zum Hauptinhalt
Es ist ein Kreuz: Vor allem auf die 67 Bischöfe kommt es bei der Erneuerung an.

© dpa/Arne Dedert

Etappen auf dem Synodalen Weg : Segensfeiern für homosexuelle Paare sind nur ein Anfang

So viel muss reformiert werden, die Gläubigen hierzulande wissen es. Der Papst weiß es auch. Ob der Vatikan endlich danach handelt?

Ein Kommentar von Stephan-Andreas Casdorff

Der Synodale Weg der katholischen Kirche ist noch lange nicht beendet. Wer das nach dem Ende der Vollversammlung von 225 Geistlichen und Laien glaubt, irrt. Und zwar gewaltig. Denn die Reformen müssen immer weitergehen.

Wann ist der Synodale Weg ein Erfolg? „Wenn die Augenhöhe nicht nur an der Kaffeetasse, sondern auch am Altar erreicht wird“, hat eine Delegierte gesagt. Großartig, dieses Bild. Alles andere als Augenhöhe wäre nämlich kalter Kaffee. Oder, um im Bild des Weges zu bleiben: ein Abweg.

Aber immerhin, die Bischöfe, Weihbischöfe, Pastoralreferenten, Gemeindereferenten, Ordensoberen (m/w) und all die anderen, die sich der Kirche (noch) zugehörig fühlen, haben auf der vorläufig letzten Etappe in Trippelschritten einige Zwischenziele erreicht.

So beschloss eine breite Mehrheit, den Papst zu bitten. „die Verbindung der Erteilung von Weihen mit der Verpflichtung zur Ehelosigkeit neu zu prüfen“. Was heißt: Auch 90 Prozent der Bischöfe stimmen damit dafür, den verpflichtenden Zölibat für Priester aufzuheben.

Auch wenn das anders, kryptischer formuliert war – es ist, wie Bischof Wiesemann sagte: „Der Papst weiß doch, was gemeint ist, wenn wir bitten den Zölibat zu überprüfen!“

Die Strukturen: überkommen und verkommen

Wer der Vollversammlung in Frankfurt gefolgt ist, hat mitbekommen, dass die Zeichen der Zeit – wie es in der Bibel bei Matthäus heißt - erkannt sind, immerhin. Und es ist höchste Zeit, die patriarchalen und diskriminierenden Strukturen zu durchbrechen. Überkommen und verkommen sind die ja außerdem.

Dazu zählt, dass es ungerecht ist, Menschen, die sich berufen fühlen, nicht den Zugang zu allen Weiheämtern zu gewähren. Gut, dass sich auch die Bischöfe für den Diakonat der Frauen einsetzen wollen, dafür, dass sie taufen und predigen können. Aber das reicht einfach nicht.

Eine Frau als Papst? Eine Wunder wäre das nicht, nur logisch. Weihe, hieß es in der Aussprache, kann nicht an ein Geschlecht gebunden werden. Das gilt.

Und wenn das gilt, was die Mehrheit anerkennt, dann gibt es eben kein Erkenntnis-, sondern ein Umsetzungsproblem. Immer noch. Viel Zeit bleibt allerdings nicht mehr.

225
Mitglieder hat die Vollversammlung, darunter 27 Diözesanbischöfe und 40 Weihbischöfe

Die Gläubigen laufen der Kirche, beiden christlichen Kirchen, in Scharen davon, in Deutschland gewiss. Der Trend muss aufgehalten werden; deshalb der Synodale Weg.

Wenn der Vatikan in Rom das nicht versteht, verstehen will, dann – man muss es mal so sagen – versündigt er sich an den deutschen Katholiken.

Der Widerstand von Kurienkardinälen wirkt zunehmend als Provokation, und zwar zum Aufbegehren. Das wäre gewissermaßen Luther 2.0 - Martin Luther war ja ursprünglich ein katholischer Mönch.

Dass aus überfälligen Reformen eine Reformation würde, ist vor allem die Angst älterer weißer Männer in langen roten Gewändern.

