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Anhänger der NPD am 1. Mai 2021 in Essen.

© Imago/Christoph Reichwein

Kein Staatsgeld mehr für NPD-Nachfolger: Ein Modell für die Bekämpfung der AfD?

Das Bundesverfassungsgericht hat der rechtsextremen „Die Heimat“, vormals NPD, das Staatsgeld gestrichen. Was das für andere Parteien bedeuten könnte.

Es ist ein Urteil, wie es noch keines gab. Am Dienstag hat der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts entschieden, die rechtsextreme Kleinpartei „Die Heimat“, vormals NPD, für sechs Jahre von der staatlichen Teilfinanzierung auszuschließen.

Den Antragstellern Bundestag, Bundesrat und Bundesregierung ist damit ein Experiment geglückt. Der Finanzierungsausschluss steht erst seit ein paar Jahren im Grundgesetz. Nun zeigt sich: Er funktioniert.

Das Verfassungsgericht selbst hatte die Idee

Anlass, die Regelung aufzunehmen, waren die gescheiterten Parteiverbotsverfahren gegen die NPD. In seinem Urteil von 2017 beanstandete das Verfassungsgericht, der NPD fehle es an „Potentialität“, also an tatsächlichen Möglichkeiten und Kräften, die demokratische Grundordnung zu beeinträchtigen oder gar zu beseitigen.

Die vorgelegten Belege lassen erkennen, dass die rassistische, insbesondere antimuslimische, antisemitische und antiziganistische Grundhaltung der Antragsgegnerin (...) fortbesteht.

Doris König, Senatsvorsitzende am Bundesverfassungsgericht

Sie habe schlicht zu wenig Mitglieder und Wähler, hieß es. Dass die Partei verfassungswidrig war, daran gab es keine Zweifel. Daher regten die Richterinnen und Richter schon im damaligen Urteil an, für solche Fälle die Streichung von Staatsgeld vorzusehen.

Die NPD ist auch unter dem Namen „Die Heimat“ geblieben, was sie immer war. Ihre politischen Konzepte seien weder mit der Menschenwürde noch mit dem Demokratieprinzip vereinbar, heißt es in Karlsruhe. Mit der von ihr propagierten Idee einer nach Abstammung definierten „Volksgemeinschaft“ würden Ausländer, Migranten und Minderheiten missachtet, sagte die Senatsvorsitzende Doris König bei der Urteilsverkündung in Karlsruhe.

„Die nunmehr vorgelegten Belege lassen erkennen, dass die rassistische, insbesondere antimuslimische, antisemitische und antiziganistische Grundhaltung der Antragsgegnerin sowie ihre ablehnende Haltung gegenüber gesellschaftlichen Minderheiten wie etwa transsexuellen Personen unverändert fortbesteht“, so König.

Die Hürden, um Parteien finanziell trocken zu legen, sind trotzdem hoch. Zum Verbot einer Partei heißt es in Artikel 21 des Grundgesetzes, sie müssten nach ihren Zielen oder nach dem Verhalten ihrer Anhänger „darauf ausgehen“, die Grundordnung zu beeinträchtigen oder den Bestand der Bundesrepublik zu gefährden.

Parteien müssen für Ausschluss auf verfassungsfeindliche Ziele „ausgerichtet“ sein

Für den ebenfalls dort geregelten Finanzierungsausschluss heißt es zwar nur, Parteien müssten auf diese verfassungsfeindlichen Ziele hin „ausgerichtet“ sein. Mit dem Urteil vom Dienstag stellte das Bundesverfassungsgericht jedoch klar, dass es einen „weitgehenden Gleichlauf“ bei diesen Kriterien gibt.

Demnach setzt auch das „Daraufausgerichtetsein“ ein qualifiziertes und planvolles Handeln zur Beeinträchtigung oder Beseitigung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung voraus. Nur entfalle jetzt das Erfordernis der Potentialität, so das Gericht.

0,1
Prozent holte die NPD bei der letzten Bundestagswahl.

Damit können auch einer politisch bedeutungslosen Kleinpartei wie der NPD, die bei der letzten Bundestagswahl nur 0,1 Prozent der Stimmen einfuhr, die Staatsgelder gekappt werden, einschließlich Steuerprivilegien. Aktuell bekommt die NPD wegen ihrer Misserfolge ohnehin keine Zuschüsse.

Nun hatten die Richterinnen und Richter mit der Ex-NPD leichtes Spiel. Ihre geballte Verfassungsfeindlichkeit zeigt sich wie in einer Nussschale im Parteiprogramm und in den fragwürdigen Festivitäten ihrer gleichgeschalteten Mitglieder. Man bemüht sich um gute Kontakte zu Holocaust-Leugnern und organisiert Kampagnen wie „Deutsche helfen Deutschen“. Die „Wesensverwandtschaft mit dem Nationalsozialismus“ in der Partei bestehe fort, urteilte das Gericht.

Warum dann nicht gleich ein Verbotsverfahren?

Die Lage bei der AfD ist deutlich weniger übersichtlich, schon allein deshalb, weil sie mehr als zehn Mal so viele Mitglieder hat wie „Die Heimat“. Die Partei pflegt in ihrem Programm eine eher zurückgenommene Sprache, die sich erkennbar am Grundgesetz orientiert.

Das kontrastiert zwar mit vielen öffentlichen Äußerungen ihrer Funktionäre, spielt aber eine Rolle. Denn vor Gericht geht es, wie die Senatsvorsitzende König betonte, um Belege. Ein wichtiger Punkt ist hier, ob sich die – rassistischen, umstürzlerischen – Ausfälle Einzelner der Partei in ihrer Gesamtheit zurechnen lassen.

Das Einzige, worüber wohl Gewissheit bestehen dürfte, wäre die „Potentialität“. Die AfD sitzt im Bundestag sowie in mehreren Landtagen und ist in Thüringen auf dem Sprung zur stärksten Partei. Wenn es eine Gefährdung für den Bestand der Bundesrepublik als demokratischer Rechtsstaat gibt – sie wäre groß. Würde sich die Politik also für einen Finanzierungsausschluss entscheiden, müsste sie sich fragen lassen, weshalb sie es nicht gleich mit einem Verbotsverfahren versucht.

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