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Die Abholzung des Regenwaldes soll gestoppt werden – auch darum geht es beim geplanten Mercosur-Abkommen.

© dpa/Jens Büttner

Rindfleisch gegen Verbrennerautos? : Die EU-Mercosur-Pläne setzen die Grünen unter Druck

Im Streit um das Abkommen mit Brasilien, Argentinien, Paraguay und Uruguay, das auch die Abholzung des Regenwaldes stoppen soll, steht die Partei unter verschärfter Beobachtung von Umweltorganisationen.

220 Gramm Rindfleisch pro Jahr und jeden EU-Bürger – diese Menge wird langfristig nach Schätzungen der EU-Kommission zusätzlich auf den europäischen Markt kommen, wenn ein geplantes Handelsabkommen zwischen der EU und Brasilien, Argentinien, Paraguay sowie Uruguay in Kraft tritt. Während sich Verbraucher möglicherweise über günstigeres Rindfleisch, wenn auch in kleinen Mengen, freuen können, befürchten Umweltschützer eine weitere Zerstörung des Regenwaldes.

Ob das Abkommen kommt, hängt innerhalb der EU wesentlich von Deutschland ab. Und in der Ampel-Koalition spielen wiederum die Grünen eine Schlüsselrolle.

Dass die Bundesregierung das geplante Abkommen für wichtig hält, machte Kanzler Olaf Scholz (SPD) zuletzt beim EU-Gipfel in Brüssel deutlich. Er sei fest davon überzeugt, dass „die Zusammenarbeit mit vielen Regionen der Welt für Europa von größter Bedeutung ist“, sagte Scholz.

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Glaubensstreit erinnert an das TTIP-Abkommen

Allerdings halten Umweltorganisationen wie Greenpeace der Bundesregierung vor, dass die EU mit dem geplanten Abkommen von den Mercosur-Staaten unter anderem noch mehr billiges Rindfleisch und Futtersoja im Tausch gegen profitable Exporte von Pestiziden, Verbrennerautos und Autoteilen bekomme. Die EU-Kommission hält unter anderem dagegen, dass die importierten Soja-Futtermittel nicht aus dem Amazonas-Gebiet, sondern aus dem Süden Brasiliens und Argentiniens kommen.

Der Glaubensstreit um das Mercosur-Abkommen erinnert an das gescheiterte TTIP-Abkommen mit den USA, das in der Debatte über einen vermeintlichen massenhaften Import amerikanischer „Chlorhühnchen“ zerrieben wurde. Doch seit dem Ukraine-Krieg hat sich etwas geändert: Für die EU ist es wichtiger denn je, jenseits von Russland und China neue Handelspartner zu finden.

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Der Südamerika-Experte Günther Maihold von der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) hält den Plan der EU-Kommission, bis zum kommenden Juli eine politische Vereinbarung über das Mercosur-Abkommen zu erreichen, angesichts der mangelnden Transparenz bei den Verhandlungen für sehr ambitioniert. Grundsätzlich findet er aber ein solches Abkommen gerade angesichts der weltpolitischen Ambitionen des neuen brasilianischen Präsidenten Luiz Inacio Lula da Silva und der Neigung Chinas, zunehmend Einfluss in Lateinamerika zu nehmen, für sinnvoll.

Beim Mercosur-Abkommen ist für uns zentral, wirtschaftlich engere Kooperation mit Nachhaltigkeit zu verbinden.

Andreas Audretsch, Vize-Vorsitzender der Grünen-Fraktion

Wegen der rücksichtslosen Rodungspolitik des rechtsextremen brasilianischen Ex-Präsidenten Jair Bolsonaro lag die Vereinbarung zuletzt auf Eis. Mit Lulas Amtsantritt haben die Gespräche einen neuen Schub bekommen. Im Fokus steht inzwischen ein Zusatzabkommen, mit dem eine Wahrung der Umweltstandards gesichert werden soll. Dabei muss gewissermaßen die Quadratur des Kreises bewältigt werden: Die Mercosur-Staaten erwarten eine Teilhabe am Wohlstand, während die EU möglichst hohe Umweltstandards durchsetzen will.

Weil Umweltorganisationen darauf pochen, dass die Klimaziele und Menschenrechtsverpflichtungen in dem Abkommen tatsächlich eingehalten werden, stehen in Deutschland vor allem die Grünen unter Druck. Die Ampel hatte sich in ihrem Koalitionsvertrag für eine Ratifizierung der Vereinbarung ausgesprochen, sofern zuvor Zusatzvereinbarungen zum Schutz und Erhalt bestehender Waldflächen abgeschlossen worden sind. Wirtschaftsminister Robert Habeck und Landwirtschaftsminister Cem Özdemir (beide Grüne) sondierten jüngst bei einer sechstägigen Südamerika-Reise die Chancen für eine Finalisierung der Vereinbarung.

„Beim Mercosur-Abkommen ist für uns zentral, wirtschaftlich engere Kooperation mit Nachhaltigkeit zu verbinden“, sagte der stellvertretende Vorsitzende der Grünen-Fraktion im Bundestag, Andreas Audretsch, dem Tagesspiegel. Darum sei es klar, dass man „im Sinne beider Seiten ein wirksames Instrument“ zum Schutz des Amazonas-Regenwalds „und der Menschen, die dort leben“, brauche. „Wenn der Regenwald stirbt, kippt das Klima, der Wald ist eine Lebensversicherung für uns Menschen auf diesem Planeten“, warnte Audretsch. Mit der Regierung von Lula bestehe nun die Chance, den Amazonas-Regenwald zu schützen, zugleich sei das die „zentrale Voraussetzung für ein Ja zu Mercosur“.

In der EU-Kommission gilt es indes als ausgeschlossen, das gesamte Mercosur-Abkommen noch einmal aufzuschnüren und Umweltvereinbarungen, wie sie mit Neuseeland getroffen wurden, nachträglich hineinzuverhandeln. Die Möglichkeit, Verstöße gegen die Kernarbeitsnormen und das Pariser Klimaabkommen zu sanktionieren, sei seinerzeit von der Regierung in Neuseeland angestoßen worden, heißt es in der Brüsseler Behörde zur Begründung.

Der SPD-Abgeordnete Markus Töns ist indes der Überzeugung, „dass die Kommission mit dem Zusatzabkommen genau das erreicht, was wir brauchen“. Sanktionen bei der Verletzung von Klimastandards seien dagegen „das allerletzte Mittel, weil sie die Gesprächsbasis mit den Mercosur-Staaten zerstören würden“. Wichtiger sei es vielmehr, mit Brasilien und den anderen Ländern ein Gespräch „auf Augenhöhe“ zu suchen.

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