zum Hauptinhalt
Ein Holzfäller fällt mit einer Kettensäge im Regenwald des Amazonas einen Baum.

© dpa/Werner Rudhart

Handelsdeal zwischen EU und Mercosur-Staaten: Feilschen um den Regenwald

Die Handelsgespräche zwischen der EU und Staaten Lateinamerikas gehen in die heiße Phase. Doch der Grünen-Politiker Hofreiter sieht bei der brasilianischen Regierung noch Vorbehalte.

Der 17. Juli soll ein besonderer Tag werden für die EU. Dann beginnt in Brüssel ein gemeinsames Gipfeltreffen mit den Staaten Lateinamerikas. Wenn es nach den Befürwortern von EU-Handelsabkommen geht, könnte an diesem Tag ein neuer Deal zwischen Brüssel und den Mercosur-Staaten Argentinien, Brasilien, Paraguay, Uruguay und Venezuela verkündet werden. Doch bei den Verhandlungen hakt es.

Als der Grünen-Politiker Anton Hofreiter vergangene Woche mit der deutsch-brasilianischen Parlamentariergruppe die Hauptstadt Brasilia besuchte, wurde vor Ort eines deutlich: In der brasilianischen Regierung sind nicht alle gleichermaßen begeistert von der Aussicht, dass es demnächst weitreichende Handelserleichterungen zwischen der EU und den Mercosur-Staaten geben könnte.

Im Außenministerium in Brasilia wird der Handelsdeal befürwortet. Gleiches gilt für das Umweltministerium, sofern künftig ökologische Standards eingehalten werden. Im Umfeld von Präsident Luiz Inácio Lula da Silva wird jedoch befürchtet, dass das Abkommen mit der EU zum Verlust von Arbeitsplätzen in der Industrie führen könnte.

Seit mehr als 20 Jahren laufen die Verhandlungen zwischen Brüssel und dem Mercosur-Wirtschaftsraum. 2019 wurde bereits eine Grundsatzeinigung über das Abkommen erzielt, das den gegenseitigen Handel ausweiten, Zölle senken und andere Handelshemmnisse für Unternehmen beseitigen soll. 2023 sollen die Verhandlungen zum Abschluss gebracht werden. Bis Ende Juni, so der Brüsseler Fahrplan, sollen die Gespräche unter Dach und Fach sein.

Es gibt die Sorge, dass sich das Abkommen nicht nur positiv auswirkt, sondern für die brasilianische Industrie auch Wettbewerbsnachteile bringt.

Anton Hofreiter (Grüne), Vorsitzender des Europaausschusses im Bundestag

Zuletzt hatte Kanzler Olaf Scholz (SPD) am Dienstag in seiner Rede vor dem Europaparlament in Straßburg einen zügigen Abschluss von EU-Handelsvereinbarungen – darunter der Mercosur-Deal – angemahnt. Nur so könne sichergestellt werden, dass weltweit Sozial- und Umweltstandards im Sinne der Europäer festgelegt würden, hatte Scholz argumentiert.

Beobachter wie Hofreiter sind sich allerdings nicht sicher, ob das Mercosur-Abkommen tatsächlich bis zum Sommer steht. „In Brasilien hat sich mit Blick auf das geplante Abkommen zwischen den Mercosur-Staaten und der EU ein sehr gemischtes Bild ergeben“, sagte der Chef des Europaausschusses im Bundestag dem Tagesspiegel mit Blick auf seinen Besuch vor Ort. Denn es gebe „die Sorge, dass sich das Abkommen nicht nur positiv auswirkt, sondern für die brasilianische Industrie auch Wettbewerbsnachteile bringt“.

Hofreiter verwies zudem auf Befürchtungen brasilianischer Regierungsvertreter, dass ein Zusatzabkommen, in dem ökologische Standards festgehalten werden, „zu große Einschränkungen mit sich bringen könnte“. In der Zusatzvereinbarung soll unter anderem festgelegt werden, dass Agrarprodukte, die auf illegal gerodeten Waldflächen im Amazonasgebiet angebaut werden, nicht von den Handelserleichterungen profitieren können.

Dabei hatten der Amtsantritt des linksgerichteten Präsidenten Lula und sein Versprechen einer Null-Abholzungspolitik zugunsten des Regenwaldes die Wiederaufnahme der Verhandlungen mit der EU überhaupt erst möglich gemacht. Unter Lulas Vorgänger Jair Bolsonaro waren die Gespräche ins Stocken geraten.

Doch inzwischen gibt es wieder Zweifel, ob Lula tatsächlich eine gänzlich andere Regenwald-Politik verfolgt als sein Amtsvorgänger. Nach Angaben des staatlichen brasilianischen Klimainstituts Inpe wurden im Februar 209 Quadratkilometer Regenwald abgeholzt – so viel wie noch nie seit Beginn der Datenerhebung.

Anton Hofreiter (Grüne) hat Zweifel, ob das Mercosur-Abkommen tatsächlich bis zum Sommer steht.

© Imago/Christian Spicker

Aus diesem Grund soll auch die Überwachung des Zustands des Amazonas-Regenwaldes zum Bestandteil des Zusatzabkommens zum geplanten Mercosur-Deal werden. Auch wenn sich alle Beteiligten einig sind, dass die bestehende Vertragsvereinbarung nicht mehr aufgeschnürt werden soll, ist der SPD-Europaabgeordnete Bernd Lange von der Bindungswirkung der nun diskutierten Zusatzvereinbarung überzeugt: „Wir werden die nötigen Ergänzungen im Bereich der Nachhaltigkeit dort vereinbaren.“

Während Lange an einen Abschluss der Verhandlungen bis Ende Juni glaubt, sind die Grünen skeptisch. „Auch wenn es in Brasilien einen Regierungswechsel gab, bleibt das EU-Mercosur-Abkommen weiterhin innerhalb der südamerikanischen Regierungen, aber auch in vielen europäischen Hauptstädten umstritten – deshalb halte ich eine Einigung beim anstehenden Gipfel für unwahrscheinlich“, sagte die Grünen-Europaabgeordnete Anna Cavazzini.

Die geplante Zusatzvereinbarung enthalte zwar „viele schöne Worte“, bleibe aber letztendlich zahnlos, kritisierte sie. „Ohne durchsetzbaren Mechanismus gegen Entwaldung sowie dem damit zusammenhängenden Schutz der indigenen Bevölkerung kann das EU-Mercosur-Abkommen nicht ratifiziert werden“, mahnte Cavazzini an.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false