zum Hauptinhalt
Wolf Biermann beim Konzert in der Sporthalle Köln, 13. November 1976.

© Barbara Klemm/Frankfurter Allgemeine Zeitung

Wolf Biermann im DHM: Reden über die Lebenden

Bei der Ausstellung im DHM zum Liedermacher Wolf Biermann wird viel über sein Wirken gesprochen. Anderswo spricht er selbst über sich. Was ist nun besser?

Eine Kolumne von Birgit Rieger

Wie fühlt sich das wohl an, wenn viele Menschen zusammenkommen, um darüber zu reden, wie man selbst, sagen wir mal, die Kulturpolitik oder das eigene Land beeinflusst hat? Es muss merkwürdig sein, wenn andere zu Experten des eigenen Lebens werden, während man selbst noch quietschfidel ist und eigentlich selbst Auskunft geben könnte.

Vielleicht geht es Wolf Biermann gerade so. Dem selbsternannten Liedermacher (den Begriff hat der gebürtige Hamburger für sich erfunden, um das Handwerkliche an seiner Musik zu unterstreichen) ist eine Ausstellung im Deutschen Historischen Museum (DHM) gewidmet. Eine Gesprächsreihe lud prominenten Gäste und Rednerinnen ein, sein Wirken in DDR und Bundesrepublik in den „Kontext“ zu stellen: Daniel Cohn-Bendit war da, der Dichter Durs Grünbein, die ehemalige Beauftragte der Stasi-Unterlagen-Behörde Marianne Birthler.

Gesprächsreihe mit „Kontext“

Es sind alles Weggefährten und Biermann ist es sicher recht, wenn sie über ihn sprechen. Er habe sich komplett herausgehalten aus der Ausstellung über ihn. So erzählt es der Musiker kürzlich im „Zeit“-Podcast „Alles gesagt?“. Erstaunliche Energie. Fast sechs Stunden erzählte der Lyriker über sein Leben, den in Auschwitz ermordeten Vater, die resolute kommunistische Mutter, den Wegzug in die DDR, den Frauen und der Musik. Von Margot Honecker auch. Sehr ähnlich sind die Geschichten in seiner Autobiografie nachzulesen.

Beachtlich an dem Mann, der ja nervig, laut und krawallig sein kann, ist, dass er anerkennt, wie ambivalent und widersprüchlich Realität und Mensch sind. Er verurteilt das nicht, was die wenigsten schaffen. Er hat es selbst erlebt: Vom Kommunisten zum Kapitalisten, in der DDR verboten, trotzdem privilegiert, Ausbürgerung, Freunde, Feinde. „Chamäleon“, sagen frühere Kollegen, die seine „Heiligsprechung“ im DHM völlig daneben finden.

Es ist eine spannende Frage: Wer kann wahrer über einen reden: Man selbst, oder andere?

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false