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In den Sondervermögen liegen Milliarden Euro auf Jahre hinaus. 

© dpa/Marc Müller

Sondervermögen des Bundes: Die Ampel und ihre drei Mega-Fonds – mit begrenzter Wirkung?

Die Bundesregierung hat riesige kreditfinanzierte Nebenetats aufgelegt, weitere gibt es schon länger. Eine gute Sache? Oder wird da nur viel Geld ineffektiv geparkt?

Nebenhaushalte, auch Sondervermögen genannt, sind gerade sehr in Mode. Die Bundesregierung hat sich einige zugelegt. Die Länder haben es auch getan. Dahinter verstecken sich meist Geldtöpfe, in denen abseits des regulären Haushalts Geld gebunkert wird – für bestimmte Zwecke, für eine bestimmte Dauer.

Das hat Vorteile. Regierungen können so Riesensummen mobilisieren für meist längerfristige Aufgaben, die damit auch langfristig gesichert sind. Es gibt aber auch Nachteile. Kritiker wie der Bundesrechnungshof sehen in diesen Nebenetats Risiken wie Intransparenz und mangelnde Kontrolle durch die Parlamente (und auch Rechnungshöfe).

Zudem werden diese Sondervermögen häufig mit Krediten finanziert. Damit kann die Schuldenbremse im Grundgesetz, die für Bund und Länder gilt, umgangen werden. Nicht aber die europäische Schuldenregel – alle neuen Schulden für Nebenetats werden auf die beiden Hauptkriterien angerechnet, also drei Prozent der Wirtschaftsleistung pro Jahr und 60 Prozent des Bruttoinlandsprodukts in der Gesamtheit. Das schafft zumindest ein bisschen Disziplin.

Dennoch ist die Politik gerade sehr darauf aus, mit Sondervermögen nebenher zu wirtschaften. Denn die Krisenjahre haben es möglich gemacht, die Ausnahmeklausel der Schuldenbremse zu nutzen und Sondervermögen auf Pump einzurichten, die der Krisenbewältigung dienen sollen, mal mehr, mal weniger. Eine zweite Einkunftsquelle von Sondervermögen sind Sondereinnahmen, die zweckgebunden eingesetzt werden können.

Die schwarz-rote Koalition in Berlin hat eben erst einen Nebenetat beschlossen, mit einem Volumen von zehn Milliarden Euro, reserviert für klimapolitische Ausgaben. Das Saarland hat drei Milliarden Euro in einem Topf für Zukunftsinvestitionen, um die wirtschaftliche Neuorientierung des Landes anzugehen. Auch Bremen hat solch einen Sondertopf, in Nordrhein-Westfalen wurden ebenfalls Krisenmittel nebenher geschaffen, wenn auch auf ein Jahr begrenzt.

Aber es ist vor allem der Bund, der sich eine umfangreiche Nebenwirtschaft mit Sondervermögen eingerichtet hat. Das begann mit dem Energie- und Klimafonds schon vor einem Jahrzehnt, der aber erst mit dem Regierungsantritt der Ampelkoalition zu einem wuchtigen Instrument ausgebaut und in Klima- und Transformationsfonds (KTF) umgetauft wurde.

Gegen das Virus und Putin

Der Wirtschaftsstabilisierungsfonds (WSF) wurde im ersten Corona-Jahr für Stützungsmaßnahmen gegründet, um dann von der Ampel zur Dämpfung der Energiekrise weiterbetrieben zu werden.

Drittens wurde schließlich – als Reaktion auf die durch Putins Krieg bedingte militärisch-politische „Zeitenwende“ – das Sondervermögen Bundeswehr ins Leben gerufen, ein Megatopf zur Modernisierung der Bundeswehr. Dieses vor allem weckt nun Wunschträume nach weiteren solchen Nebenhaushalten. Denn es ist ressortbezogen, sozusagen ein Nebenetat des Verteidigungsministeriums allein, während WSF und vor allem KTF breiter angelegt sind.

Jede Lobby hat Bedarf

Nun aber hat jede Ressortlobby eine solche Lösung für ihre Interessen vor Augen. Schon vor Monaten verlangte die Deutsche Krankenhausgesellschaft ein Sondervermögen für den Umbau der Klinikversorgung – Transformation ist ohnehin das Zauberwort im neuen Metier der Nebenetatwirtschaft. Zuletzt gab es Forderungen nach einem Sondervermögen für den Wohnungsbau. Stets stehen Milliardenwünsche dahinter, gerne auch zweistellig.

In der Haushaltspolitik nicht immer einer Meinung: Finanzminister Christian Lindner und Wirtschaftsminister Robert Habeck.

