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Robert Habeck, Olaf Scholz und Christian Lindner.

© dpa/Kay Nietfeld

Update

Was folgt aus dem Karlsruher Urteil?: Ampel verhängt Ausgabensperre für den Klimafonds 

Der Bund hatte den Haushalt 2021 trotz Schuldenbremse mit 60 Milliarden Euro aufgestockt. Grund war die Corona-Krise. Nun wollte man das Geld aber für den Klimaschutz nutzen. Das ist jedoch verfassungswidrig.

| Update:

Nach dem Urteil des Verfassungsgerichts zum Haushalt legt die Bundesregierung Vorhaben vorübergehend auf Eis, die aus dem Klima- und Transformationsfonds finanziert werden sollten.

Das gelte für Verpflichtungsermächtigungen für 2024 und die Folgejahre - mit Ausnahme von Maßnahmen zur Förderung der Energieeffizienz und der Erneuerbaren Energien im Gebäudebereich, sagte Finanzminister Christian Lindner (FDP) am Mittwoch in Berlin. „Wir werden umgehend damit beginnen, einen neuen Wirtschaftsplan für den Klima-und Transformationsfonds für die Jahre 2024 fortfolgend aufzustellen.“

Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) betonte, alle zugesagten Verpflichtungen würden eingehalten. Er nannte zudem Beispiele für Vorhaben aus dem Klima- und Transformationsfonds: die Übernahme der Ökoenergie-Umlage und damit die Senkung der Stromkosten für alle Verbraucherinnen und Verbraucher, die Förderung von Gebäudesanierung durch neue Fenster, Türen und Dämmung, die Förderung von E-Mobilität inklusive der Ladesäulen-Infrastruktur, Unterstützung von Geothermie-Projekten und Ausbau von Fernwärme.

Das Bundesverfassungsgericht hatte am Mittwochmorgen geurteilt, dass der Bund zur Bekämpfung der Corona-Krise gedachte Gelder nicht für den Klimaschutz nutzen darf. Die Änderung des Nachtragshaushalts 2021 sei verfassungswidrig, verkündete das höchste Gericht Deutschlands in Karlsruhe. Die Unionsfraktion im Bundestag hat damit erfolgreich gegen das Umschichten geklagt.

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Trotz des Urteils will die Ampel-Koalition am Zeitplan für den Bundeshaushalt 2024 festhalten. „Der Deutsche Bundestag wird seine Beratung über den Haushalt 2024 wie geplant fortsetzen“, sagte Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) am Mittwoch in Berlin. Die so genannte Bereinigungssitzung des Haushaltsausschusses bleibe für diesen Donnerstag terminiert, der Haushalt werde dann planungsgemäß zur Abstimmung gestellt.

Klar sei auch, dass das Urteil Auswirkungen auf den Klima- und Transformationsfonds haben werde. „60 Milliarden Euro an Zuflüssen aus dem Jahr 2021 stehen nun ja nicht mehr zur Verfügung.“

Der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts.
Der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts.

© dpa/Uli Deck

Scholz betonte: „Die Bundesregierung wird dieses Urteil des Bundesverfassungsgerichts genau beachten.“ Das Urteil, die umfangreiche Begründung und die Folgen würden nun gemeinsam mit dem Bundestag genau ausgewertet. Das Urteil habe möglicherweise Auswirkungen auf die Haushaltspraxis nicht nur im Bund, sondern auch in den Ländern, sagte der Kanzler. „Insofern gebietet sich eine so sorgfältige Betrachtung auch.“

Geld für die Corona-Krise darf nicht für den Klimaschutz genutzt werden

Wegen der Notfallsituation während der Corona-Pandemie hatte der Bund den Haushalt 2021 nachträglich in Form einer Kreditermächtigung um 60 Milliarden Euro aufgestockt. In solch außergewöhnlichen Situationen ist es trotz Schuldenbremse möglich, Kredite aufzunehmen.

