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Ein russischer Zug mit Hilfsgütern fährt in den Bahnhof von Ilovaisk in der Region Donezk.

© IMAGO/ITAR-TASS

Informanten prognostizieren Referendum im Donbass: Besetzte Regionen sollen offenbar bis September russisches Staatsgebiet werden

Medienberichte sprechen von Plänen, die ostukrainischen Gebiete bald zu annektieren. Entsprechende Schlüsselpositionen werden schon russisch besetzt.

Russland plant allem Anschein nach, die ostukrainischen Regionen Donezk, Luhansk, sowie Cherson und Saporischschja so schnell wie möglich unter russische Führung zu bringen. Das geht aus übereinstimmenden Aussagen russischer Informanten hervor, die der oppositionellen Internetzeitung „Meduza“ vorliegen.

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Vorgesehen ist offenbar der Status eines Föderalen Bezirks, der größten Verwaltungseinheit in Russland – wie zum Beispiel Zentralrussland, Sibirien oder Fernost. Gegenwärtig gibt es acht solcher Bezirke, deren Chefs werden nicht gewählt, Präsident Wladimir Putin setzt sie persönlich als seine Bevollmächtigten ein.

Der hochrangige Kreml-Beamte Boris Rapoport soll laut „Meduza“ bereits mit der Aufsicht des neuen Bezirks betraut worden sein. Für die einzelnen Verwaltungen werde von der Moskauer Präsidialverwaltung, der auch Rapoport angehört, ein Stab aufgebaut.

Die vier Regionen in der Ukraine wurden bereits zu Beginn des Krieges von russischen Truppen besetzt. Zuvor hatte der Kreml die Separatistengebiete Luhansk und Donezk anerkannt.
Die „Befreiung“ der dortigen Bevölkerung galt als Vorwand für die Invasion. Seither hat der Kreml die Kriegsziele immer wieder neu definiert.

Zu Beginn war offensichtlich auch ein Sturz der demokratisch gewählten Führung in Kiew geplant. Der russische Außenminister Sergej Lawrow hatte die vollständige Einnahme des Donbass zuletzt als „bedingungslose Priorität“ bezeichnet.

Gebiete erhalten bereits russischen Anstrich

In den seit Februar besetzten Gebieten sind bereits sogenannte „politische Beamte“ aus Russland im Einsatz, um das öffentliche Leben zu überwachen. Offiziell wurden sie laut den Informanten von „Meduza“ als stellvertretende Bürgermeister eingesetzt.

Der Chef der so genannten Volksrepublik Donezk, Dennis Puschilin, hatte in dieser Woche die gesamte „Regierung“ entlassen und die Spitzenpositionen des Kabinetts mit von Moskau bestimmten Beamten besetzt.

Die Besatzer haben schon jetzt bestimmte Regelungen erlassen, die auf eine Annexion hindeuten. So darf in Saporischschja nur noch mit der russischen Währung Rubel bezahlt werden, neu geborene Kinder erhalten russische Geburtsurkunden.

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In einigen besetzten Städten soll der Schulunterricht im Herbst nach russischen Lehrplänen fortgesetzt werden. Mancherorts regt sich aber auch Widerstand. So waren nach ukrainischen Angaben die Behörden in der Region Cherson gezwungen, die ukrainische Währung Hryvnia wieder zu akzeptieren, weil die Bevölkerung den Rubel als Zahlungsmittel ablehnt.

Kabinette werden umgebaut

Vor der formellen Annexion soll im Donbass ein Referendum stattfinden, wie es 2014 auch auf der annektierten Halbinsel Krim konstruiert wurde. Den Berichten von „Meduza“ zufolge plane der Kreml eine solche Abstimmung je nach Kriegslage bereits Mitte Juli oder aber zeitgleich mit den russischen Regionalwahlen am 11. September.

Als Hauptanwärter für das Amt des Bevollmächtigten des russischen Präsidenten in „Südrussland“ wird laut den „Meduza“ -Informanten Boris Rapoport gehandelt. Die Aussagen wurden vom Kreml allerdings nicht bestätigt.

Rapoport gilt in Moskau als Krisenmanager, der bereits in kritischen Situationen in einigen Regionen eingesetzt war. Er ist derzeit in der Präsidialverwaltung für die Regionalpolitik zuständig. Mit dem Donbass befasst er sich seit 2014.

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Rapoport stellt laut den Quellen von „Meduza“ derzeit Listen mit Personen aus Russland zusammen, die auf allen Verwaltungsebenen Posten übernehmen sollen. Der Anfang ist bereits gemacht. So sitzt im Kabinett von Donezk nun beispielsweise Alexander Kostomarov, der Aussagen zufolge weiß, „wie man Menschen bricht und das erreicht, was die Vorgesetzen fordern".

Demnach sollen auch die Führungspositionen der sogenannten Volksrepubliken bald ausgetauscht werden, um die russischen Gelder „in die richtige Richtung zu lenken“.

In der Bevölkerung in Saporischschja und Cherson wächst indes die Angst, dass ukrainische Männer aus den besetzten Gebieten anschließend für Russland in den Krieg ziehen müssen. Bereits jetzt hindern die russischen Soldaten Männer im kampffähigen Alter an der Flucht aus den eingenommenen Gebieten.

Aktuell vermeldet das ukrainische Militär zumindest in Saporischschja militärische Erfolge. In der Separatistenregion Luhansk hingegen spricht der Gouverneur von andauerndem Granatenbeschuss.

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