© dpa/Kay Nietfeld

Es wirkt fast so, als ob sich hier eine Pandora-Büchse auftut. Das Dumme aus Sicht der Befürworter der Finanzwirtschaft per Sondervermögen ist allerdings, dass zumindest der Bundesfinanzminister (bisher unterstützt vom Kanzler) die Krisenzeiten vorerst für beendet erklärt hat und damit auch die Nutzung der Sonderklausel der Schuldenbremse. Aber jede Lobby lebt davon, ihr eigenes Feld als krisenbehaftet zu betrachten und daher mehr Geld zu fordern.

Ob die Mittel in Sondervermögen immer vernünftig eingesetzt werden, ist eine andere Frage. Denn auch in Nebenetats ist Verschwendung möglich, auch wenn die Konstruktion von Sondervermögen diese nicht begünstigt – denn nicht genutzte Mittel können in aller Regel auf das nächste Jahr geschoben werden.


Der unberechenbare KTF

Das Problem des Verfallens der Mittel (und damit des Ausgebens um des Ausgebens willen) ist damit geringer. Ein Blick in die drei großen Nebenetats des Bundes zeigt die Vor- und Nachteile des Wirtschaftens mit Sondervermögen.

Der Riesenfonds ist mit einem Riesenfundus aus Kreditermächtigungen ausgestattet. 60 Milliarden der mehr als 100 Milliarden Euro, die der Fonds aktuell zur Verfügung hat, wurden gleich zu Beginn der Ampel-Regierung im Dezember 2021 in einer Kurzfristaktion mobilisiert, indem nicht genutzte Kreditermächtigungen zur Corona-Bekämpfung umgewidmet wurden. Gegen das Vorgehen hat die Union in Karlsruhe geklagt, eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts wird für den Herbst erwartet.

Nicht zuletzt Solarenergie soll aus dem KTF gefördert werden.

© Imago/Jochen Tack

Der KTF ist ein Mittel für viele Zwecke. Es liegt immens viel Geld bereit. Zudem fließen dem KTF laufend Mittel zu, und zwar aus dem Treibhausgas-Emissionshandel und der Kohlendioxid-Bepreisung. In diesem Jahr werden daraus Einnahmen in Höhe von 15 Milliarden Euro erwartet. Der Wirtschaftsplan für 2023 hat 37 Seiten, ungefähr so viel wie ein mittleres Ministerium.

Dem Abschlussbericht zum Etat 2022 ist allerdings zu entnehmen, dass zwischen Plan und Wirklichkeit eine gewisse Diskrepanz besteht. Für Investitionen waren 19,2 Milliarden Euro reserviert. Tatsächlich flossen nur elf Milliarden ab. Für Zuweisungen und Zuschüsse standen 8,7 Milliarden Euro bereit, in der Ist-Bilanzspalte stehen aber nur 2,7 Milliarden. Eine Erfolgsquote von etwa 50 Prozent also, nicht gerade beeindruckend.

Nun sollen auch Ausgaben über den KTF gestemmt werden, die man eigentlich im Etat eines Fachressorts erwarten würde. Investitionen für die Bahn etwa werden 2024 über den KTF finanziert.


WSF – Objekt der Begierde

Noch deutlich mehr Geld liegt im Wirtschaftsstabilisierungsfonds. Per Gesetz wurde die Neuauflage im Herbst 2022 auf einen Zweck zugeschnitten – er soll Energiehilfen finanzieren. Dafür wurden 200 Milliarden Euro an Kreditermächtigungen für drei Jahre bis 2024 bereitgestellt.

Und zwar auf einen Schlag, denn noch einmal wurde die Notlagenklausel der Schuldenbremse genutzt, die ab 2023 aber nicht mehr gelten sollte – so der Beschluss der Ampel. Nach der Befüllung des KTF mit Corona-Milliarden war das die zweite Kreditaufnahme auf Vorrat binnen eines Jahres.

Im vorigen Jahr wurden für die Energiepreisbremsen und andere Stützungsmaßnahmen gut 30 Milliarden Euro gebraucht. Von den verbliebenen knapp 170 Milliarden Euro sind nach dem WSF-Wirtschaftsplan im laufenden Jahr zwar 120 Milliarden als Ausgabe vorgesehen, aber das Geld wird nach den Schätzungen bei Weitem nicht gebraucht. Sie liegen zwischen 18 und 38 Milliarden Euro.

Die Gaspreisbremse wird aus dem WSF finanziert.

© dpa/Axel Heimken

Daher wird der WSF nun zum Objekt der Begierde im Streit um den Industriestrompreis. Der könnte über den WSF zumindest bis April 2024 gezahlt werden, bis dahin läuft der WSF nach dem Gesetz, nicht genutzte Kreditermächtigungen verfallen dann. Es sei denn, es wird für die Preissubvention zugunsten energieintensiver Unternehmen verwendet. Ob das nach der Zweckbindung tatsächlich möglich ist, dazu gibt es allerdings unterschiedliche Meinungen.