Am Ende wurde das Geld aber nicht für die Bewältigung der Pandemie und ihrer Folgen gebraucht. Die Bundesregierung aus SPD, Grünen und FDP wollte das Geld daher für den sogenannten Klima- und Transformationsfonds nutzen und schichtete es mit Zustimmung des Bundestages 2022 rückwirkend um.

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197 Abgeordnete der Unionsfraktion im Bundestag klagten dagegen in Karlsruhe, weil aus ihrer Sicht auf diese Weise die Schuldenbremse umgangen wird.

„Wir sind auf die Szenarien vorbereitet“, sagte die Parlamentarische Geschäftsführerin der SPD-Bundestagsfraktion, Katja Mast, zum Urteil des Gerichts. „Zum jetzigen Zeitpunkt gehe ich davon aus, dass wir den Haushalt dennoch zum 1. Dezember verabschieden.“ Dies gelte nach jetzigem Stand auch für die Bereinigungssitzung am Donnerstag. „Die Entscheidung hat keine Konsequenz für die Klimaziele der Koalition“, betonte Mast, die darauf verwies, dass man sich das Urteil nun genau anschauen müsse. Sie sei offen auch für eine Debatte über die Schuldenbremse.

Wie der Tagesspiegel erfuhr, sagte der Unionsfraktionschef Friedrich Merz in einer Sonder-Fraktionssitzung: „Das Urteil ist ein großer Erfolg für die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler. Eine historische Entscheidung wie in Zukunft Bundeshaushalte aufgestellt werden.“ Die Union hat eine aktuelle Stunde zum Urteil beantragt.

Ifo-Präsident: „Erhebliche Einschränkungen für die kommenden Jahre“

Das Urteil hat nach den Worten von Ifo-Präsident Clemens Fuest weitreichende Folgen für die Finanzpolitik in Deutschland. „Für die Bundeshaushalte der kommenden Jahre ergeben sich erhebliche Einschränkungen, was Ausgaben für die staatliche Unterstützung der Dekarbonisierung angeht“, sagte Fuest am Mittwoch der Nachrichtenagentur Reuters.

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Eine Option bestehe darin, nun doch noch für 2023 oder 2024 erneut eine Notlage festzustellen, die Vorgaben der Schuldenbremse für normale Zeiten nicht einzuhalten und die Neuverschuldung zu erhöhen. „Ob das mit dem Grundgesetz vereinbar wäre, ist nach diesem Urteil allerdings fraglich“, sagte Fuest.

Man müsste die Notlage als Folge des russischen Angriffs auf die Ukraine darstellen, dieser Angriff liege nun aber schon mehr als anderthalb Jahre zurück, erläuterte der Top-Ökonom. „Alternativ bleibt der Bundesregierung nur die Option, Ausgaben zu kürzen und umzuschichten oder die Steuern zu erhöhen.“ Zumindest die FDP hat Steuererhöhungen in dieser Legislaturperiode allerdings ausgeschlossen. „Jenseits der aktuellen Folgen für den Bundeshaushalt signalisiert das Urteil, dass finanzpolitische Manöver zur Umgehung der Schuldenbremse vom Bundesverfassungsgericht kritisch beobachtet und stark eingeschränkt werden“, fügte Fuest hinzu.

Die Schuldenbremse ist nicht mehr zeitgemäß.

DIW-Präsident Marcel Fratzscher

DIW-Präsident Marcel Fratzscher sieht in dem Urteil einen Anstoß zur Reform der Schuldenbremse. „Die Versuche der Bundesregierungen in den vergangenen zwölf Jahren, die Schuldenbremse zu umgehen, haben immer absurdere Züge angenommen“, sagte Fratzscher. „Die Schuldenbremse ist nicht mehr zeitgemäß, weil sie der Politik notwendigen Spielraum nimmt, um Krisen zu bekämpfen und Zukunftsinvestitionen zu tätigen.“ Es sei heute dringender denn je, dass die Bundesregierung eine Investitionsoffensive für Zukunftsinvestitionen starte – in Bildung, Klimaschutz, Innovation und Infrastruktur.

