zum Hauptinhalt
Geht sein Etatplan auf? Finanzminister Christian Lindner.

© Imago/Political-Moments

Eng gestrickt und aus Karlsruhe bedroht?: Nervöses Endspiel um den Bundeshaushalt

Die Ampel-Koalition steckt in den letzten Zügen der Etataufstellung für 2024. Ausgerechnet jetzt kommt ein möglicherweise folgenreiches Urteil des Bundesverfassungsgerichts.

Ist es ein Zufall, dass das Bundesverfassungsgericht an diesem Mittwoch eine Entscheidung zur Finanzpolitik der Ampel-Koalition verkündet – einen Tag vor der letzten Sitzung des Haushaltsausschusses des Bundestags zum Etat für 2024, der sogenannten Bereinigungssitzung? Eines darf man zumindest annehmen: Die ohnehin nervösen Etatgespräche in den Regierungsfraktionen hat diese Terminsetzung nicht erleichtert.

In Karlsruhe wird es um den Nachtragsetat 2021 gehen, mit dem die Koalition Kreditermächtigungen im Umfang von 60 Milliarden Euro aus dem regulären Haushalt in den damaligen Energie- und Klimafonds umgebucht hat.

Diese Neuverschuldung war noch von Schwarz-Rot für die Pandemiebekämpfung vorgesehen, musste dafür aber nicht genutzt werden. So griff die Ampel darauf zu und deklarierte den Schritt als nachträgliche Pandemiebekämpfung mittels Konjunkturpolitik. Die Unions-Fraktion sah darin jedoch eine Umgehung der Schuldenbremse und klagte in Karlsruhe.

Der mit den 60 Milliarden Euro gefüllte Fonds heißt nun Klima- und Transformationsfonds (KTF) und ist das Hauptfinanzierungsvehikel für Dutzende klima- und wirtschaftspolitische Maßnahmen abseits des regulären Haushalts.

Dass die Verfassungsrichter das Umbuchungsmanöver komplett kippen, gilt im Bundestag und unter Verfassungsjuristen als wenig wahrscheinlich. Aber sie könnten es dennoch als Umgehung der Schuldenbremse werten und Leitlinien aufstellen, wie mit solchen Notfallkrediten in Ausnahmezeiten künftig umzugehen ist.

Einschränkung für Nebenetat?

Und das könnte die weitere Nutzung des KTF einschränken, was wiederum Rückwirkungen auf den Etat 2024 und die weitere Finanzplanung hätte. Entsprechend herrscht nervöse Anspannung in der Koalition – und in der Union gespannte Erwartung.

Zumal wenn, wie es im Bundestag heißt, die sogenannte Bereinigungsvorlage des Finanzministeriums nicht ganz im Lot sei. Will heißen: Die Nachträge und Umsteuerungen nach der jüngsten Steuerschätzung und aufgrund einiger Gesetzesänderungen führen noch nicht zu einem völlig ausgeglichenen Haushalt. Das aber muss bis zum Beschluss im Haushaltsausschuss in der Nacht zu Freitag passieren.

FDP will konsolidieren

In der FDP hieß es am Dienstag, man bestehe weiter auf Haushaltsklarheit und stehe zur Linie, den Bundesetat weiter zu konsolidieren. SPD und Grüne dagegen pochten nach der Vorlage des Regierungsentwurfs im Sommer darauf, dass noch größere Änderungen im Etat vorgenommen werden. Aber Ausgabenwünsche wurden offenbar vom Finanzministerium weitgehend abgeblockt.

Der nächste Etat ist sehr eng gestrickt. Da schafft auch nur wenig Erleichterung, dass nach der Bereinigungsvorlage der Bundeszuschuss zur allgemeinen Rentenversicherung nochmals um 245 Millionen Euro verringert werden konnte. Allerdings musste dem Etat von Gesundheitsminister Karl Lauterbach ein bisher nicht eingeplanter Zuschuss zur Beschaffung von Covid-Impfstoff zu gebucht werden – in Höhe von fast 350 Millionen Euro, was den Spielraum wieder kleiner macht.

Was sich im Etat noch bewegt hat

Die Erhöhung der Militärhilfe für die Ukraine um vier Milliarden Euro ist schon bekannt – sie dürfte viele kleine Wünsche der Fachpolitiker erledigt haben. Zur Umsetzung eines Verfassungsgerichtsurteils von 2020, in dem letztlich eine bessere Vergütung im einfachen und mittleren Dienst verlangt wurde, sind jetzt 1,9 Milliarden Euro zusätzlich veranschlagt.

Die Zuschüsse an die stromintensiven Unternehmen wachsen im Vergleich zum Regierungsentwurf um 1,3 Milliarden Euro. Aufgestockt wurden auch die Fördermittel zu Energieeffizienz und erneuerbare Energien im Gebäudebereich, und zwar um fast 800 Millionen Euro. Auch für den Kinderzuschlag musste mehr eingeplant werden – das Plus beträgt 220 Millionen Euro. Um 500 Millionen Euro wurden die Investitionen in die Infrastruktur der Bundesbahn erhöht.

„Globale Mindereinnahme“

Zusätzlich Spielraum aus dem Etat nimmt eine deutlich erhöhte Globale Mindereinnahme in Höhe von 4,5 Milliarden Euro. Ein solcher Schritt deutet darauf hin, dass der Finanzminister bei den Steuereinnahmen vorsichtig sein muss – weil es schon „feststehende, aber noch nicht etatreife Maßnahmen“ finanzieren muss, wie es in der Vorlage heißt.

Quer durch die 459 Seiten der Bereinigungsvorlage ziehen sich allerdings auch teils deutliche Erhöhungen bei den Verpflichtungsermächtigungen – also den Planungen für die Haushaltsjahre nach 2024. Sie betreffen nicht zuletzt Maßnahmen, die über den KTF finanziert werden. Sollte das Verfassungsgericht an diesem Mittwoch ein kritisches Urteil fällen, könnte die Ampel hier wieder streichen müssen.

Die Finanzplanung – also die Finanzierung der Etats ab 2025 – ist ohnehin das Feld, auf dem im Hintergrund zwischen SPD, Grünen und FDP heftig gerungen wird. Da klaffen Lücken – und in zwei Jahren wird ein neuer Bundestag gewählt.

Im Bundestag, in der Koalition wie in der Union, fragt man sich bereits, wie die Ampel bei den auseinanderstrebenden haushaltspolitischen Zielen im kommenden Jahr einig werden will. SPD und Grüne haben höhere Ausgabenwünsche. Die FDP aber will sich weiter damit profilieren, den Etat zu konsolidieren und die Wünsche nach Mehrausgaben abzublocken.  

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false