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Rishi Sunak und Liz Truss geraten in der BBC heftig aneinander.

© Reuters/Jacob King

Nach dem TV-Duell um Johnson-Nachfrage: Schaden die Rivalen den britischen Tories?

Liz Truss und Rishi Sunak liefern sich einen heftigen Schlagabtausch um die Nachfolge von Boris Johnson. Die Konservativen sind zunehmend alarmiert.

An Warnungen herrschte kein Mangel. Besorgte Tories hatten die Befürchtung geäußert, dass der Kampf um die Nachfolge Boris Johnsons sich zu einer destruktiven Schlacht zu entwickeln beginne – mit üblen Folgen für die Partei.

Nachdem sich die beiden „Finalisten“ in diesem Gefecht bereits in den Vorrunden angegiftet hatten, sollten sie bei ihrem ersten Fernsehduell um Himmels willen Zurückhaltung üben, appellierte zum Beispiel der frühere Parteisekretär der britischen Konservativen, Lord Maude.

Maudes Mahnung stieß allerdings auf taube Ohren. Als Außenministerin Liz Truss und Ex-Schatzkanzler Rishi Sunak am Montagabend zur BBC-Debatte im nordenglischen Stoke-on-Trent antraten und sich dem Publikum mit frostigem Lächeln präsentierten, war die Feindseligkeit zu spüren.

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Kaum waren die ersten Fragen gestellt, begannen beide Kandidaten aufeinander einzuprügeln. Sunak, ungewöhnlich aggressiv, ließ Truss zeitweise gar nicht zu Wort kommen. Die revanchierte sich mit spitzen Bemerkungen über die mangelnde Führungs-Qualifikation ihres Rivalen.

Vor allem in Steuerfragen geraten Truss und Sunak aneinander

Über die steil gestiegenen Lebenshaltungskosten, den bedrohlichen Klimawandel, Brexit sowie die Beziehungen zu Russland und China gerieten sich beide in der folgenden Stunde in richtig in die Haare – sogar dort, wo sie programmatisch nur wenig trennte.

Besonders hitzig wurde die Debatte im Finanz- und Wirtschaftsbereich, vor allem bei der Frage, ob man mit Steuersenkungen warten solle (was Sunaks Plan ist) oder ob man (wie es Truss will) sofort überall Steuern reduzieren müsse.

Der Ex-Finanzminister warf der Außenministerin buchstäblich unmoralisches Verhalten vor, weil sie mit ihrer Politik gigantische Staatsschulden „an unsere Kinder und Kindeskinder weiterreichen“ wolle. Truss schlug zurück: Die letzten zweieinhalb Jahre habe es in der Schatzkanzlei überhaupt keine Strategie für Wirtschaftswachstum gegeben.

Kaum zu glauben, dass beide in der gleichen Partei sind

Sunak beschuldigte „Liz“, der Nation „Märchen“ zu erzählen. Ihre eigenen Berater hätten ihr erklärt, dass ihre Rechnung nicht aufgehe. Truss erwiderte, „Rishi“ spreche „nicht die Wahrheit“. Seinetwegen habe das Land unter den höchsten Steuern seit 70 Jahren zu leiden. Bei der Heftigkeit der Auseinandersetzung, so meinten einige Kommentatoren, könne man „kaum glauben, dass beide in derselben Partei sind“.

Schon in den Stunden vor der Debatte hatte Liz Truss’ Wahlhelferin Nadine Dorries, zugleich die Kulturministerin, Multimillionär Rishi Sunak wegen seiner teuren Anzüge und Schuhe verspottet. Nach der Debatte erklärte ein Sprecher des Truss-Teams der Londoner „Times“ freimütig, Sunak sei „völlig ungeeignet“ für das Amt des britischen Premiers.

Noch ist Boris Johnson im Amt.
Noch ist Boris Johnson im Amt.

© Matt Dunham/AP/dpa

Dass die Schlacht bitter werden würde, war abzusehen gewesen. Während Sunak der Favorit der Fraktion ist und es so mit dem besten Ergebnis in die Endrunde schaffte, ist Truss allen Umfragen zufolge bei der Parteibasis populär. Und die rund 160.000 Tory-Mitglieder entscheiden per Briefwahl darüber, ob Sunak oder Truss am 5.September Downing Street Nummer 10 einziehen wird.

Jetzt müssen die Kandidaten wochenlang durch Land tingeln

Um von sich zu überzeugen, müssen beide Kandidaten nun wochenlang gemeinsam durchs Land tingeln – von Termin zu Termin, von Duell zu Duell. Dabei gehen die Wahlzettel schon nächste Woche an die Stimmberechtigten.

Weil die Tory-Basis verglichen mit dem Bevölkerungsdurchschnitt politisch deutlich weiter rechts steht, versuchen Sunak und Truss, sich mit Ideen zu überbieten, zum Beispiel, wenn es um die Abschiebung „illegaler Migranten“ in ferne Länder geht. Mittlerweile, so stöhnt Lord Maude, nehme sich das Ganze schon „wie ein Wettstreit darum aus, wer rechtskonservativer klingt – als ob es um nichts anderes mehr geht“.

Oppositionsführer Keir Starmer, Chef der Labour Party, schüttelte nur den Kopf. „Ich hab mir die Sendung angeschaut, bis es mir zu viel wurde“, sagte er. Unerträglich sei es gewesen, „wie sich die Rivalen zerfleischten“ und „wie statt übers Gesundheitswesen über Kleider geredet“ wurde. „Wenn es jemals ein Beispiel für eine Partei gab, die komplett die Orientierung verloren und alles Zielbewusstsein eingebüßt hat“, dann sei es dieses TV-Duell gewesen.

Peter Nonnenmacher

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