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Folgen sie dem Kanzler noch?

© picture alliance/dpa

Die Ampel blockiert sich selbst: Was ist das Wort des Kanzlers noch wert?

Mit ihrer Blockade beim Heizungsgesetz bringt die FDP die Regierung an den Rand der Handlungsfähigkeit. Doch die Verantwortung für den Dauerstreit tragen alle drei Parteien.

Ein Kommentar von Felix Hackenbruch

Am Tag, der die mittelschwere Regierungskrise der Ampel zementiert, wäre für alle Beteiligten die Lektüre des eigenen Koalitionsvertrags eine sinnvolle Beschäftigung gewesen. „Wir wollen eine Kultur des Respekts befördern – Respekt für andere Meinungen, für Gegenargumente und Streit, für andere Lebenswelten und Einstellungen“, heißt es dort in der Präambel. 

Wenn es SPD, Grünen und FDP gelinge, gemeinsam Dinge voranzutreiben, „kann das ein ermutigendes Signal in die Gesellschaft hinein sein: dass Zusammenhalt und Fortschritt auch bei unterschiedlichen Sichtweisen gelingen können“.

Eineinhalb Jahre nachdem die Ampel-Verhandler in bemerkenswerter Vertrautheit ihren Vertrag beschlossen haben, muss man festhalten, dass die Koalition ihren eigenen Ansprüchen nicht gerecht wird. Beim Heizungsgesetz, das nun trotz Kabinettsbeschluss und mehrfacher Vereinbarungen vorerst nicht im Bundestag beraten wird, zeigt sich, dass es SPD, Grünen und FDP eben nicht gelingt, ihre Gräben zu verlassen.

Es wird öffentlich gestritten, borniert beharrt und beinhart blockiert. Aus der selbsternannten Fortschrittskoalition ist eine Stillstandstruppe geworden, die sich kaum noch in die Augen schauen kann.

Die FDP poltert lauter denn je

Natürlich ist es noch keine Regierungskrise, wenn einmal ein Gesetz ein bisschen mehr Anlauf und Beratungen benötigt. Doch es hakt an allen Ecken und Enden. Beim Haushalt gibt es seit Monaten nicht einmal Eckwerte, die China-Strategie ist bald vergessen, die Kindergrundsicherung ist irgendwo zwischen den Ressorts verloren gegangen.

Überall Streit, überall Blockaden. Beim Atomausstieg brauchte es erst einen theatralischen Kanzler-Brief mit Verweis auf seine Richtlinienkompetenz, um den Knoten zwischen Grünen und FDP zu zerschlagen.

Doch schlimmer als der Streit wiegt die Tatsache, dass die vereinbarten Ampel-Worte das Papier nicht wert sind, auf dem sie geschrieben stehen. Viermal haben sich SPD, Grüne und FDP auf das Einbauverbot von fossilen Heizungen verständigt. Im Koalitionsvertrag, zweimal im Koalitionsausschuss und zuletzt im Kabinett. Und doch poltert die FDP lauter denn je und will ein komplett neues Gesetz.

Dass Kritik an dem Gesetzentwurf berechtigt ist, haben die Diskussionen der vergangenen Wochen gezeigt. Die Ausnahmeregelung für 80-Jährige scheint verfassungsrechtlich unhaltbar, Mieter müssen besser vor Modernisierungskosten geschützt werden, für Geringverdiener braucht es mehr Unterstützung, eine kommunale Wärmeplanung wäre sinnvoll und auch die Fixierung auf Wärmepumpen ist ein Problem. All das könnten die selbstbewussten Parlamentarier der Liberalen mit ihren Koalitionspartnern im Bundestag verhandeln.

Sehr, sehr, sehr gute Ergebnisse.

Das Versprechen von Kanzler Scholz nach dem 30-stündigen Koalitionsausschuss

Doch mit ihrer kategorischen Blockade bringt die FDP die Ampel an den Rand der Handlungsfähigkeit. Als Problem dieses Bündnisses erweist sich zunehmend, dass keine Partei der anderen etwas gönnen kann.

Die Liberalen knüpfen ihre Zustimmung zum Heizungsgesetz plötzlich an das Klimaschutzgesetz, das novelliert werden soll. Die Grünen wiederum drohen im Hintergrund schon mit einer Blockade beim LNG-Gesetz für das Terminal vor Rügen und auch beim beschlossenen beschleunigten Ausbau der Autobahnen geht nichts voran.

Der Vorgang stellt zudem offen die Autorität des Kanzlers in Frage. „Sehr, sehr, sehr gute Ergebnisse“ hatte Olaf Scholz (SPD) kurz vor Ende des 30-stündigen Koalitionsausschuss versprochen. Das war schon von den Beschlüssen kaum gedeckt, doch wenn diese dann nicht einmal umgesetzt werden, muss man sich fragen, was das Wort des Kanzlers in der Koalition noch wert ist. Der kleinste Partner der Ampel folgt ihm nicht.

Mit ihrer Anti-Haltung bei jeglichen Klimaschutzbemühungen wirkt die Partei zunehmend anachronistisch. Die Grünen wiederum scheinen das Gespür dafür verloren zu haben, was man der Bevölkerung zumuten kann. Und die SPD übt sich dort in Zurückhaltung, wo Führung notwendig wäre.

Die Ampel war schon einmal weiter, wie der Blick in den Koalitionsvertrag zeigt: „Die Welt ist am Beginn eines Jahrzehnts im Umbruch, deshalb können wir nicht im Stillstand verharren.“ Alle drei Parteien sollten sich darauf besinnen.

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