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Liu Guangyuns Video „11,071.96011 KM“ dauert 93 Stunden.

© Liu Guangyun

Unvorstellbares in der Galerie Vincenz Sala: Mit dem Auto von Mainz nach Shanghai

In Wilmersorf zeigt der Künstler Liu Guangyun seine Kunst der großen Zahl und liefert nachdenkliche Kommentare zu Individuum und Gesellschaft.

Eine Kolumne von Birgit Rieger

Die Galerie Vincenz Sala hat eine sehr lange Geschichte in Berlin, sie startete bereits in den 80er Jahren, zog nach Paris und Brüssel. Jetzt zeigt die Galerie im aktuellen Domizil in Wilmersdorf eine Ausstellung des chinesischen, zwischen Mainz und Shanghai lebenden Künstlers Liu Guangyun.

Es ist einmal mehr ein Ausweis künstlerischer Netzwerke: Der Künstler Jochem Hendricks kennt Liu Guangyun und kennt Kuratorin Carola Uehlken, brachte beide wieder zusammen und trat gleichzeitig seinen eigenen Ausstellungsslot an die beiden ab.

Uehlken und Liu Guangyun lernten sich 2014 bei der Neueröffnung eines Shanghaier Museums kennen, wo dieser die Installation „11,071.96011KM“ zeigte. Die Installation besteht aus einem über 10.000 Meter langen Kabel, das die Straßenverbindung zwischen Mainz und Shanghai visualisiert. Liu Guangyun ist die Strecke wirklich mal mit dem Auto gefahren, zu einer Zeit, die eine andere war.

Das Video „Filling Space, 50.000 Pearls“ von Liu Guangyun stammt von 2015.

© Liu Gunagyun

Ich kann mir 10.000 Meter Kabel nicht im Ansatz vorstellen, nehme aber an, dass sie bei Vincenz Sala nicht reinpassen würden. Der Künstler zeigt in Berlin eine Video-Variante dieser Arbeit. Auf zwei Monitoren flackert jeweils eine Linie. Es ist einmal der Hin-, und einmal der Rückweg von Mainz nach Shanghai, während unten jeweils die gefahrenen Stunden als Zahl vorbeirattern. 93 Stunden dauert das Video.

Liu Guangyun hat sein Leben im Transit zum Ausgangspunkt etlicher Werke gemacht, auch Themen wie Migration oder Individuum versus Gesellschaft. Wundervoll ist ein Video im hinteren Zimmer der Galerie, das eigentlich nicht zur Ausstellung gehört. In dem Film stehen Arbeiter einer chinesischen Fabrik nebeneinander aufgereiht, während vor ihnen tausende weiße Kugeln niederprasseln, 50.000, um genau zu sein; die Perle ist in China ein Sinnbild für Reichtum – den natürlich nur das Land, nicht der Einzelne für sich beanspruchen kann. Die Unvorstellbarkeit großer Zahlen blieb bei mir hängen, als ich die Galerie verließ.

Zu Hause habe ich die Strecke von Mainz nach Shanghai bei Google Maps eingegeben. Der Routenplaner spuckte eine 11-stündige Flugverbindung aus, verweigerte sich aber beim Klick aufs Automobil aus: „Die Route konnte nicht berechnet werden“. Einige Länder lassen sich wohl einfach nicht mehr durchfahren. Bei „zu Fuß“ hingegen wurde ein Weg angezeigt. 134 Tage wäre man unterwegs. Ohne Schlaf.

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