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Bloß keine Politik der ruhigen Hände: die Koalitionäre.

© dpa/Photothek/Florian Gaertner

Rasanter Vertrauensverlust der Ampel: Olaf Scholz muss jetzt das tun, was er am schlechtesten kann

Einer ist mit sich zufrieden, der Kanzler. Das reicht aber nicht: Drei Viertel der Deutschen haben eine schlechte Meinung von Rot-Gelb-Grün. Die zu ändern, ist hohe Zeit.

Ein Kommentar von Stephan-Andreas Casdorff

Es kann immer noch dicker kommen. Drei Viertel der Deutschen sind unzufrieden mit der Ampel, also die meisten Deutschen sehen die Regierung kritisch.

Vor allem Olaf Scholz – der Kanzler schneidet von allen Kabinettsmitgliedern am schlechtesten ab. Die jüngste grundsätzliche Einigung bei der Kindergrundsicherung ändert daran nichts.

In diesen Tagen von SPD-Fraktionsklausur und Kabinettsklausur glaubt vor allem Scholz, dass er die SPD dauerhaft zur führenden Kraft Mitte-Links machen und alle anderen auf Abstand halten, sie vom Kanzleramt fernhalten kann. Dass er dafür aber nicht ausreichend ankommt, woran das wohl liegt?

Scholz, wie er so ist, wird denken: an den anderen. Seine Kritiker dagegen finden: der Kanzler – kein Anführer, sondern ein Rechthaber, und ein Meister der Prokrastination.

Entschieden wird, wenn es nicht mehr anders geht

Das ist ein altes Wort, inzwischen ein Modewort. Es stammt vom lateinischen „procrastinare“, heißt: „Aufschieben“, „auf Morgen verlegen“.

Nicht ganz falsch, oder? Anstehende Pflichten werden hinausgezögert. Bis es nicht mehr anders geht. Wie eben bei der Kindergrundsicherung. Und auch da sind noch nicht alle Details klar.

Scholz hat keine Angst zu versagen oder kritisiert zu werden – er hat schlicht eine ganz eigene Prioritätensetzung und Zeitvorstellung. Deswegen war im Übrigen auch das Wort „Zeitenwende“ aus seinem Mund so überraschend wie irreführend. Schnelligkeit ist seine Sache nicht.

Und die SPD folgt, manchmal murrend, aber leise. Oder hört jemand Kritik von der Fraktion? Warum nicht? Weil sie bis drei Monate vor der Bundestagswahl 2021 niemals gedacht hätte, die gewinnen zu können. Was sie auch nicht hat. Aber sie stellt den Kanzler.

Kanzler, weil die anderen noch schwächer waren

Dabei hat sie eines ihrer schlechtesten Ergebnisse je erlitten, wurde nur stärkste Fraktion, weil die Union unter Armin Laschet noch schlechter war. Und weil die grüne Kanzlerkandidatin ihren Wahlkampf vergeigte.

Stärker bleiben als die direkten Konkurrenten von den Grünen, freundlich sein zur FDP, damit die nicht auch noch die Nerven verliert, und selbst gestärkt in der Führung der Koalition – soweit der Plan der SPD. Er muss funktionieren, damit es am Ende der Legislatur vielleicht doch zur Wiederwahl reicht.

Aber auch nur vielleicht. Denn ihre Strategie ist der Machterhalt, das ist unübersehbar. Sympathisch ist das nicht.

Die SPD verhält sich, als wolle sie bestenfalls Juniorpartner werden. Dabei überschätzt sie ihre Kräfte. Ob beispielsweise die Grünen Volkspartei werden – das zu verhindern, steht nicht in ihrer Macht. Soziale und demokratische Politik, Sozialpolitik, gehört keiner Partei.

So viel steht hinter dem Streit um die Kindergrundsicherung. Ja, der ist nun gelöst. Aber daran zeigt sich: Aufschieben ist keine Strategie, sondern wirkt nur wie eine falsche Einschätzung von Prioritäten.

Wer nicht weiß, was wann wichtig ist und nicht danach handelt, wird immer noch mehr Kritik hervorrufen. Die Zustimmung zur Ampel verfällt ohnehin schon, man hat den Eindruck: von Woche zu Woche.

Dagegen hilft am besten eine Prioritäten-Agenda. Damit es für die Mehrheit der Deutschen nicht schlechter wird, sondern in vielem besser. Bedenke das Ende, sagt der Lateiner. Sonst kann es schneller kommen, als Olaf Scholz denkt.

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