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Frankreichs Wirtschafts- und Finanzminister Bruno Le Maire nimmt an diesem Mittwoch in Berlin an einer Kabinettssitzung teil.

© AFP/LUDOVIC MARIN

Deutschland und Frankreich: Der Streit ums liebe Geld

Der Besuch des französischen Finanzministers in Berlin soll Harmonie verbreiten. Doch Berlin und Paris vertreten in der Debatte um Europas Schuldenregeln unterschiedlichen Ansichten.

Es ist mittlerweile schon eine gute Tradition, dass Kabinettsmitglieder aus Deutschland gelegentlich bei den Ministerrunden in Paris dabei sind und umgekehrt französische Minister in Berlin. Im Mai wohnte Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) einer Kabinettssitzung in Paris bei. Und an diesem Mittwoch will nun Frankreichs Finanz- und Wirtschaftsminister Bruno Le Maire an der Kabinettsdiskussion mit Kanzler Olaf Scholz (SPD) teilnehmen.

Solche gegenseitigen Besuche sind im Aachener Freundschaftsvertrag beider Länder festgeschrieben. Der Vertrag von 2019 ändert aber nichts an den unterschiedlichen Auffassungen auf beiden Seiten des Rheins in einer Frage, die am Freitag beim Treffen der EU-Finanzminister im spanischen Santiago de Compostela auf der Agenda steht: Wie viel Haushaltsdisziplin sollen die EU-Staaten künftig an den Tag legen? Und was ist wichtiger: Zukunftsinvestitionen oder ein strikter Sparkurs?

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Prozent der Wirtschaftsleistung betrug die Gesamtverschuldung im vergangenen Jahr in Griechenland

Wie strikt der Sparkurs für die 27 EU-Staaten demnächst ausfällt, soll im europäischen Stabilitätspakt festgelegt werden. Anfang kommenden Jahres soll der Pakt, der aus dem Jahr 1997 stammt, in reformierter Form wieder in Kraft treten. Derzeit ist die Vereinbarung wegen der Pandemie und des Ukraine-Krieges noch ausgesetzt.

Im Pariser Finanzministerium heißt es, man stimme mit Deutschland darin überein, dass der Wohlstand in der EU nur durch eine politische Lenkung der europäischen Wirtschaftspolitik gesichert werden könne. Dabei gelte es, trotz der Sparvorgaben im EU-Stabilitätspakt noch genügend Raum für Investitionen zu lassen.

Anders gesagt: Sowohl Deutschland als auch Frankreich wollen sich auf die Grundpfeiler des Paktes verpflichten, der eine jährliche Neuverschuldung von maximal drei Prozent des Bruttoinlandsproduktes und eine Gesamtverschuldung von höchstens 60 Prozent vorsieht. Aber Frankreich möchte den einzelnen EU-Ländern trotz der klaren zahlenmäßigen Vorgaben jeweils größeren Spielraum einräumen.

Nach Angaben aus EU-Diplomatenkreisen steht Frankreich in der gegenwärtigen Diskussion um die Reform des Stabilitätspakts eher auf der Seite der Mittelmeeranrainer in der EU. Diese Länder wollen – anders als Deutschland und Finnland – keine allzu harten Sparauflagen. Dagegen dringt die Bundesregierung auf eine Vorgabe, der zufolge die Pflicht zum Abbau eines bestimmten Anteils des Schuldenstandes am Bruttoinlandsprodukt für sämtliche Mitgliedstaaten der Gemeinschaft erhalten bleiben müsse.

Der frühere EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker gewährte der Regierung in Paris 2016 eine Ausnahme beim Schuldenmachen, „weil es Frankreich ist“.

© REUTERS/VINCENT KESSLER

Die EU-Kommission will hingegen bei der Überwachung des Paktes im Dialog mit den einzelnen Schuldensündern freie Hand haben. Damit hat man auf EU-Ebene aber ungute Erfahrungen gemacht: Der frühere EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker gewährte 2016 der Regierung in Paris eine Ausnahme von den Defizitregeln, „weil es Frankreich ist“.

Gegenwärtig befinden sich die einzelnen EU-Staaten auf einem sehr unterschiedlichen Schuldenniveau. Für das Jahr 2022 wurde für Deutschland eine Gesamtverschuldung von 66,3 Prozent verzeichnet. Im Fall Frankreichs waren es 111,6 Prozent. Bei Spanien (113,2), Italien (144,4) und Griechenland (171,3 Prozent) waren die Schuldenstände sogar noch höher.

Finanzminister Christian Lindner (FDP) weiß, dass das Schuldenmachen wegen der hohen Zinsen noch schwieriger geworden ist – in den übrigen EU-Staaten wird das inzwischen auch so gesehen.

© dpa/Michael Kappeler

Die Reform des Stabilitätspaktes ist eine komplexe Materie. Ob es dem gegenwärtigen spanischen EU-Vorsitz gelingt, wie geplant bis zum kommenden Monat eine Einigung herbeizuführen, ist ungewiss. Weil das Thema so kompliziert ist, soll es bei Le Maires Besuch in Berlin nur am Rande eine Rolle spielen. Bei der Diskussion im Bundeskabinett, an welcher der Gast aus Frankreich teilnimmt, wird es um das unverfänglichere Thema der europäischen Industriepolitik gehen.

Allerdings soll es an diesem Mittwoch auch ein separates Treffen zwischen Lindner und Le Maire geben. In der Diskussion um die strengen Haushaltsauflagen hat der deutsche Amtsinhaber inzwischen einen Trumpf in der Hand: Wegen der gestiegenen Zinsen wird die Haushaltspolitik auf Pump inzwischen ziemlich kostspielig – und zwar für alle EU-Mitgliedstaaten.

Der haushaltspolitische Sprecher der FDP-Fraktion, Otto Fricke, erinnerte daran, dass Deutschland die D-Mark nur aufgegeben habe „im Vertrauen auf eine ebenso starke gemeinsame europäische Währung“. „Deshalb können wir auf keinen Fall die Axt an diese Säule der europäischen Einigung anlegen und das Regelwerk aufweichen“, sagte er dem Tagesspiegel weiter. Ebenso wenig dürfe man „den Vollzug der geltenden Regeln weiter aufweichen“.

Nach den Worten von Fricke sei für Deutschland und die FDP die Einigung auf gemeinsame Regeln für die Überwachung und Koordinierung der nationalen Finanzpolitiken „eine entscheidende Säule der großen Einigung in Europa“.

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