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Kein Grund zum Lächeln: Klimaschutzminister Robert Habeck mit Bauministerin Klara Geywitz.

© AFP/JOHN MACDOUGALL

Expertenrat kritisiert Klimaschutzbemühungen der Ampel: Das Erbe des aufgeweichten Heizungsgesetz

Mit ambitionierten Klimaschutzzielen startete die Ampel. Doch nach dem Streit um das Heizungsgesetz hat das Thema nicht mehr oberste Priorität. Der Gebäudesektor wird zum Sorgenkind.

Es ist eine Rüge mit Ansage, die sich die Bundesregierung am Dienstag vom unabhängigen Expertenrat für Klimafragen abholt. Das Klimaschutzprogramm der Ampel entspreche „nicht den Anforderungen“, um die Klimaziele zu erreichen, urteilt Hans-Martin Henning, Vorsitzender des Gremiums, in der Bundespressekonferenz. Seine Stellvertreterin Brigitte Knopf geht noch weiter: „Nach unserer Sicht fehlt ein schlüssiges Gesamtkonzept.“

Die selbsternannte Fortschrittskoalition hatte sich im Koalitionsvertrag ambitionierte Ziele beim Klimaschutz gesetzt. Dieser sichere Freiheit, Gerechtigkeit und nachhaltigen Wohlstand. „Die Klimaschutzziele von Paris zu erreichen, hat für uns oberste Priorität.“ Doch knapp zwei Jahre später konstatieren die Wissenschaftler, dass die Ampel zwar Maßnahmen auf den Weg gebracht hat, die „signifikante Treibhausgasminderungen“ ermöglichen, doch die erwartete Gesamtminderung werde deutlich überschätzt.

Für SPD, Grüne und FDP ist es nicht der erste Tadel der Wissenschaft. Dass im neuen Klimaschutzgesetz die einzelnen Ressorts nicht mehr verpflichtende Sektorziele erreichen müssen, hatte der Expertenrat bereits im April kritisiert. In der Zwischenzeit ist durch den massiven Streit um das Heizungsgesetz nicht nur das wichtigste Klimaschutzgesetz im Gebäudesektor aufgeweicht worden, sondern die Akzeptanz für Klimaschutzmaßnahmen in Deutschland generell gesunken.

Wie 1000 Teile aus drei verschiedenen Puzzeln

Mit „hoher Wahrscheinlichkeit“ falle die Lücke zu den Klimazielen bis zum Jahr 2030 deutlich größer aus, als die von Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) prognostizierten 200 Millionen Tonnen Treibhausgase, bilanzierte Knopf. Sie warf der Regierung zudem vor, ihre Klimaschutzprogramme mit zu wenig Daten zu belegen. Wie ein Puzzle mit 1000 Teilen von drei verschiedenen Puzzeln sei die Datenlage, kritisierte Knopf. „Wir hoffen, dass da bald etwas nachgelegt wird.“

Doch auch so ist klar, dass neben dem Verkehrssektor vor allem der Gebäudesektor zum Sorgenkind der Klimaschutzpolitik geworden ist. Mit 35 Millionen Tonnen CO₂, die die Ampel in dem Bereich bis zum Jahr 2030 geplant zu viel ausstoße, seien die Berechnungen wohl noch „eher unterschätzt“. Die Wirkung des Heizungsgesetzes sei „zu positiv eingerechnet“ worden, heißt es.

Geywitz gegen mehr Klimaschutz beim Neubau

„Oberste Priorität“ scheint bei der Ampel angesichts der heiklen Konjunktur gerade eher die Wirtschaft als die Klimarettung zu haben. So will etwa Bauministerin Klara Geywitz (SPD) trotz Vereinbarung im Koalitionsvertrag keine strengeren Vorgaben für Dämmungen beim Neubau erlassen. „Ich glaube, es ist nicht die Zeit (...), hier noch einmal die Standards zu verschärfen“, sagte sie dem Sender ntv.

Kritik daran kommt von den Grünen: „Wir brauchen mehr Klimaschutz, nicht weniger. Das sind wir den kommenden Generationen schuldig“, sagte die baupolitische Sprecherin der Fraktion, Christina-Johanne Schröder, dem Tagesspiegel. Die Ministerin sehe das sicherlich ebenso, sagte die Grünen-Politikerin weiter und warb für ihr Modell einer neuen Wohngemeinnützigkeit, mit der bezahlbarer Wohnraum entstehen und gleichzeitig die schwächelnde Baubranche belebt werden könne.

Es wird immer klarer, wie willenlos und planlos die Bundesregierung in Sachen Klimaschutz agiert.

Barbara Metz, Bundesgeschäftsführerin der deutschen Umwelthilfe.

Doch Einzelmaßnahmen alleine würden nicht reichen, mahnen Expertenrat und Opposition am Dienstag. „Für die Ampel muss diese Breitseite der eigenen Klima-Experten jetzt ein Weckruf sein“, fordert CDU-Vize Andreas Jung. Er forderte, dass das noch nicht beschlossene Gebäudeenergiegesetz noch einmal nachgearbeitet werde. „Vor dem Beschluss des Heizungsgesetzes muss der Klima-Effekt benannt und die soziale Flanke geschlossen werden“, sagte Jung.

Die Bundesgeschäftsführerin der deutschen Umwelthilfe, Barbara Metz, äußerte sich ähnlich kritisch: „Es wird immer klarer, wie willenlos und planlos die Bundesregierung in Sachen Klimaschutz agiert“, sagte sie dem Tagesspiegel. Sie forderte ein Klimanotfallprogramm: „Wir brauchen im Gebäudesektor einen sofort wirksamen Einbaustopp für Öl- und Gasheizungen und ein Notfall-Sanierungsprogramm für jahrzehntelang vernachlässigte öffentliche Gebäudebestände.“

Doch an das vom Bundesverfassungsgericht gestoppte GEG-Verfahren will die Ampel nicht mehr ran und es im September im Bundestag beschließen. Zu groß ist die Sorge, dass neuer Streit die Regierung lähmt. Die Prioritäten in der Ampel, sie haben sich verschoben.

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