Eine Phalanx von Interessenten mit Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) an der Spitze will das Sondervermögen jedenfalls dafür nutzen. Finanzminister Christian Lindner (FDP) lehnt das ab. Es würde die Belastung des Bundes mit Schulden und Zinsen erhöhen. Der Streit zeigt immerhin, wie Sondervermögen, wenn üppig gefüllt, zur veränderten Nutzung verleiten können.


Sondervermögen mit Anlaufproblemen

Der Riesenfonds für die Bundeswehr hat ein Volumen von 100 Milliarden Euro (ebenfalls über Kredite finanziert) und soll nach dem Willen der Ampel-Regierung binnen weniger Jahre erschöpft sein. Vorerst sieht es nicht danach aus. Im Entstehungsjahr 2022 wurde praktisch nichts ausgegeben, was wenig verwundert, denn die Beschaffung von großen Rüstungsgütern braucht einerseits zeitlichen Vorlauf und läuft andererseits auch meist mehrere Jahre.

100 Milliarden stehen im Sondervermögen für Waffenkäufe bereit.

© dpa/Maurizio Gambarini

Nach dem Wirtschaftsplan sind in diesem Jahr Ausgaben in Höhe von 8,9 Milliarden Euro geplant, verteilt über drei Dutzend Projekte. Im kommenden Jahr liegt das Soll bei gut 19 Milliarden Euro. Ob das schlussendlich klappt, ist vorerst unklar. Wenn die tatsächliche Ausgabequote ähnlich hoch ist wie beim KTF, wird das Ziel, die Bundeswehr binnen weniger aus dem Topf umzurüsten, wohl nicht gelingen.

Die Gefahr liegt auf der Hand: Wie bei den anderen Nebenetats ist Geld, das liegenbleibt, nicht sicher vor unlauteren Zwecken. In diesem Fall immerhin muss es für die Armee ausgegeben werden, das ist gesetzlich sichergestellt. 


Nebenetats aus fernen Zeiten

Nebenhaushalte können ein langes Leben haben – sie können aber einen vorzeitigen Tod sterben. Das Sondervermögen „Digitale Infrastruktur“ hat die Ampel gerade aufgelöst. Es wurde 2018 in die Welt gesetzt, gespeist unter anderem aus Mobilfunklizenz-Erträgen.

Der Zweck: Förderung des Netzausbaus in ländlichen Regionen und Finanzierung der Digitalisierung in Schulen. Aber auch hier zeigte sich, dass das Geld nicht richtig abfloss. 2022 waren 3,4 Milliarden für Investitionen geplant. Die Bilanz lautete: eine Milliarde. Die Rücklage im Fonds wurde jetzt aufgelöst und in den regulären Etat übernommen.

Der Netzausbau wird vom Bund gefördert.

© dpa/Marco Rauch

Das Sondervermögen „Aufbauhilfe 2021“ soll Schäden der Flutkatastrophe im Westen und Süden der Republik vor zwei Jahren ausgleichen helfen. Es hat noch Anlaufschwierigkeiten. 13,7 Milliarden Euro waren 2022 für Investitionen reserviert – am Ende floss weniger als eine Milliarde. Das Sondervermögen zur „Aufbauhilfe“ nach der Flut 2013 gibt nach zehn Jahren immer noch Mittel aus, von den ursprünglichen acht Milliarden Euro ist ein Zehntel noch vorhanden. 

Auch die Kommunen haben ihren Fonds

Schon seit 2015 gibt es das Sondervermögen, über das kommunale Investitionen mitfinanziert werden sollen. Damals wurden sieben Milliarden Euro bereitgestellt, aber nach sieben Jahren ist noch viel Geld da. 2,8 Milliarden Euro betrug die Rücklage zu Beginn des vorigen Jahres noch, am Jahresende waren es 2,1 Milliarden. 740 Millionen Euro hatten die Kommunen abgerufen.

Auch das 2017 bereitgestellte Sondervermögen für den Kita-Ausbau hat noch Geld. So wie auch das 2020 eingerichtete Sondervermögen für den Ausbau der Ganztagsbetreuung an Grundschulen.

All diese Nebenetats haben eines gemeinsam: Es sind darin Mittel langfristig vorgesehen – und damit auch langfristig gebunden. Ob sie effektiv verwendet werden, ist nicht immer ganz klar – wie oft, wenn Mittel nicht in der Konkurrenz mit anderen Ausgaben stehen, sondern reserviert sind. Und eine Lehre ist offenkundig: Das Bereitstellen von Geld für Investitionen ist noch keine Investition. Dass Mittel bisweilen schlecht abfließen, ist ein Merkmal vieler Sondervermögen.

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