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Konservative Polit-Elite während der TV-Debatte "Britain's Next Prime Minister".

© dpa/Jonathan Hordle

Streit um Tory-Vorsitz: Drei Lehren aus der Wahl von Boris Johnsons Nachfolge

Die Tories suchen eine neue Führung. Nie waren die Bewerber so divers. Doch das Verfahren zeigt auch die Probleme der britischen Konservativen. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Sebastian Borger

Gerade einmal 14 Tage sind vergangen, seit Boris Johnson widerwillig seinen Rücktritt als konservativer Parteivorsitzender ankündigte. Britischer Premierminister bleibt der 58-Jährige bis Anfang September; jetzt wurden in internen Abwahlverfahren die beiden Kandidaten ermittelt, die als Nachfolger Johnsons von den Parteimitgliedern gewählt werden können.

Nicht zufällig war im Rennen um Johnsons Nachfolge viel von verlorenem Vertrauen in die Politik die Rede. Allerdings gingen die Kandidaten und Kandidatinnen in einer TV-Debatte so rüde miteinander um, dass eine weitere abgesagt werden musste. In der Parteizentrale befürchtete man wohl dauerhaften Imageschaden.

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Drei Dinge konnte lernen, wer das Schaulaufen beobachtet hat. Es präsentierte sich dort, erstens, eine fabelhafte Vielfalt, die viele, keineswegs nur konservative, Parteien in Europa erblassen lässt. Sechs der ursprünglich elf Kandidaten sind Nicht-Weiße; alle vier Frauen, aber nur zwei Männer überstanden den ersten Wahlgang.

Diese Woche blieben der indisch-stämmige Ex-Finanzminister Rishi Sunak und drei Frauen übrig, darunter die in Nigeria aufgewachsene Kemi Badenoch. In die Urwahl gehen nun das Migrantenkind Sunak und eine weiße Frau, beide sind in den Vierzigern. Im Vergleich dazu sah der letzte Führungsstreit der CDU langweilig und alt aus.

Die Torys haben die Lust am Regieren verloren

Hoffnungslos aus der Zeit gefallen ist hingegen, zweitens, das Wahlverfahren. Zunächst 358 Mitglieder der Unterhausfraktion bestimmen das Kandidaten-Duo, anschließend wählen rund 180 000 überwiegend weiße, ältere, männliche, in Englands Süden wohnhafte Parteimitglieder den neuen Premierminister. Ist das der zunehmend auf Partizipation angelegten Gesellschaft des multikulturellen, multinationalen Königreichs angemessen?

Die Tories haben, drittens, nach zwölf Jahren die Lust am Regieren verloren. Ernste Probleme hat das Land genug: die Klimakrise und die weltweite Inflation, das zutiefst beschädigte Verhältnis zur EU, die wachsende Staatsschuld, die schreiende soziale Ungleichheit, das knirschende Gefüge der Union aus England, Schottland, Wales und Nordirland.

Davon aber war kaum die Rede, umso mehr von ökonomisch bestenfalls zweifelhaften Steuersenkungen. Wer sich in der ideologisch reinen rechten Ecke verkriecht, wird die Macht bald verlieren.

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