Stephan-Andreas Casdorff

Was evangelisch klingt – synodal –, ist es aber nicht. Noch lange nicht. Dass aus überfälligen Reformen eine Reformation würde, ist vor allem die Angst älterer weißer Männer in langen roten Gewändern.

Sagen wir wie weiland die revoltierenden Studierenden: Unter den Talaren der Muff von 1.000 Jahren. Nur dass es sich hier um Soutanen handelt.

Den Unmut und den Aufbruchswillen klug in den weltkirchlichen Dialog einzubringen, wie ein Bischof forderte, ist sicher nötig; so hierarchisch, wie das ganze System Kirche aufgebaut ist. Aber lange geht das nicht mehr so. Erstens ist Klarheit nötig, zweitens Eile.

Die Ungeduld der Menschen wächst

Die Ungeduld der Menschen wächst. Besonders der Frauen, der Hälfte der Bevölkerung und wesentlichen Stütze des kirchlichen Systems. Auch das ist eine Erkenntnis der Vollversammlung: „Die Kirche hat eine historische Verantwortung für das Frauenbild in der Welt.“ Und für ihres sowieso.

Jeder, wohlgemerkt: Mann, weiß: Kommen Frauen nach vorne, besteht die Chance, Jahrhunderte alte Missstände zu beheben. Zum Beispiel, die grauenvolle Sexualmoral zu beenden.

Selbst Papst Franziskus glaubt doch nicht (mehr), dass die Ehelosigkeit der Kirche in der westlichen Hemisphäre in Stein gemeißelt ist. Und wenn, dann bröselt der aber jetzt. So sagt Franziskus: In der gesamten katholischen Ostkirche sind Priester meist verheiratete Männer. Und es liegt „kein Widerspruch darin, dass ein Priester heiraten kann“, erklärt der Papst wörtlich.

In der Westkirche sei der Zölibat eine disziplinäre Frage, „eine zeitliche Vorschrift“ und damit „provisorisch“. Für Franziskus ist die Ehelosigkeit revidierbar. Zeit wird’s.

Offener Umgang mit Homosexuellen

Außerdem spricht sich der Papst in einem Interview für den offenen Umgang der katholischen Kirche mit Homosexuellen aus. Auf die Frage, ob er solchen Menschen die Kommunion geben würde, sagt Franziskus: „Die große Antwort hat Jesus gegeben: alle. Alle. Alle herein.“

Der Papst verweist auf das Gleichnis mit dem Festmahl, bei dem die geladenen Gäste alle absagen und der Gastgeber schließlich sein Haus für alle öffnet. „Und jeder klärt seine Stellung vor dem Herrn mit der Kraft, die er hat.“

Oft kann Franziskus allerdings nicht mehr so reden, Luther-Worte geradezu, ohne daraus neues Handeln abzuleiten. Segensfeiern für homosexuelle Paare sind nur ein Anfang. Autoritär darauf zu reagieren, gefährdet die eigene Autorität. Der Jesuit und Professor in Franziskus wird das doch wohl wissen.

Wenn der Papst Anschauung suchte, wie das mit Veränderungen gehen kann – der Synodale Weg bietet sie. Keiner ruft doch da zur Kirchenspaltung auf. Allein zum Bündeln der Kräfte.

Zumal ja die vornehmste Aufgabe der Kirche, der Kirchen, ist, dem Menschen in der Gesellschaft, ob gläubig oder nicht, beizustehen. Stichwort: soziales Wirken. Über Parteilichkeit hinweg, gleichsam als eine Volkssolidarität auf christlich, als „Herz-Jesu-Marxisten“, wie es früher manchmal spöttisch hieß.

Um da weiter im besten Sinne tätig zu sein, ein bisschen wie wie der päpstliche Namensgeber, braucht es die, die dafür ganz praktisch eintreten. Gehen sie verloren, siechen auf die Dauer auch kirchliche Hilfswerke dahin, die katholische Caritas, die evangelische Diakonie.

Dafür müssen die Reformen weitergehen. „Ecclesia semper reformanda“, die Kirche muss beständig reformiert werden, sagten sie schon zur Zeit der Reformation. Und jetzt in der Vollversammlung des Synodalen Wegs. Ach ja: Franziskus sagt es auch.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false