere christdemokratischen Kanzler gearbeitet haben.“

Das „Gerede von der ,Brandmauer’“ stärkt dabei aus Voigts Sicht nur die Opferrolle der AfD: „Es ist allein im Interesse von Linken und Rechten, Zweifel an der Standhaftigkeit der CDU zu nähren.“

Das entscheidene Bild vom Donnerstag: CDU-Landeschef Mario Voigt (2.v.l.) und AfD-Fraktionschef Björn Höcke (2. v. r.) stimmen gemeinsam ab.

© dpa/Martin Schutt

Was am Donnerstag passiert ist, stellt für ihn keine Form der Zusammenarbeit dar, da mit der Zustimmung der AfD zum CDU-Gesetz keine inhaltlichen Zugeständnisse verbunden waren.

Er strebt eine „Deutschland-Koalition“ mit SPD und FDP an. Das Problem ist, dass es dafür aktuell bei Weitem nicht reicht - die Sozialdemokraten sind in Umfragen knapp zweistellig, und die Liberalen müssten um den Wiedereinzug in den Landtag bangen. „Eine Koalition in der Mitte ist und bleibt die beste Möglichkeit“, sagt Bundesvorstandsmitglied Mike Mohring, der als Folge der Kemmerich-Wahl den Landesvorsitz abgeben musste, „aber dafür fehlt im Augenblick noch die prozentuale Perspektive.“

Der Donnerstag könnte diese Perspektive zudem beschädigt haben. So sagte etwa der SPD-Abgeordnete Matthais Hey, er werde sich bei etwaigen Sondierungsgesprächen nach der Wahl daran erinnern, dass die CDU „lieber mit Björn Höcke als mit Matthais Hey“ abgestimmt habe.

Mohrung beschäftigt sich mehr mit möglichen Alternativen, als es anderen in der Thüringer CDU lieb ist. Die liegen auch für Mohring nicht ganz rechtsaußen. „Die Wahrscheinlichkeit, dass wir als Thüringer CDU umfallen und der AfD zur Macht verhelfen, ist gleich null“, betont er. Als „absolute Einzelmeinung“ ist jedoch von Landesvize Christian Hirte getadelt worden, dass Mohring sich Gesprächen mit der Linken notfalls nicht verweigern will.

Gespräche mit der Linken?

In einem Café am Erfurter Domplatz erläuterte Mohring kürzlich seine Beweggründe dafür, dass er wegen Regierungschef Ramelow „bei den Mitgliedern im Parteivorstand um Verständnis für unsere Sondersituation in Thüringen“ wirbt. Er will eine Gesprächserlaubnis für den Fall, dass für die Wunschkonstellation in der Mitte die nötigen Mandate fehlen: „Entscheiden die Wähler 2024 so wie 2019, kommt die CDU gar nicht umhin, auch mit der Linken zu reden – nicht über eine Koalition, aber über andere Formen einer wie auch immer aussehenden möglichen Zusammenarbeit.“

Das ruft freilich all jene auf den Plan, die die CDU nach der Ära Angela Merkel ohnehin für zu links halten und der Thüringer CDU vorhalten, die rot-rot-grüne Minderheitsregierung per Enthaltung zu tolerieren. Dazu gehört der frühere Verfassungsschutzchef Hans-Georg Maaßen, in Thüringer mit einem Parteiausschlussverfahren konfrontiert.

Zuletzt forderte er seine Noch-Partei auf, schon jetzt Neuwahlen über einen Misstrauensantrag gegen Ramelow herbeizuführen, da dieser das Land in „ein sozialistisches Kambodscha verwandeln“ wolle.

Das politische Manöver vom Donnerstag könnte auch dem Ziel gedient haben, diesen Strömungen in der Partei signalisieren zu wollen, dass die Thüringer CDU nicht mit der Linken kuschelt.

„Ich kenne den Vorwurf, dass mit der Wahl der CDU am Ende doch wieder Ramelow regiert, ich habe das selbst 2019/20 erlebt“, erzählt Mohring, „aber die Menschen wollen auch, dass Politik fähig ist mit Wahlergebnissen umzugehen.“

Kritik an der Bundespartei

Einig ist man sich unter den Thüringer Christdemokraten immerhin, dass die Lieblingsoption Deutschland-Koalition ohne die Linke ohne Hilfe aus Berlin nicht zu schaffen ist. „Damit das gelingen kann, brauchen wir auch Rückenwind aus der Bundespartei“, sagt Landeschef Voigt: „Die CDU muss jetzt ein paar Pflöcke einschlagen und klare Alternativen zur Ampel bieten, beim Heizungsgesetz oder dem Staatsangehörigkeitsrecht.“

Die kaum versteckte Kritik an der Bundespartei teilt auch Mohring. „Die CDU muss wieder diskursfähig werden und lernen, wie man Debatten von vorne führt und auch durchhält.“ Als Beispiel nennt er den jüngsten Vorstoß von Parlamentsgeschäftsführer Thorsten Frei: „Bei unserem Vorschlag zum Asylrecht merken die Menschen doch gleich, dass wir das so gar nicht durchsetzen können und es auch gar nicht so viel bringen würde, weil weder Grundgesetz noch internationales Recht das ermöglichen.“

Er macht in der Migrationsdebatte stattdessen einen anderen, durchaus harten Vorschlag, „der in Deutschland allein umsetzbar wäre: Es ist an der Zeit, den vollen Bürgergeld-Bezug für ukrainische Flüchtlinge zu beenden, da die Arbeitsmarktintegration nicht gelungen ist und gegenüber anderen Flüchtlingen und deutschen Bürgergeld-Empfängern neue Ungerechtigkeiten entstanden sind.“

Ein innerparteiliches Signal vor den drei wichtigen Landtagswahlen im Osten der Republik wünschen sie sich in Thüringen auch. Schließlich ist die Parteispitze um Friedrich Merz gerade so westdeutsch geprägt wie lange nicht mehr, nachdem er gerade Generalsekretär Mario Czaja aus Berlin durch den Nordrhein-Westfalen Carsten Linnemann ersetzt hat. Noch ist der auch Parteivize, zumindest bis beim nächsten Parteitag neu gewählt wird. „Der Nachfolger im Amt des stellvertretenden Vorsitzenden“, fordert Mohring schon jetzt, „muss aus dem Osten kommen.“

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