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Reste einer römischen Handels- und Militärstraße auf Sardinien.

© Wikimedia / MBoesch

Optimal kalkuliert: Was wir von römischer Stadtplanung lernen können

Straßen, Schienen, Leitungen: Die Sichtbarmachung historischer Entscheidungsprozesse könnte wertvolle Hinweise für aktuelle politische Entscheidungen liefern.

Von Patricia Pätzold

Waffen, Truppen und Waren schnell und gewinnbringend im Herrschaftsbereich verteilen – das war das vorrangige Ziel der Römer beim Aufbau ihres Imperiums. So schufen sie ein rund 80.000 Kilometer langes Straßennetz quer durch Europa. Es sollte möglichst effektiv der Mehrung ihres Einflusses und ihres Wohlstandes dienen.

Viele dieser Straßen und Wege existieren immer noch, wurden weiter vernetzt, aus- und umgebaut, ließen anliegende Städte und Regionen aufblühen – andere sind verschwunden. Doch die Kosten-Nutzen-Analysen und Pläne, nach denen antike Bauherren und Militärs den Ausbau vorantrieben, können uns heute wertvolle Hinweise für aktuelle politische Entscheidungen geben: zum Beispiel für den Aufbau moderner Straßen-, Schienen- oder Leitungsnetze.

Forscher:innen der TU Berlin, des Exzellenzclusters Math+ und des Deutschen Archäologischen Instituts wollen daher die historischen Entscheidungsprozesse sichtbar machen, die bis heute Verkehrsfluss, Handel, Tourismus und Wohlstand beeinflussen. Dazu entwickeln sie ein mathematisches Modell sowie ein Instrumentarium, die es erlauben, fehlende Verbindungen des antiken Wegenetzes zu rekonstruieren und plausibel vorherzusagen, wo diese gelegen haben könnten.

„Unser Projekt ‚Evolution Models for Historical Networks‘ betrachtet das Straßen- und Wegenetz Sardiniens, das bis heute Thema lebhafter archäologischer Debatten ist“, erklärt Max Klimm, Mathematik-Professor für Diskrete Optimierung an der TU Berlin, wo das von der Deutschen Forschungsgemeinschaft geförderte Projekt angesiedelt ist. „Die vorhandenen Karten speisen sich aus unterschiedlich gesicherten, spärlichen Daten: Sie beziehen sich auf Ausgrabungen, alte Meilensteine oder Strukturen, die nur aus der Luft oder per Bodenradar erkennbar sind sowie auf antike Reiseführer wie das sogenannte ‚Itinerarium Antonini‘.“

„Für unser Modell haben wir angenommen, dass neue Verbindungen sukzessive nach einem optimalen Kosten-Nutzen-Kalkül hinzugefügt wurden. Es schätzte Bau-, Reise- und Erhaltungskosten sowie den möglichen Nutzen aufgrund der bereits bestehenden Verbindungen ab, den sogenannten ‚Trade-off‘“, erläutert Maximilian Stahlberg, Doktorand im Exzellenzcluster Math+. „Das Gesamtnetzwerk ergibt sich dabei aus der Reihenfolge, in der die Straßen entstanden.

Einen zusätzlichen Knotenpunkt an einer vorhandenen Straße zu bauen war natürlich ökonomischer als eine neue Straße an anderer Stelle, selbst wenn diese dort sinnvoller gewesen wäre.“ Die gefundene Lösung müsse also nicht die beste sein. Ihre bisherigen Erkenntnisse sowie ein Anwendungswerkzeug zur Visualisierung verschiedener Möglichkeiten haben die Forscher:innen bereits veröffentlicht.

„Das ganze Netz ist die Folge der ersten Entscheidungen, deshalb sind die ältesten gebauten Straßen besonders wichtig“, so Max Klimm zur Quintessenz der Idee: „Wir wollen auch die Konsequenzen menschlichen Handelns aufzeigen, die langfristigen Auswirkungen bestimmter Entscheidungen, sei es über den Bau von Wasserstoffnetzen, von Wohnsiedlungen oder eben von Transportwegen.“

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