Schwere Zeiten für die Ampel-Koalition?

Ökonom Jens Südekum sieht schwere Zeiten für die Ampel-Koalition aufziehen. „Das stellt die Bundesregierung vor das größte wirtschaftspolitische Problem dieser Legislaturperiode“, sagte der Professor für internationale Volkswirtschaftslehre des Instituts für Wettbewerbsökonomie an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf zu dem Urteil.

Die 60 Milliarden Euro seien für die kommenden Jahre vollständig verplant, für Fördermaßnahmen im Bereich der Gebäudesanierung und Heizungstausch, für Senkungen der Strompreise, für Subventionen. „All das steht jetzt zur Disposition.“ Kurzfristig könne die Bundesregierung auf andere Rücklagen zurückgreifen, die noch im Klima- und Transformationsfonds (KTF) liegen. „Aber das ist nur eine Notoperation und wird nicht lange reichen.“

„Spätestens im kommenden Jahr ist die Rücklage dann leer und es stellt sich die Grundsatzfrage, wie die Bundesregierung ihre geplante Klimapolitik dann finanzieren will“, sagte Südekum. Das sei eine Mammutaufgabe, eine einfache Lösung dafür nicht in Sicht. Es dürfe jetzt aber nicht zu massiven Kürzungen im Bereich der Klimapolitik kommen. „Das wäre ein Schlag ins Gesicht der kommenden Generationen und des gesamten Wirtschaftsstandorts, der sich ja auf den Weg in Richtung Transformation gemacht und dabei auch auf den KTF vertraut hat.“

Der Erste Parlamentarische Geschäftsführer der FDP-Fraktion, Johannes Vogel, begrüßte das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Schuldenbremse. „Das Bundesverfassungsgericht härtet die Schuldenbremse weiter aus und stärkt damit die Generationengerechtigkeit. Für die vorgesehenen Ausnahmeregelungen, die sowohl diese als auch die Vorgängerregierung genutzt haben, besteht nun verfassungsrechtliche Klarheit“, sagte er dem Tagesspiegel.

„Die Schuldenbremse gilt - das war und ist für die FDP und mich vollkommen klar“, sagte er. Er spricht sich damit gegen Stimmen der Grünen aus, die die Schuldenbremse abschwächen wollen. „Die Koalition muss im Klima- und Transformationsfonds nun priorisieren. Für den Klimaschutz ist ohnehin Ordnungspolitik entscheidender: Ein dichter Deckel für CO2 und die Bepreisung über den Zertifikatehandel. Dieser gewinnt jetzt noch mehr an Bedeutung“, sagte er und betonte damit die Wichtigkeit des CO2-Preises für die Finanzierung des Klimaschutzes.

CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt nannte eine „gigantische Klatsche“ für die Ampel-Koalition. „Der Ampel fliegt ihre unseriöse Haushaltspolitik um die Ohren“, sagte Dobrindt den Zeitungen der Mediengruppe Bayern. Die Regierung habe „Milliarden, die sie nicht hätten anrühren dürfen, genommen, um daraus ihre links-grünen Luftschlösser zu finanzieren“, kritisierte Dobrindt weiter.

Das Gericht habe deren „Schummel-Politik“ nun beendet, sagte den Zeitungen CSU-Generalsekretär Martin Huber. Die ganze Haushaltsplanung der Ampel sei damit hinfällig, mahnte Huber. „Wer unfähig ist, einen verfassungskonformen Haushalt auf die Beine zu stellen, ist regierungsunfähig. Die Ampel ist auf ganzer Linie gescheitert“, sagte der CSU-Politiker weiter. (Tsp/dpa/Reuters)

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