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Tino Chrupalla (l-r), Andreas Lichert, hessischer Landesvorsitzender, Alice Weidel, Bundesvorsitzende, und Robert Sesselmann, neugewählter Landrat für den Kreis Sonneberg, auf der Bühne beim AfD-Bundesparteitag in der Magdeburger Messe.

© dpa/Sebastian Willnow

Wenn die AfD von der Macht träumt: Die Lage ist ernster denn je

Dass die Brandmauer in Land und Bund nach wie vor steht, ist kein Grund zur Beruhigung. Alle Parteien brauchen jetzt eine Strategie im Umgang mit der AfD.

Ein Kommentar von Maria Fiedler

Robert Sesselmann ist ein eher unscheinbarer Typ. Doch auf dem AfD-Parteitag in Magdeburg ist der Thüringer ein Promi. Der erste AfD-Landrat Deutschlands signiert seine alten Wahlplakate, mit persönlicher Widmung. Die Parteifreunde stehen bei ihm Schlange.

Sein Sieg im Landkreis Sonneberg ist für die Rechten zum Symbol ihres neuen Erfolgs geworden. „Wir wollen ganz Deutschland zu einem großen Sonneberg machen“, dröhnt der Sachse Maximilian Krah. Er wird später zum Spitzenmann der AfD für die Europawahl gekürt.

Der Sieg in Sonneberg, die hohen Umfragewerte, die große Aufmerksamkeit – all das hat das Selbstbewusstsein der AfD aufgepumpt. Eigentlich hatte Parteichef Tino Chrupalla zu Demut aufgerufen. Aber es nutzte wenig. In der AfD glauben sie, ihre Zeit sei gekommen. „Bereit für mehr“, ist das Parteitagsmotto. Der Rechtsextremist Björn Höcke meldete Anspruch an auf das Ministerpräsidentenamt in Thüringen.

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Natürlich entbehrt das jeder Grundlage. Auch wenn es die AfD schafft, ihre hohen Umfragewerte in Wahlergebnisse umzuwandeln, lehnen alle Parteien eine Koalition mit ihr ab. Doch nur weil in Bund und Land die Brandmauer nach wie vor steht, ist die Lage nicht weniger ernst. Womöglich war die AfD nie so gefährlich wie heute.

Rechtsextreme Äußerungen bleiben unwidersprochen

Das liegt einerseits daran, dass die AfD „Harmonie“ und Geschlossenheit zur obersten Maxime erhoben hat. Früher machte sie ständig mit internen Machtkämpfen Schlagzeilen, jetzt will sie das um jeden Preis vermeiden.

Bei ihrem Parteitag in Riesa im vergangenen Jahr hat sie einen Parteivorstand gewählt, der die Rechtsextremen in der AfD gewähren lässt. Parteichefin Alice Weidel hat sich mit Höcke arrangiert, Co-Parteichef Chrupalla hatte nie ein Problem mit ihm. Der berüchtigte rechtsextreme „Flügel“ ist zerfallen und in der Partei aufgegangen, weil ihm schlicht die Gegner fehlten. Manche sagen sogar: Der „Flügel“ ist jetzt die Partei.

All das lässt die AfD organisierter erscheinen – obwohl in Magdeburg am zähen, ineffizienten und teils chaotischen Ringen um die Kandidatenliste deutlich wird, dass sich die AfD noch immer schwer führen lässt. Die hohen Umfragewerte disziplinieren die Partei aber insofern, als dass sie Streit nicht mehr nach außen tragen will. Niemand soll den Erfolg gefährden.

Extreme Äußerungen bleiben mittlerweile komplett unwidersprochen. In Magdeburg halten AfD-Politiker völkische Reden, nutzen antisemitische Codes, verbreiten Verschwörungserzählungen. Für all das gibt es stürmischen Applaus.

Selbstverstärkender Effekt

Gleichzeitig zeigen Umfragen eine Normalisierung der AfD. Die „Brandmauer in den Köpfen“ scheine zu fallen, freuen sich AfD-Funktionäre. Es war immer das Ziel rechter Strategen, die emotionale Barriere bei den Wählern zu beseitigen. Nun könnten die Umfragen einen selbstverstärkenden Effekt entwickeln: Je höher die Werte der AfD, desto normaler erscheint die Partei auch anderen Wählern.

Dabei ist sie das natürlich nicht. Die AfD ist die einzige Partei, die ihre Anwesenheit in den Parlamenten nutzt, um die Demokratie von innen heraus anzugreifen. So strebt die AfD ins Europaparlament, obwohl sie die EU hasst. Sie macht diese als totalitäres Konstrukt verächtlich und arbeitet, mit üppigen Geldern ausgestattet, an deren Abschaffung. Sie vernetzt sich mit anderen extrem rechten europäischen Parteien und brüstet sich mit diesen Partnern.

In Magdeburg zeigte sich, welche Strategie neue AfD-Anführer wie Krah künftig fahren wollen. Der Sachse will die AfD als Anwalt der „arbeitenden Bevölkerung“ präsentieren, die Sorge hat, am Ende des Monats den Kühlschrank nicht füllen zu können. Denen, die sich ohnmächtig fühlen, will er eine Identität bieten: den Stolz darauf, deutsch zu sein. Es ist jene Mischung aus völkischer und sozialer Politik, die auch Höcke propagiert.

Die Verantwortung für den richtigen Umgang mit der AfD nur bei CDU und CSU abzuladen, wäre falsch. Magdeburg macht deutlich: Keine der anderen Parteien kann es sich mehr leisten, keine Strategie im Hinblick auf die AfD zu haben.

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